Tourismus:Dieser Mann hat das schöne Bayern entworfen

Tourismus: Der Grafiker und Architekt Werner Eckhardt mit einem seiner Werbeplakate.

Der Grafiker und Architekt Werner Eckhardt mit einem seiner Werbeplakate.

Werner Eckhardt hat nach dem Krieg das Bild des Freistaats in der Werbung geprägt - und die Stadt München und die Berge zusammengeführt.

Von Maximilian Gerl

Fast scheint es, als könne es Werner Eckhardt auch 60 Jahre später nicht glauben. Hinter ihm hängt der rote Ballon an der Wand. Auf ihm spiegelt sich die Münchner Frauenkirche, dahinter ragen die Alpen auf. Vor einer Hütte stecken Skier im Schnee. Zwei Abfahrer, ferne Gestalten, wedeln vorbei. Mit diesem Bild hatte sich Eckhardt Ende der Fünfzigerjahre Jahre bei einem Wettbewerb beworben. Der Fremdenverkehrsverband München-Oberbayern suchte ein Motiv für eine Werbekampagne. Eckhardt lächelt, seine Augen werden größer, ihm huscht wieder ein ungläubiger Ausdruck übers Gesicht. Seine Konkurrenten waren gestandene Grafiker, er der Außenseiter. "Und dann habe ich unverschämterweise den Wettbewerb gewonnen."

Es war der Beginn einer intensiven Zusammenarbeit. 25 Jahre lang gestaltete Werner Eckhardt die Werbung für den bayerischen Tourismus; erst für Oberbayern, später auch für Franken, das Allgäu oder den Bayerischen Wald. Der Architekt und Grafiker setzte den Freistaat in Szene - und setzte neue Standards. Heute noch verbreiten Touristiker das Bild Bayerns als Idyll mit Bergen und Seen, zwischen Tradition und Moderne. Eckhardt hat dieses Bild nicht nur festgehalten. Er hat es mit entworfen.

Eckhardt selbst würde das nie so behaupten. Der 92-Jährige ist zu bescheiden. Wenn er durch seine Werke führt, sagt er nicht: "Das war revolutionär", oder: "Ich war der Erste". Lieber sagt er: "Dann habe ich das gemacht." Als ob es das Normalste der Welt wäre, Dinge anders zu denken. Die Frage, woher all seine Ideen kamen, gibt er zurück: "Ja, woher kommen Ideen?" Man denkt nach, schläft drei Nächte drüber. So einfach ist das in der Welt des Werner Eckhardt.

Wer in seine Welt eintauchen will, muss ihn Zuhause besuchen. Ein unauffälliges Reihenhaus in München-Obermenzing, eine steile Treppe führt unters Dach in sein Arbeitszimmer. Hier ist eine Auswahl seines Schaffens versammelt, eine Sammlung aus Zeichnungen und Drucken, Flyern, Karten und Heften. Ein paar Plakate hängen gerahmt im Treppenhaus, darunter natürlich der rote Ballon.

München und seine Berge in einem Bild: keine Postkarte der Landeshauptstadt, die ohne Alpenpanorama auskäme. Heute jedenfalls. Früher wurden München und die Berge in der Regel nicht als Einheit beworben. Stadt und Land existierten nebeneinander her. Eckhardt brachte Vieles in einem Bild zusammen, München, Berge, Wintersport, Gemütlichkeit,dazu knallige Farben und moderner Stil. Das war anders. Das war neu. Das überzeugte den Tourismusverband.

Der junge Grafiker hat den Zeitgeist getroffen

Geboren wird Eckhardt 1925 in Ulm, schon als Junge zeichnet er gern. Im Zweiten Weltkrieg war er Soldat. (Seine Erlebnisse erzählte er erst kürzlich der SZ in einer Geschichte zum Volkstrauertag.) Nach dem Krieg arbeitet er auf dem Bau, studiert an der Technischen Hochschule und der Akademie der Künste. Er beginnt, als Grafiker zu arbeiten - und bewirbt sich eines Tages auf die Ausschreibung des Tourismusverbands.

Tourismus: Werner Eckhardt wollte es den Skifahrern einfach machen - und hat die Pisten mit Schwierigkeitsgraden versehen.

Werner Eckhardt wollte es den Skifahrern einfach machen - und hat die Pisten mit Schwierigkeitsgraden versehen.

(Foto: Werner Eckhardt)

Der rote Ballon zieht weitere Aufträge nach sich. Eckhardt hat mit seinem stilisierten Motiv den Zeitgeist getroffen; die Sehnsucht nach einem optimistischen, vorwärtsgewandten Bayern, frei von den Schrecken der Naziherrschaft, des Kriegs, der Bombennächte. Anfangs zeichnet Eckhardt vor allem Motive in ähnlich buntem Stil, für Bad Reichenhall etwa oder Grainau an der Zugspitze. Später kauft er sich eine Kamera und arbeitet mal mit Einzelfotos, mal mit Collagen.

Beides habe seine Vorzüge, sagt Eckhardt. Mit Zeichnungen stelle er dar, was er nicht fotografieren könne. Fotos hingegen wirkten authentischer, ehrlicher: als Beweis, dass es dort wirklich so schön sei. Daneben illustriert Eckhardt Umgebungskarten. Was heute gang und gäbe ist, führt er ein: eine Kennzeichnung für den Schwierigkeitsgrad von Skipisten. In Eckhardts frühen Karten findet sich für leichte Abfahrten ein "Ü" wie Übungshang. Alle anderen sind mit Größer-als-Zeichen versehen: je mehr davon, desto schwerer die Piste. "Ich wollte immer informieren", sagt Eckhardt. "Gebrauchskunst", nennt er seine Arbeiten.

Wahlwerbung für Adenauer

Die Kombination aus Illustration und Information führt 1980 zu einem Mammutwerk: einem 70-seitigen Reisemagazin über Bayern. Jeder Region ist eine Doppelseite mit Fotos, Texten, Zeichnungen gewidmet, das meiste aus Eckhardts Hand. Mit feinem Federstrich hält er das Kloster Metten fest, den Regensburger Dom, Burg Lauenstein im Frankenwald. Das Heft wird in acht Sprachen übersetzt. Bald danach ist Schluss mit der Fremdenverkehrswerbung. Eckhardt wendet sich anderen Dingen zu, zeichnet Ansichten Münchens, entwirft Ehrenmedaillen, baut Häuser neu oder um.

Es geht wieder die enge Stiege hinunter. Neben dem roten Ballon hängt ein Wahlplakat der CSU. Ein Hochhaus vor blauem Himmel, Arbeiter am Gerüst, darüber der Slogan: "Lasst uns weiterbauen". Eckhardt hatte es für den Adenauer-Wahlkampf 1957 entworfen. Die Union holte 50,2 Prozent der Stimmen, bis heute ihr bestes Ergebnis. Bis heute lädt die CSU Eckhardt zu ihren Empfängen ein.

Am Ende der Treppe hält Eckhardt inne. Werbung ist inzwischen anders, auf Hochglanz getrimmt, digital bearbeitet. Fernsehen und Internet sind die wichtigsten Kanäle. Heutige Plakate gefielen ihm oft nicht, sagt Eckhardt. Aber er wolle sich nicht einmischen. "Ich habe damals die Sachen anders gemacht." Jetzt sollen andere die Sachen anders machen.

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