Triathlon:Fränkische Passionsspiele in Roth

DATEV Challenge Roth 2014

Der Rhein-Main-Donau-Kanal ist nicht gerade das klassische Schwimmparadies. Wenigstens gibt es hier aber keine Haie.

(Foto: Marco Leibetseder)
  • In Roth wird alljährlich der weltgrößte Triathlon ausgerichtet.
  • Athleten aus 71 Nationen nehmen in diesem Jahr an dem Wettkampf aus 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen teil.
  • Der Wettbewerb ist so erfolgreich, weil alles familiär abläuft, meinen die Organisatoren.

Von Christoph Dorner, Roth

Es ist eine schöne und wunderliche Geschichte, die der Triathlon im mittelfränkischen Landkreis Roth erzählt. Dazu gehört auch Einbildung: Dass man in der Brühe des Rhein-Main-Donau-Kanals schwimmt wie in der tropischen Bucht von Kona, Hawaii. Dass Zehntausende Zuschauer am Solarer Berg in Hilpoltstein so tun, als wäre das hier die Tour de France. Dass beim Marathon entlang des Schifffahrtkanals die Beine so schwer werden, dass der Triathlon unweigerlich auf die großen Dramen hinausläuft.

Die Menschen in Roth sind überzeugt, dass sie am kommenden Sonntag wieder den mit rund 250 000 Zuschauern größten Triathlonwettbewerb der Welt ausrichten. Aber vor allem den mit der tollsten Atmosphäre. Was sie aber verwundert: Der Rest der Sportwelt sieht das offenbar genauso, trotz des Rhein-Main-Donau-Kanals.

Am Mittwochabend sitzt Roths Landrat Herbert Eckstein in einer alten Gastwirtschaft in Hilpoltstein und ist überrascht, dass es hier mittlerweile neben den üppigen Fleischgerichten einen Nudelteller auf der Speisekarte gibt. "Wahrscheinlich wegen der Triathleten", murmelt Eckstein. Der SPD-Politiker ist auch so ein Phänomen von Roth. Seit 23 Jahren im Amt, fast so lange, wie es den Triathlon gibt.

Aus den Jahren, als Quelle noch Hauptsponsor des Triathlons war, hat Eckstein zwei Holzrasseln aufgehoben. Mit den Werbegeschenken des längst bankrotten Fürther Versandhändlers wird er auch am Sonntag von morgens bis abends an der Strecke stehen. Nur wenn die Topathleten ins Ziel kommen, wenn sich also die Frage klärt, ob der Favorit Jan Frodeno die Rother Weltbestzeit von 7:41 Stunden unterbietet, da hat Herbert Eckstein keine Zeit. Dann muss er zu einer Pfarrereinführung.

Fragt man den 60-jährigen Landrat nach dem Geheimnis des Rother Triathlons, zeigt er an den Nachbartisch. Dort haben Triathleten aus Hilpoltstein ihrem Gast, einem Sportler aus Mallorca, gerade das erste Weizenbier seines Lebens hingestellt. Miteinander reden ist da schon schwieriger.

Die Völkerverständigung funktioniert - auch im Wirtshaus

Es ist ohnehin eine sonderbare Form der Völkerverständigung, die sich in Roth vollzieht: Weil es für die weit mehr als 3000 Sportler und ihren Anhang im Landkreis nicht genug Gästebetten gibt, schlafen Hunderte seit Jahren bei einheimischen Familien.

In den Dörfern entlang der Radstrecke werden am Sonntag Bäckermeister und Grundschullehrer mit Mikrofon auf der Straße stehen und den Radfahrern, die in diesem Jahr aus 71 Nationen angereist kommen, ein paar Brocken in ihrer jeweiligen Landessprache hinterherrufen. Dass dabei vor lauter Enthusiasmus ziemlich viel durcheinander geht, mache gerade den Reiz aus, sagt Eckstein.

Über Roth nach Hawaii

Challenge Triathlon - Roth

Die Strecke sieht zwar flach aus, trotzdem müssen die Athleten zwischen Greding und Hilpoltstein auf 180 Kilometern Länge 1000 Höhenmeter überwinden.

(Foto: Jordan Mansfield/Getty)

Als sich Ende der Achtzigerjahre ein Haufen Spinner die Tortur über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen in Roth erstmals antat, hatte die Bevölkerung noch mit dem Kopf geschüttelt. Dann brachte der damalige Veranstalter Detlef Kühnel eine Lizenz des Ironman Hawaii mit nach Hause. Fortan durfte sich das Rennen Ironman Europe nennen. Weil das so glanzvoll klang, wuchs der Wettkampf über sich hinaus. Wer sich einmal im Leben für das legendäre Rennen auf der Insel Hawaii qualifizieren wollte, musste in den Neunzigerjahren nach Roth reisen.

Und doch erklärt der Sport den Erfolg allenfalls zur Hälfte. Wie die Oberammergauer Passionsspiele, so ist auch der Rother Triathlon zugleich Profi-Event und Mitmachbühne. Ohne die 6000 freiwilligen Helfer, die Strecken absperren, Getränke verteilen und im Ziel Krämpfe wegmassieren, würde die Veranstaltung nicht funktionieren. Das weiß auch Rennleiter Felix Walchshöfer, der am Mittwochnachmittag durch das Stadion am Rother Festplatz läuft, in dem am Sonntag 10 000 Zuschauer Platz finden.

Die jüngere Geschichte des Triathlons in Roth ist auch eine Geschichte der Familie Walchshöfer. Vater Herbert hatte die Organisation des Rennens übernommen, nachdem sich Detlef Kühnel zuvor mit den amerikanischen Ironman-Lizenzgebern überworfen hatte. 15 Jahren ist es her, dass der Triathlon mit geschrumpftem Teilnehmerfeld und Sponsorenpool neu anfangen musste. Aus dem Ironman wurde die Challenge, die Herausforderung. Schnell ging es mit dem Rennen wieder aufwärts.

2003 gewann Lothar Leder im Endspurt gegen den Australier Chris McCormack, die Bilder waren für die Sportart eine Sensation. In späteren Jahren wurden bei Frauen und Männern neue Weltbestzeiten aufgestellt. Dass der Triathlon mittlerweile nach wenigen Sekunden ausgebucht ist, erlebte Herbert Walchshöfer nicht mehr. Der Challenge-Organisator starb 2007, Sohn Felix rückte als Rennleiter nach und führt seitdem mit der Schwester und der Mutter die Geschäfte der Challenge GmbH.

Längst könnten sie für Roth eine Qualifikation einführen oder noch mehr an der Preisschraube drehen, als es die boomende Sportart zulässt. Doch das will Felix Walchshöfer nicht. "Wir wollen die absoluten Amateure mit ihrer Leistung weiter bei uns haben." Zu viel Kommerz würden die Rother auch nicht mittragen, sagt der Landrat. Trotzdem bleiben durch den Triathlon neun Millionen Euro an Wertschöpfung im Landkreis. Der Werbewert für den Tourismus: unbezahlbar.

Landrat Herbert Eckstein hat in dem Lokal mittlerweile Sportler aus Krefeld zu sich an den Tisch gewunken. Einer erzählt, wie ihm Tränen in die Augen schossen, als er das erste Mal den Solarer Berg hochfuhr. Das Rennen hat er dann in 9:26 Stunden durchgebolzt.

Da gibt ihm Eckstein noch einen echten Insider-Tipp: "Du musst versuchen, Letzter zu werden. Dann wirst du in Roth gefeiert wie nie mehr in deinem Leben."

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