Tourismus:Die bayerischen Königsschlösser, eine Erbschaft mit Traumrendite

A south Bavarian castle Neuschwanstein is seen near Schwangau, file

Neuschwanstein gehört zu den größten touristischen Attraktionen in Deutschland.

(Foto: REUTERS)

König Ludwig II. wollte, dass seine Schlösser den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit verborgen bleiben. Doch nur wenige Wochen nach seinem Tod wurde Neuschwanstein geöffnet - weil sich damit Geld verdienen ließ.

Von Hans Kratzer, Prien

"Sticherl, leben Sie wohl, bewahren Sie diese Räume als Heiligtum, lassen Sie es nicht profanieren von Neugierigen!" So sprach König Ludwig II. nach seiner Festnahme in Neuschwanstein im Juni 1886 zu seinem Diener, seine Worte waren unmissverständlich. Nach dem Willen des Königs sollte das Schloss den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleiben. Er hatte es ausschließlich für sich errichten lassen.

Ludwigs Wunsch erfüllte sich aber nicht. Nur wenige Wochen nach seinem Tod wurde Neuschwanstein im August 1886 zur öffentlichen Besichtigung freigegeben, ebenso die Königsschlösser Linderhof und Herrenchiemsee. Die Rückzugsorte des Königs lockten sofort Scharen von Neugierigen an. Mehr als 60 Millionen Menschen haben allein Neuschwanstein bis heute besucht, mit 1,6 Millionen Gästen pro Jahr hat das Schloss seine Kapazitätsgrenze längst erreicht.

Die zum Teil noch unbekannte Geschichte der Königsschlösser nach Ludwigs Tod wird zurzeit in einer Ausstellung im Heimatmuseum in Prien thematisiert. Spannend sind vor allem die Umstände der frühen Öffnung. "Man wollte der Bevölkerung nicht in erster Linie das tolle Schloss zeigen", sagt der Priener Heimatpfleger Karl-J. Aß, "vielmehr sollte demonstriert werden, dass nur ein Verrückter so etwas bauen konnte". Es ist fast ein Treppenwitz der Geschichte, dass das sündteure Neuschwanstein, das Ludwigs Ende besiegelt hatte, heute eine sprudelnde Geldquelle des bayerischen Staatshaushalts ist.

Die meisten Exponate der Ausstellung stammen von dem Ludwig II.-Experten Marcus Spangenberg, der bemerkenswerte Fakten zusammengetragen hat. Besonders packend ist der von ihm dargestellte Umstand, dass der königliche Schlosstourismus eigentlich schon in den 1830er Jahren eingesetzt hat, als Ludwigs Schlösser noch gar nicht existierten. Dafür hatte sein Vater, der damalige Kronprinz und spätere König Maximilian II., das Schloss Hohenschwangau für Besucher geöffnet.

Ludwig II., der dort aufwuchs, ist quasi mit Touristen, die durch das Heim seiner Familie schlenderten, aufgewachsen. Es gab sogar schmale Reiseführer, in denen die Wandbilder von Hohenschwangau beschrieben waren. Vor allem während der Passionsspiele in Oberammergau machten viele Touristen einen Abstecher nach Hohenschwangau, wo man schon damals klagte: ". . . haben wieder Massen den Ort heimgesucht."

Neuschwanstein als Symbol eines neuen Deutschland

Spangenberg vermutet, dass ein weiterer Beweggrund für die Öffnung der Schlösser in den erwarteten Einnahmen zum Abbau der Schulden Ludwigs II. lag. Dessen offizieller Nachfolger, der geisteskranke Bruder Otto, hatte diese Schulden ebenso geerbt wie die Schlösser. Einer der ersten Ausländer, die 1886 nach Bayern reisten, um die Bauwerke Ludwigs II. zu besichtigen, war der Schriftsteller und Fotograf Hugues Krafft (1853-1935) aus Reims. Krafft richtete seine Blicke aber nicht nur auf die Schlösser, sondern auch auf die hiesigen Menschen. Unter anderem dokumentierte er die emotionsgeladene Argumentation einer Gastwirtin, die ihren König Ludwig II. wortstark verteidigte.

Allein den Nazis waren die Schlösser egal. Angesichts der heranrückenden US-amerikanischen Truppen wollten sie Neuschwanstein Ende April 1945 sprengen. Es heißt, nur der scharfe Protest anwesender Kunsthistoriker wegen der im Schloss gelagerten Kunstschätze habe dies verhindert. Als Neuschwanstein einige Jahre nach dem Krieg die Titelseite der amerikanischen Illustrierten Life zierte, war Ludwigs bauliches Vermächtnis zum Symbol für das neue Deutschland geworden.

Traumschlösser? König Ludwig II. - seine Bauten in Tourismus und Werbung, Museum Prien (Valdagnoplatz 2), bis 23. Oktober, Tel. 08051/92710.

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