Tierpräparatorin:Die Frau, die toten Tieren neues Leben einhaucht

Tierpräparatorin: Stecknadeln und Pinzette: Uschi Hänel präpariert Tiere in aufwendiger Handarbeit.

Stecknadeln und Pinzette: Uschi Hänel präpariert Tiere in aufwendiger Handarbeit.

(Foto: Stephan Rumpf)

Tierpräparation ist mehr als nur Ausstopfen. Uschi Hänel schneidet Pumas, Füchse und Vögel auf und modelliert sie neu - doch es gibt auch Lebewesen, die ihr nicht auf den Tisch kommen.

Von Luisa Hofmeier, Saal an der Donau

In Uschi Hänels kleinem Studio im niederbayerischen Saal an der Donau kommt die ganze Welt zusammen. Ein Moschusochse, zwei Pumas und ein Python kamen mit einer Spedition, unzählige Wildtiere tiefgefroren und eingewickelt in Zeitungspapier mit der Post aus ganz Deutschland: Egal ob ein Turmfalke in der Rheinischen Post oder ein Eichelhäher in der Leipziger Volkszeitung. Uschi Hänel konserviert sie für die Ewigkeit. Sie ist Tierpräparatorin.

Ihr neuester Auftrag kommt aus Bayern: Ein Mäusebussard aus Gauting. Das Skalpell gleitet von der Kehle des toten Bussards die Brust hinab. Ein kleiner Schnitt, so tief wie die Haut dick. Hänel wird den Vogel häuten, sein Inneres entnehmen, ihn mit einer chemischen Paste konservieren und mit Holzwolle wieder in Form bringen. Mehrere Hundert Euro zahlen ihre Kunden dafür.

Von der Wand glotzen Singvögel, Eichhörnchen, Waschbären und ein Keiler auf Hänels Schreibtisch, beobachten die 54-Jährige mit den zurecht geföhnten Haaren und dem violetten Lidschatten bei ihrer Arbeit. Die meisten Tiere sind Trophäen von Jägern. Es sei menschlich, besondere Momente festhalten zu wollen, sagt Hänel. "Das ist so, wie Fotos vom letzten Urlaub in Venedig auf dem Smartphone zu speichern."

Sie schiebt das Skalpell immer weiter unter die Haut des Bussards, hebt es an und löst Haut von Fleisch. Einen Teil der Wirbelsäule lässt Hänel im gefiederten Schwanz, den Rest knipst sie mit einer großen Zange ab. Sie muss mit beiden Armen zupacken. Es knackt. Beinknochen und Schädel bleiben im Körper des Vogels - zu aufwendig wäre es, sie nachzuformen, außerdem verwesen die Knochen nicht.

Vom Schwanz aufwärts dreht sie die Hülle des Bussards nach und nach auf links, bis nur noch der Schädel und eine dünne Hautschicht das Innere und Äußere zusammenhalten. Hänel entfernt Gehirn und Augen. Das Zeitungspapier saugt sich voll. Es riecht süßlich im Studio, weil Hänel im Nebenraum einen Rehkopf kocht, um letzte Fleischreste vom Schädel abzulösen.

Die Kunden haben sich verändert

Als sie 15 war, brachte Uschi Hänels Vater ihr die Kunst der Präparation bei, die viel mehr ist, als Tiere bloß auszustopfen. Sie stopft nicht einfach Füllmaterial in den Bussard, bis die Hülle prall ist, sondern modelliert das Innenleben des Vogels mit Holzwolle nach. Nur so stimmen die Proportionen. Dafür braucht man einen Blick, sagt Uschi Hänel, während sie einen geformten Ballen Holzwolle mit dem entnommen Fleischklumpen auf Größe und Form vergleicht. "Sonst kommt so ein Murks dabei raus." Sie deutet mit dem Kopf auf ein Felltier hinter ihr, das ein Murmeltier darstellen soll und zur Reparatur hier ist.

