Tierschutz:Raubtierasyl geht das Geld aus

Tierschutz: Ein weiteres Tier könnte der Ansbacher Verein derzeit gar nicht aufnehmen. Es fehlt an Platz.

Ein weiteres Tier könnte der Ansbacher Verein derzeit gar nicht aufnehmen. Es fehlt an Platz.

(Foto: Privat)
  • Wenn gefährliche Tiere beschlagnahmt werden, werden sie meist bei Vereinen untergebracht.
  • Doch das Raubtierasyl in Ansbach beispielsweise erhält keine staatlichen Zuschüsse.
  • Die CSU hat im Landtag mehrere Anträge zur finanziellen Unterstützung der Einrichtung abgelehnt.

Von Claudia Henzler, Ansbach

Wenn die Polizei einen Wurf Tigerbabys im Kofferraum entdeckt oder die Amtstierärztin einen vernachlässigten Löwen aus einem Zirkus holt, dann ist ehrenamtliches Engagement gefragt. Denn obwohl es Aufgabe der Behörden ist, Tierschutz und Artenschutz durchzusetzen, ist die Frage, was anschließend mit den Tieren geschieht, weitgehend offen. Es gibt so gut wie keine öffentliche Infrastruktur für gefährliche Wildtiere, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden. Meist kümmern sich spendenfinanzierte Einrichtungen um Tiger, Puma und Co. Geld von der öffentlichen Hand erhalten die wenigsten.

Auch der Verein Raubtier- und Exotenasyl in Ansbach hat sich bisher vergebens um staatliche Unterstützung bemüht. Er betreut in seiner Anlage im Ortsteil Wallersdorf mehrere Großkatzen - unter anderem fünf Sibirische Tiger, einen Puma und zwei Luchse -, außerdem zwei Rotgesichtsmakaken, einen Polarfuchs und einen Karakal. Das haben Ordnungsamt- und Veterinäramt genehmigt. Zuschüsse bekommt der Verein aber auch von Stadt und Landkreis nicht.

Nun werden die Bitten der fränkischen Tierschützer an Landtag und Staatsregierung dringender. Denn der Verein hat akute Geldsorgen, er muss das Grundstück, auf dem sich das Tierasyl befindet, kaufen. Außerdem wäre eine Modernisierung der Anlage fällig. Denn die Gehege genügen zwar den Mindestanforderungen, sind aber auch in den Augen des Vereins nicht mehr zeitgemäß. Die Vereinsmitglieder werben seit Monaten um Spenden, doch die 230 000 Euro, die bisher gesammelt wurden, seien noch "nicht einmal die Hälfte" von dem, was gebraucht wird, sagt Vorstandsmitglied Doris Bauer.

Die CSU-Mehrheit im Landtag hat Zuschussanträge schon mehrmals abgelehnt, zuletzt im April. Die Abgeordneten von Freien Wählern, Grünen und SPD wollten 50 000 Euro jährlich zahlen, die Kollegen von der CSU waren dagegen.

Dabei wird die Arbeit des Ansbacher Vereins von staatlicher Seite durchaus geschätzt. In der Anlage arbeiten zwei Bundesfreiwillige, 2014 bekam der Verein den Tierschutz-Sonderpreis des Bayerischen Umweltministeriums. "Der Verein Raubtier- und Exotenasyl e.V. existiert seit 2007 und finanziert sich allein aus Spenden, Patenschaften und Mitgliedsbeiträgen", hieß es in der Begründung. Und weiter: "Das Asyl bei Ansbach ist eine Auffangstation für in Not geratene Raubkatzen, Primaten und Exoten. Tiere aus illegaler oder schlechter Haltung haben hier ein neues Zuhause gefunden."

Neben warmen Worten gab es einmalig 5000 Euro. Davon kann der Verein noch nicht einmal eine Monatsration Futter kaufen. Warum nicht mehr Geld? Ein Sprecher des Umweltministeriums teilt mit: "Über die Schaffung eines Haushaltstitels zur finanziellen Unterstützung des Raubtier- und Exotenasyls kann nur der Bayerische Landtag als Haushaltsgesetzgeber entscheiden. In der Vergangenheit wurden entsprechende Anträge vom Bayerischen Landtag abgelehnt."

"Ihr müsst dann auch wissen, wohin mit den Tieren"

Zuletzt war im Maximilianeum auch darüber diskutiert worden, ob es sich bei der Ansbacher Einrichtung überhaupt um eine Auffangstation handelt oder um einen Gnadenhof oder vielleicht auch um das teure Hobby von Tiernarren. Tatsächlich ist der Durchlauf in Ansbach deutlich kleiner als bei der Reptilienauffangstation in München, die staatliche Zuschüsse erhält. So hat das Raubtierasyl seit 2006 keinen Tiger mehr aufgenommen - es gäbe aber auch gar keinen Platz, solange das Geld für Investitionen fehlt. Laut Verein sind mehr als die Hälfte der Tiere auf dem Gelände von Behörden beschlagnahmt und anschließend - manchmal über Zwischenstationen - in Wallersdorf untergebracht worden. Zuletzt kamen 2017 ein Luchs und ein Affe dorthin.

Der Streit um Begrifflichkeiten führt aber ohnehin in die Irre: Denn einen offiziellen, behördlich verliehenen Titel "Auffangstation" oder gar ein bundesweites Netz aus solchen Einrichtungen gibt es nicht. Werden Tiere sichergestellt, beginnt jedes Mal aufs Neue eine Suche nach einer Unterkunft. Sie endet dann meist bei Einrichtungen, die von Vereinen oder Tierschutzorganisationen getragen werden, manchmal auch bei Privatpersonen.

Dag Encke, der Direktor des Tiergartens Nürnberg, vermisst hier staatliche Strukturen. Die Hürden für genehmigungspflichtige Tierhaltung werde europaweit immer höher, sagt er, weshalb immer mehr Tiere beschlagnahmt würden. Doch wenn der Staat die Regeln verschärfe, sei er auch in der Pflicht: "Ihr müsst dann auch wissen, wohin mit den Tieren." Zoos kommen nicht in Frage, sie wollen nur genetisch bekannte Tiere aus den europäischen Erhaltungszuchtprogrammen aufnehmen und berufen sich dabei auf ihre Artenschutzfunktion. Die meisten Zoos gewähren eingezogenen Tieren wegen der Seuchengefahr noch nicht einmal vorübergehend Asyl. Der Tierpark Hellabrunn in München etwa hat gar keine Auffangstation, in Nürnberg kümmert man sich ausschließlich um Raubvögel, Störche und Eulen.

Da bleiben oft nur die Ehrenamtlichen. Im Wildpark Johannismühle bei Berlin beispielsweise haben engagierte Tierschützer vor Jahren eine Anlage finanziert, um vier Tiger aus dem liquidierten DDR-Staatszirkus unterzubringen. Inzwischen leben dort Löwen. Und die internationale Organisation "Vier Pfoten" hat 2015 in Maßweiler (Rheinland-Pfalz) auf einem ehemaligen Militärgelände ein Großkatzenasyl eröffnet. Die Station ist mittlerweile voll und kann keine weiteren Tiere aufnehmen.

Beim Bundesamt für Naturschutz ist Franz Böhmer für die Unterbringung von Wildtieren zuständig, die vom Zoll aus Artenschutzgründen an den Grenzen beschlagnahmt und eingezogen werden. Mit lebenden Großkatzen hatte er in den vergangenen zehn Jahren "zum Glück" gar nicht zu tun. Affen seien häufiger unterzubringen. Dann muss Böhmer erst mal eine Quarantänestation finden - die gibt es etwa im Frankfurter Zoo - und dann eine langfristige Bleibe. Ist die gefunden, lässt sich das Bundesamt zusichern, dass die neuen Besitzer die Unterhaltskosten tragen. An das Raubtierasyl in Ansbach habe er noch keine Tiere vermittelt, sagt Böhmer, er gehe davon aus, dass dort vor allem Tiere untergebracht sind, die von Veterinärämtern eingezogen wurden.

Aus Sicht der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" gibt es in Deutschland, wie in ganz Europa, zu wenig Plätze für gestrandete Großkatzen. Sollte es in Deutschland, wie schon in Italien, zu einem Wildtierverbot an Zirkussen kommen, würde aus ihrer Sicht ein echtes Problem auf Deutschland zukommen. Nicht viele Vereine könnten die hohen Kosten für die großen Fleischfresser stemmen. Auch Andreas Brucker vom Landesverband des Deutschen Tierschutzbunds sieht einen Mangel an Einrichtungen für Raubtiere, die viel Platz benötigen, und fehlendes Geld als Ursache. "Das Problem ist, dass solche Stellen nicht staatlich gefördert werden."

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