Gipfelbücher:Wie die Sechzger ganz nach oben kommen

Gipfelbücher: Umsorgt: Sechzger-Tüten sollen Gipfelbücher vor Regen schützen und den Verein hoch hinaus bringen.

Umsorgt: Sechzger-Tüten sollen Gipfelbücher vor Regen schützen und den Verein hoch hinaus bringen.

(Foto: Natalie Späth)
  • Fans des TSV 1860 München hüllen Gipfelbücher in Plastiktüten ihres Vereins ein.
  • Die Sechzger-Bergsteiger haben inzwischen die meisten Gipfelbücher zwischen Tennengebirge bis Wetterstein, im Chiemgau und dem Berchtesgadener Raum bis hin zum Alpenhauptkamm mit Tüten verhüllt.
  • Inzwischen gibt es Nachahmer von der Konkurenz.

Von Thomas Anlauf, Traunstein

Bayerns natürliche Farben sind Weiß und Blau, das weiß im Freistaat jedes Kind - und jeder Fan des TSV 1860 München ohnehin. Die Löwenanhänger sehen sich als Verkörperung des weißblauen Lebensgefühls, auch wenn es um die Fußballer derzeit nicht gerade gut bestellt ist. Mit Mühe haben sie den Klassenerhalt in der zweiten Bundesliga geschafft. "Mei, als Löwe darf man sein Fan-Dasein halt nicht von der Liga abhängig machen", sagt Andy Berger. Den 43-Jährigen aus dem Landkreis Traunstein kann man getrost als eingefleischten Fan bezeichnen, er ist eine Art Botschafter der Weißblauen. Der begeisterte Bergsteiger hat bei jeder Gipfeltour Plastiktüten aus dem Sechzger-Fanshop im Rucksack und verpackt damit die Gipfelbücher, aus Schutz vor Nässe, versteht sich.

Angefangen hat seine geheime Gipfel-Mission im Jahr 2008. Als Andy Berger, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, mal wieder an einem Gipfelkreuz stand, fand er das Gipfelbuch in einem erbärmlichen Zustand vor, von Wind und Wetter zerzaust. Zufällig hatte er eine Plastiktüte seines Fußballvereins dabei und packte das Buch in die weißblaue Schutzhülle. Wieder im Tal, erzählte er seinem Spezl Heinrich Wiese von seinem Gipfel-Coup. Und der machte sofort mit. Doch so einfach kommen selbst richtige Löwenfans nicht an die weißblauen Tüten. "Wir haben Tüten über gekaufte Fanartikel organisiert oder in den Fanshops versucht, zu schnorren", sagt Wiese, der auch anders heißt. Das war auf Dauer ziemlich mühselig. Und da der 38-jährige Entwicklungsingenieur und sein Freund Andy mit der Zeit immer mehr Gipfeltouren unternahmen, ging das ziemlich ins Geld, jedes Mal Fanartikel zu kaufen, um Löwentüten zu bekommen. Vor etwa drei Jahren fanden die beiden dann endlich eine Kontaktperson bei Sechzig, die seither die Berg-Löwen kostenlos mit Tüten aus dem Fanshop versorgt.

Mehr als 500 Fan-Tüten pro Jahr

Mittlerweile sind Berger und Wiese längst nicht mehr die einzigen, die ihre Liebe zu den Sechzgern auf die Gipfel tragen. "Mir san immer mehr geworden", sagt Andy Berger. Die lose Gruppe von Bekannten braucht allein schon mehr als 500 Fan-Tüten pro Jahr, um all die Gipfelbücher einzuhüllen. Wiese, der seit dem Pokalspiel gegen Leverkusen am 10. September 1994 kein Heimspiel der Löwen mehr verpasst hat, entwickelte eine regelrechte Passion fürs Gipfel-Sammeln. Im vergangenen Jahr bestieg der Elektrotechniker aus dem Kreis Mühldorf am Inn bei 100 Touren mehr als 500 verschiedene Gipfel, darunter natürlich auch zahlreiche ohne Kreuz und Buch.

Andy Berger, der 2014 auf 80 000 Höhenmeter kam, begann vor zwei Jahren, vor allem im Chiemgau auf unbekannten Gipfeln ohne Kreuz und Bücher Gipfelgläser aufzustellen und in Löwentüten zu packen. Inzwischen haben die Sechzger-Bergsteiger die meisten Gipfelbücher zwischen Tennengebirge bis Wetterstein, im Chiemgau und dem Berchtesgadener Raum bis hin zum Alpenhauptkamm mit Tüten verhüllt. Regelmäßig schauen sie nach, ob sie ausgetauscht werden müssen. Im vergangenen Jahr lernte Andy Berger auf einer Tour einen Österreicher aus dem Raum Linz kennen. Der ist zwar eigentlich Anhänger des österreichischen Bundesligisten SV Ried, "aber dem hat die Aktion so gut gefallen, dass er nun fleißig in Oberösterreich Tüten verteilt", erzählt Wiese. "So was gfreit mi", sagt Berger dazu.

Bayern-Fans ahmen die Idee nach

Die Mission hat sich inzwischen verselbständigt, viele Bergsteiger, die Wiese und Berger überhaupt nicht kennen, tragen auf ihren Touren Sechzger-Tüten im Rucksack, für alle Fälle. Seit einiger Zeit tauchen jedoch auch vereinzelt Tüten des FC Bayern in den Alpen auf. "Ich find's lustig, dass Bayern-Fans unsere Idee nachahmen", sagt Berger. Fakt sei aber, dass die Tüten-Touren von den Löwen stammten, darauf legt der 43-Jährige Wert.

Aber nicht alle Wanderer finden die alpine Werbeaktion der Fußballfans witzig. Vor allem in Internet-Foren regen sich einige Bergsteiger auf, dass Gipfel als Löwen-Werbefläche missbraucht würden. Hans Wiese hat hingegen festgestellt, dass die Tüten-Aktion "überwiegend positiv oder neutral und ganz selten mal negativ" aufgenommen wird. Beim Deutschen Alpenverein, dessen Sektionen sich meist auch um die Gipfelbücher kümmern, ist das Thema offenbar noch gar nicht richtig angekommen. "Ich höre davon zum ersten Mal", sagt DAV-Sprecher Thomas Bucher. Er wisse ja nicht, welchem Verein die Mehrzahl der Sektionsmitglieder die Treue halten. Aber offenbar seien die Tüten unter den Alpenvereins-Aktiven kein großes Reizthema.

Die beiden Freunde werden auf jeden Fall damit weitermachen, ihr Markenzeichen zu setzen. Erst recht jetzt, da Sechzig den drohenden Abstieg abwenden konnte. Und Ende Juli beginnt schon wieder die neue Zweitliga-Saison. Für die zwei Löwen-Bergsteiger geht es dann, ganz klar: um den Aufstieg.

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