Tittling:Mit 38 Reifenpannen nach Jerusalem

Der Rotel-Bus von Rotel-Tours

Der Rotel-Bus mit dem "rollenden Hotel".

(Foto: WERKFOTO)
  • Georg Höltl hatte in den Fünfzigern mit seinen Rotel-Tours-Bussen die Tourismusbranche revolutioniert.
  • Er erwarb vier historische Patrizierhäuser in Passau, darunter das Hotel Wilder Mann, in dem viele Staatsgäste übernachteten. Außerdem gründete er ein Glasmuseum.
  • Höltl ist nun im Alter von 88 Jahren verstorben.

Von Hans Kratzer

Sein Busunternehmen ist vermutlich das originellste der Welt. Die Gäste schlafen nämlich im Anhänger in wabenartigen Kabinen. Mit dieser bahnbrechenden Idee hat der Tittlinger Unternehmer Georg Höltl die Reise- und Tourismusbranche in den Fünfzigern revolutioniert. Mit seinen Rotel-Tours-Bussen wurde er zu einem Pionier der Fernreisen. Darüber hinaus betreibt sein Familienunternehmen mehrere Hotels und das Museumsdorf Tittling. In Passau hat Höltl die weltweit größte und bedeutendste Sammlung von böhmischem Glas aufgebaut. Am Montag ist Höltl im Alter von 88 Jahren gestorben.

Georg Höltl war schon in seiner Jugend ein Macher. Gleich nach dem Krieg, er war erst 17 Jahre alt, eröffnete er eine Buslinie von Tittling nach Passau, nachdem er von den Besatzern einen Holzvergaser-Bus bekommen hatte. Für die 22 Kilometer brauchte dieser drei Stunden, nicht selten mussten die Fahrgäste den Bus schieben. Aber der Grundstock für eine Unternehmerkarriere war gelegt. Unter dem Namen Höltl-Auto-Reisen kutschierte er seine Kundschaft auf Pilgerreisen nach Lourdes, Rom und Assisi, übernachtet wurde bei Wind und Wetter am Straßenrand. Verpflegung gab es im Küchen-Anhänger. Es war eine harte Prüfung für alle. Und so reifte in Höltl die Idee, die ihn bekannt machte: ein Bus mit Schlafanhänger, ein rollendes Hotel.

1959 ließ sich der Niederbayer das Patentrecht für Rotel Tours erteilen, einen Schlafanhänger für 40 Personen. Damit wurden Fernreisen für fast jeden erschwinglich. Schon bald schaukelten die Gespanne aus Tittling bis in die Sahara oder nach Feuerland. Ein Renner waren die Jerusalem-Reisen: Die Hinfahrt dauerte zehn Tage, bei der Premiere gab es 38 Reifenpannen. Heute sind die roten Rotel-Tours-Busse in 150 Ländern unterwegs. Höltl wäre bei einer Reise in Westafrika beinahe an Malaria gestorben. Trotzdem schaffte er es, auf dem Transsahara-Trip einen 16-Millimeter-Film zu drehen, 45 Minuten davon übernahm das ZDF. Nach der Ausstrahlung bekam Höltl Zehntausende Zuschriften. Bald konnte er sich 35 Rotelbusse anschaffen.

Seine Energie war damit nicht erschöpft. In Tittling schuf er 1973 das Hotel Dreiburgensee, ein Gästehaus im bayerischen Stil. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, verfolgte er dieses Ziel beharrlich und durchsetzungsstark. In den Jahren 1979 bis 1985 erwarb er vier historische Patrizierhäuser in Passau, darunter das Hotel Wilder Mann, in dem schon Kaiserin Sisi übernachtet hatte. Dort richtete er ein Glasmuseum ein, das heute Weltgeltung hat. Immer wieder waren das Glasmuseum und das Hotel Wilder Mann das Ziel vieler Staatsgäste. Hier übernachteten Gorbatschow, Kissinger, Kohl.

Zur Eröffnung des Glasmuseums 1985 holte er aber keinen Politiker, sondern den US-Astronauten Neil Armstrong, den ersten Mann auf dem Mond. Höltl war ein manischer Sammler. Unermüdlich trug er Glas um Glas aus dem 15. bis 19. Jahrhundert zusammen. Später kamen auch noch Bauernhäuser hinzu. "Alles weggeworfene Höfe", sagt er. In den Siebzigerjahren, als im Bayerischen Wald ganze Dörfer abgerissen wurden, erkannte er den Wert der alten Höfe, kaufte sie zum Brennholzpreis und ließ sie in Tittling wieder aufbauen. Das Freilichtmuseum gehört zu den größten Europas.

Dieses Engagement bezeichnete Höltl als "Verpflichtung für den Bayerwald". Aus dieser Überzeugung heraus finanzierte er auch so manche Kirchenrenovierung mit, die Messe besuchte er jeden Sonntag. Er legte sich aber jederzeit mit den Denkmalschützern an, wenn sie seinen Plänen im Weg standen. Höltls Erfolg beruhte auf Tugenden wie Weitblick, Beharrlichkeit und letztlich auch Demut. Die Familie bedeutete ihm viel, vor einem guten Jahr feierte er noch die diamantene Hochzeit mit seiner Frau Centa. Er hinterlässt ein vielfältiges Lebenswerk, das weit über Tittling hinaus strahlt. Schon vor Jahren hatte Höltl die Geschäftsleitung an seinen Sohn Peter übergeben. Georg Höltl wird am Freitag in seinem Heimatort Tittling beerdigt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: