Umweltschutz:Landtag fordert Aufklärung des Trinkwasserskandals in Altötting

Trinkwasserskandal in Altötting: Blutproben wie diese werden nicht für Transfusionen verwendet. Der Landtag fordert eine Aufklärung.

Blutspenden aus dem Landkreis Altötting verwendet das BRK vorerst nur zum Herstellen von Medikamenten, aber nicht für Transfusionen an Menschen.

(Foto: KPF)
  • Im Herbst 2017 wurden Blutspenden von Bewohnern der Gemeinde Emmerting untersucht, deren PFOA-Konzentration weit über den normalen Werten lag.
  • Zu Beginn dieses Jahres gab es umfangreichere Bluttests, deren Auswertung sich hinzieht.
  • Nun fordert der Landtag rasche Aufklärung.

Von Matthias Köpf, Altötting

Es ist zwölf Jahre her, dass Aktivisten von Greenpeace in der Alz standen und Flusswasser zurück auf das Gelände des Chemieparks Gendorf leiteten. Sie haben damit erstmals öffentliche Aufmerksamkeit gelenkt auf eine Belastung dieses Wassers mit der vermutlich krebserregenden Perfluoroctansäure (PFOA).

In der Folge wurden Untersuchungen angestellt und ein Trinkwasserbrunnen mit einem Filter ausgerüstet. Umfangreichere Bluttests in der Region gab es aber erst zu Beginn dieses Jahres, obwohl die Trinkwasserkommission des Umweltbundesamts solche Tests in einem ähnlichen Fall schon 2006 empfohlen hatte.

Am Dienstag haben SPD und Grüne mit Dringlichkeitsanträgen im Landtag eine Ausweitung der Blutuntersuchungen auch auf Kinder unter sieben Jahren sowie eine umfassende gründliche Aufklärung verlangt. Der Forderung nach Aufklärung hat sich die CSU einem nachgezogenen, weitgehend wortgleich von der SPD übernommenen Antrag angeschlossen. Kostenlose Blutabnahmen an kleineren Kindern lehnte die CSU mit ihrer Mehrheit ab, weil sich daraus keine Therapie ergebe.

Das PFOA-Problem ist seit 2006 nicht nur in der Region, sondern nach Angaben der Staatsregierung gegenüber der SPD auch wechselnden bayerischen Umweltministern bekannt gewesen. Doch die Menschen im Raum Altötting treibt das Thema erst wirklich um, seit im Herbst 2017 eine schon ein Jahr ältere Untersuchung von Blutspenden aus der kleinen Gemeinde Emmerting bekannt wurde.

Die PFOA-Konzentration in den Proben lag weit über den normalen Werten, und seither haben die Menschen allen Grund zur Annahme, dass PFOA nicht nur in der Alz, im Boden, im Grundwasser und auch im Trinkwasser für 40 000 Einwohner zu finden ist, sondern auch in ihnen selbst, in ihrem Blut.

Das Rote Kreuz verwendet die Blutspenden aus dem Landkreis seither nicht mehr direkt für Transfusionen an Menschen, das Altöttinger Landratsamt und das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit rangen sich zu umfangreichen Blutuntersuchungen durch, für die sich knapp 1000 Menschen gemeldet haben. Nach Forderungen besorgter Mütter soll es bald auch Tests zur PFOA-Konzentration in der Muttermilch geben, da sich im Blut von gestillten Säuglingen vorübergehend sogar weit mehr PFOA anreichern kann als im Blut ihrer stillenden Mütter.

Die EU hat die Herstellung von PFOA von 2020 an untersagt.

Ein "Human-Biomonitoring" anhand von Blutproben hatte die beim Umweltbundesamt angesiedelte Trinkwasserkommission des Bundesgesundheitsministeriums schon 2006 empfohlen, auch um Grundlagen für die Risikobewertung zu gewinnen. Die Empfehlung richtete sich damals allerdings nicht an den Landkreis Altötting, sondern an den Hochsauerlandkreis in Nordrhein-Westfalen, der nach PFOA-Funden um eine Einschätzung gebeten hatte.

Eine weitere Empfehlung lautete, die Konzentration aller Perfluortenside wie PFOA im Trinkwasser möglichst nicht über ein Mikrogramm pro Liter steigen zu lassen. Trinkwasser mit mehr als einem halben Mikrogramm PFOA pro Liter solle nicht zur Zubereitung von Säuglingsnahrung verwendet werden, Schwangere sollten es nicht trinken.

Das Umweltbundesamt selbst hat den maßgeblichen Richtwert, unter dem die Konzentration als unbedenklich gilt, allerdings erst 2016 von drei auf ein Mikrogramm pro Liter abgesenkt. Erst dann reagierten auch die Wasserversorger und die Behörden in Altötting, indem sie einige Brunnen dichtmachten und für den Einbau von Filteranlagen sorgten. Ein harter Grenzwert ist weder für die PFOA-Konzentration im Blut noch im Trinkwasser definiert.

Im unbehandelten Grundwasser der Region wird die Konzentration noch über viele Jahr hinweg ansteigen statt zu sinken. Dies hat eine vom Chemiepark Gendorf finanzierte Sudie ergeben. Dorf wurde PFOA von 1968 bis 2003 als Grundstoff für Beschichtungen und Imprägnierungen hergestellt und bis 2008 verarbeitet.

In den USA wurde die Produktion auf Druck der dortigen Behörden teilweise schon Jahre zuvor eingestellt, inzwischen gab es hohe Schadenersatzzahlungen an Betroffene. Die EU hat die Herstellung von PFOA von 2020 an untersagt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: