Tourismus:Sanft und wirtschaftlich

Ramsau erstes ´Bergsteigerdorf"
(Foto: Jürgen Waßmuth/dpa)

Ramsau, das erste Bergsteigerdorf Bayerns, ist ganz nach dem Geschmack der Grünen: Dort sind Mensch und Natur im Einklang

Von Christian Sebald, Ramsau

Es ist ein verhangener Tag in der Ramsau im Berchtesgadener Land. Die hohen Felsgipfel sind alle hinter Wolken versteckt und es könnte gleich anfangen zu regnen. Doch Ludwig Hartmann ist begeistert. "Mensch und Natur im Einklang, Hotels und Pensionen, die auf regionale Produkte setzen und so auch den Bauern, den Metzgern, den Bäckern und anderen kleinen Betrieben eine Perspektive geben, und dazu noch umweltfreundliche Verkehrskonzepte, die es einem leicht machen, das Auto im Urlaub stehen zu lassen", sagt der Fraktionschef der Landtagsgrünen. "Das ist der Tourismus, den wir wollen." Herbert Gschoßmann und Hanspeter Mair nehmen Hartmanns Worte mit sichtlichem Wohlgefallen auf. Der eine ist Bürgermeister von Ramsau, der andere ist beim Deutschen Alpenverein (DAV) zuständig für Hütten und Naturschutz. Die Ramsau ist das erste "Bergsteigerdorf" in den bayerischen Alpen. Es hat Gschoßmann und Mair viel Arbeit und Mühe gekostet, bis das Dorf das begehrte Prädikat bekommen hat. Für Hartmann ist die Ramsau jetzt "ein touristischer Leuchtturm". "Denn das was hier passiert, ist der Weg in eine gute Zukunft", sagt der Grünen-Politiker gleich mehrfach an diesem Tag.

Das Prädikat "Bergsteigerdorf" ist eigentlich eine Initiative des Österreichischen Alpenvereins. Erst 2015 hat sie der DAV nach Bayern geholt. Der Titel wird an Tourismusorte vergeben, die sich deutlich vom Mainstream in den Alpen abheben. Die also auf kleine und mittlere Pensionen und Hotels setzen statt auf Bettenburgen. Die ihren Gästen klassische Wanderungen und Bergtouren anbieten statt Flying Fox, Mountaincarts und andere Events. Die im Winter Rodeln und Skitouren propagieren statt neue Lifte und Schneekanonen. Die sich nicht nur Dorf nennen, sondern es auch vom Ortsbild her sind. Und in denen die Natur intakt ist.

Die Ramsau, die direkt am Nationalpark Berchtesgaden liegt, ist so ein Dorf. Hier dominieren kleine und mittlere Pensionen. Selbst das Berghotel Rehlegg, das einzige Vier-Sterne-Haus am Ort, schmiegt sich wie ein großer Bauernhof in den Hang. Der Nationalpark ist Naturgenuss pur - für die Bergsteiger, die auf den Watzmann wollen, die Wanderer in der Wimbachklamm und die Spaziergänger auf dem Uferweg am Hintersee. Natürlich hat die Ramsau ein kleines Skigebiet. Aber Pisteln kann man hier nur, wenn die Natur es zulässt. Und in den Gaststätten und Pensionen, aber auch im Rehlegg servieren sie ihren Gästen möglichst Speisen und Getränke aus regionaler Produktion - auch wenn sie das sehr viel mehr Mühe und auch Geld kostet, als wenn sie ihre Waren vom Großhandel beziehen würden. "Wir haben immer schon sehr viel Wert auf unsere Landschaft und unseren Ort gelegt", sagt Bürgermeister Gschoßmann. "Unsere Gäste kommen zu uns, weil es hier so schön ist. Und deshalb haben wir uns schon vor Jahren für einen sanften, nachhaltigen Tourismus entschieden."

Die Ramsau soll nicht das einzige bayerische Bergsteigerdorf bleiben. Schon demnächst sollen weitere folgen - bis es in allen Alpen-Landkreisen des Freistaats wenigstens jeweils ein Bergsteigerdorf gibt. Denn der DAV will mit der Initiative den Beweis antreten, dass überall in den bayerischen Bergen sanfter, nachhaltiger Tourismus möglich ist. Und dass er wirtschaftlich funktioniert. So sagt es zumindest der DAV-Naturschutzchef Mair. Die Kür des nächsten Bergsteigerdorfes steht denn auch schon bevor. Dem Vernehmen nach wird es Sachrang sein. Das Dorf mit seinen knapp 300 Einwohnern liegt mitten in den Chiemgauer Alpen im Südzipfel des Prientals.

Die Landtagsgrünen fordern derweil die Staatsregierung zu einer Umkehr in der Tourismuspolitik auf. "In Zeiten des Klimawandels wird man in den bayerischen Wintersportgebieten immer seltener skifahren können", sagt Fraktionschef Hartmann an diesem Tag in der Ramsau. "Das Millionen schwere Förderprogramm für immer neue Skilifte und Schneekanonen gehört endlich abgeschafft."

Stattdessen solle der Freistaat die Millionen in ein üppig dotiertes Förderprogramm für sanften Tourismus stecken. "In den Unterhalt von Wanderwegen zum Beispiel, aber auch in kommunale Buslinien, die Wanderer zum Ausgangspunkt ihrer Tour bringen und an deren Endpunkt wieder abholen", sagt Hartmann, "oder in die Anschaffung von Loipenspurgeräten." Denn bei all diesen Punkten lasse der Freistaat seine Gemeinden bisher alleine. Viele könnten diese Aufgaben aber nicht aus eigener Kraft schultern. Der Ramsauer Bürgermeister Gschoßmann, ein CSU-Mann übrigens, und der DAV-Mann Mair nicken zustimmend.

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