Touristen erproben Elektroautos:Willkommen im E-Allgäu

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Das Allgäu will sich als umweltfreundliche Region profilieren. Nun dürfen Touristen Elektroautos ausprobieren - den Strom gibt es erst einmal gratis.

Stefan Mayr

Als erstes muss man sich nicht nur an das Automatik-Getriebe, sondern auch an das beharrliche Schweigen des Motors gewöhnen. Man dreht den Schlüssel um, hört nichts und fragt sich: Ist das Auto jetzt an oder nicht? Ist es. Und nach einem ausführlichen Testtag mit reichlich Kilometern zwischen Kempten, Scheidegg und Oberstdorf darf festgestellt werden: Dieses Elektroauto fährt komfortabler, flotter und weiter als zuvor gedacht.

Klimaschädliche Gase produziert hier allenfalls das Tier: Ein Pilotprojekt erprobt und erforscht den Einsatz von Elektroautos im Allgäu. (Foto: Ralf Lienert)

Der Mitsubishi I-Mief nimmt jeden Berg wie jeder andere Benzin-Kleinwagen auch, erreicht mühelos 120 Stundenkilometer, und bei der Auffahrt auf die Autobahn A 7 beschleunigt der Viersitzer derart flott, dass man sich sogleich auf der linken Spur wiederfindet.

50 derartige, grün-weiß lackierte E-Autos kurven derzeit durch das Allgäu, sie gehören zum Pilotprojekt "eE-Tour". Dieses Kunstwort steht für "effiziente Elektromobilität und Tourismus im Allgäu". Mit dem Experiment soll der Urlaub der Zukunft erprobt und erforscht werden, zudem wollen sich die Touristiker der Allgäu GmbH als umweltfreundliches Urlaubsziel positionieren. "Wir wollen Elektromobilität im Tourismus zu einem Alleinstellungsmerkmal der Region machen", sagt Simone Zehnpfennig von der Allgäu GmbH.

Das Pilotprojekt wird vom Bundeswirtschaftsministerium finanziert; es geht um die Frage, ob Elektrofahrzeuge im Tourismus flächendeckend zur Fortbewegung eingesetzt werden können. Nach zwei Jahren Forschung sagt Projektkoordinator Frank Schubbert von der Hochschule Kempten: "Mit diesem Auto kommt man überall hin, die Reichweite ist für das ganze Allgäu absolut ausreichend."

Bis zu 150 Kilometer weit fahren seine Wagen. Zusätzlich können sie an zwölf Ladestationen - unter anderem beim Parkplatz zu Füßen des Schlosses Neuschwanstein - "aufgetankt" werden. Der Strom stammt stets zu 100 Prozent aus regenerativen Energien, umweltbewusste Urlauber können also mit reinem Gewissen die Allgäuer Landschaft genießen.

Falls der Akku einmal leer sein sollte und keine Ladestation in der Nähe? Eine einfache Steckdose genügt. Die hilfsbereiten Einheimischen helfen gerne weiter, wie eine Hotelwirtin in Scheidegg charmant beweist: Sie öffnet kurzerhand ihr Garagentor und stellt ihre Steckdose zur Verfügung. "Das Tor können sie ruhig offen lassen", sagt sie trotz eines stattlichen Rasenmähers und einer gut eingerichteten Heimwerkstatt, "hier im Allgäu kommt nix weg."

Das Versuchgebiet ist eine überaus anspruchsvolle Experimentierwiese: Erstens gilt das Allgäu als größte zusammenhängende Tourismusregion Deutschlands. Zweitens hat es hohe und steile Berge und drittens kalte Winter. Weil der Tourismus hier zudem von seiner intakten Landschaft abhängig ist, muss es ein großes Interesse an umweltschonenden Verkehrskonzepten haben.

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Wirtschaftsingenieur Frank Schubbert zieht ein erstes Fazit: "Für Urlauber, die mit dem Zug oder dem Flugzeug ankommen, kann das eine echte Alternative sein." Am Allgäu Airport in Memmingen kann man sich direkt ein E-Auto mieten, auch in vielen Hotels und einem Campingplatz kann man den Wagen gleich mitbuchen.

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Die Wissenschaftler von der Hochschule Kempten haben einen Bordcomputer entwickelt, der ähnlich wie ein Navigationsgerät funktioniert. "Dieser kann dem Fahrer stets anzeigen, ob die Ladung reicht, um das eingegebene Ziel zu erreichen", berichtet Schubbert. Zudem wurde auch ein Abrechnungssystem für den Stromverbrauch entwickelt. Denn während der Projektphase ist das "Tanken" noch kostenlos, bald sollen praktikable Bezahlsysteme zur Verfügung stehen.

Womit sich die größte offene Frage des Projekts "eE-Tour" stellt: Wie lässt sich mit den E-Autos auch Geld verdienen? Bis jetzt orientieren sich die Mietpreise (49 Euro am Tag) nicht an den wahren Kosten, sondern an der Konkurrenz mit Benzinmotoren. Solange die Nachfrage nach Elektro-Mietautos nicht steigt, rechnet sich das Angebot nicht.

Ganz anders ist die Lage auf dem Markt der Elektrofahrräder. "Wir haben 2009 mit neun Bikes angefangen", erzählt Monika Echtermeyer, die Initiatorin eines Verleihs in Oberstdorf. "Dann kam die Welle." Heute gibt es im Allgäu 100 Verleihstationen mit 300 E-Rädern. Wer ein solches ausprobieren will, muss wissen: Es ist kein Mofa, das von selbst fährt. Ohne Treten geht gar nichts. Nur wer tritt, wird durch den Elektromotor unterstützt. Das geht bis zu 80 Kilometer weit - oder man steuert unterwegs eine der zahlreichen Akkuwechselstationen an.

Allerdings braucht man als E-Radler auch ein dickes Fell: Denn je höher man mit dem E-Bike kommt, desto bissiger werden die Kommentare der überholten Wanderer und Mountainbiker: "Ja, so kommt man auch den Berg hinauf", ist noch einer der harmloseren Sprüche. Dennoch, sagt Monika Echtermeyer, seien auch junge Leute "ganz verrückt" nach den E-Bikes - die es inzwischen auch in Mountainbike-Ausstattung gibt.

Eine kuriose Situation: Als E-Radler wird man in den Bergen belächelt oder krumm angesehen, als Fahrer eines E-Autos gilt man als vorbildlich. Dennoch haben sich auf dem Markt bislang - Klimawandel hin oder her - die Autos nicht durchgesetzt. "Die Akzeptanz steigt langsam", berichtet Schubbert. Immerhin sagten jene Menschen, die das E-Auto ausprobiert haben, dass sie womöglich wieder eines mieten würden. "Aber viele wollen halt nicht auf ihre gewohnten Limousinen verzichten."

© SZ vom 01.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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