Das Handwerk hat sich in den knapp 40 Berufsjahren von Uschi Hänel kaum verändert. Ihre Kunden schon. "Wenn ich früher gefragt habe, ob der Fuchs das Maul aufhaben soll, war die Antwort immer ja", sagt Hänel, während sie den fertigen Ballen aus Holzwolle in den Bussard presst. Gefährlich sollte der Fuchs aussehen. Heute ist es wichtiger, dass die Tiere natürlich wirken.

Mancher Kundenwunsch gefällt der Präparatorin nicht

Besonders Haustiere. Bullterrier Theo liegt in einer Ecke des Studios. Das Ehepaar aus Stuttgart ist noch nicht dazu gekommen, ihn abzuholen. Ein Stück weiter sitzt eine Katze, die noch nicht bezahlt ist, weil ihre Besitzerin sich gerade scheiden lässt. "Sie alle verbindet die Liebe zum Tier", sagt Hänel. Bevor sie ein Haustier präpariert, führt sie Vorgespräche, lässt sich Fotos von den Tieren zeigen.

Jedes Tier hat etwas Besonderes. Zum Beispiel der Hund, dessen Zunge zu Lebzeiten immer zwischen den Zähnen hervorlugte. "Das muss dann beim Präparat auch so sein." Eine Frau möchte einen Fuchs präparieren lassen, der auf zwei Beinen steht, Tracht und Gehstock trägt. "Das grenzt für mich an Verunglimpfung", sagt Hänel. "Das hat nichts mehr mit dem Tier zu tun." Sie hat sich noch nicht entschieden, ob sie den Auftrag annimmt. "Aber jeder Mensch ist käuflich."

Tierpräparatorin: Wie man Tiere präpariert, hat Uschi Hänel von ihrem Vater gelernt. Sie konserviert Jagdtrophäen und Haustiere für die Ewigkeit.

Wie man Tiere präpariert, hat Uschi Hänel von ihrem Vater gelernt. Sie konserviert Jagdtrophäen und Haustiere für die Ewigkeit.

(Foto: Stephan Rumpf)

Immer weniger Menschen lassen Tiere präparieren. "Das passt heute nicht mehr zum Einrichtungsgeschmack." Genug Arbeit hat Hänel trotzdem, bis zu fünf Monate müssen Kunden warten. In einer Gefriertruhe liegen noch zwei Oryxantilopen, Mader, Füchse, Bockköpfe, Elstern und hundert weitere Tiere. Für die Präparation muss sich Hänel mit Naturschutzgesetzen auskennen. Manche Tiere dürfen etwa nur für Schulungszwecke präpariert werden.

Der Bussard hat seine Form wieder, ist zugenäht und hockt auf einer Baumwurzel: An Flügel- und Beinknochen entlang hat Hänel Drähte eingeführt. Noch ist die Chemiepaste nicht trocken und sie kann den Kopf drehen, sodass der Bussard nach rechts schaut. Fehlen noch die Augen. Die bestellt Hänel aus dem Tieraugenkatalog. Reptilien, Vögel und Säugetiere - auch Menschen - sind dort aufgelistet, mit passender Pupillenform und Farbe.

Für den Babyfuchs, den Hänel am Tag zuvor präpariert hat, wartet sie noch auf die Lieferung. Die Augen sind bei jungen Füchsen blau, solche hat sie nicht auf Vorrat. Die Glasaugen für den Bussard schon. Aus jedem ragt ein langer Draht heraus. Wie ein Blumenstrauß liegt ein Dutzend Augen von einem Gummiband zusammengehalten in einer Schublade. Zwei nimmt sich Hänel und schiebt sie mit den Drähten voran in die leeren Augenhöhlen. Mit einer Pinzette zieht sie das Lid über den Rand des Auges. Der Blick des Greifvogels fixiert den Raum.

Uschi Hänel zupft so lange an dem Gefieder des Bussards herum, bis sie zufrieden ist. Noch etwas Haarspray und sie hat eine weitere Erinnerung konserviert. "Ich bin Künstlerin, Handwerkerin, Kundenbetreuerin. Alles in einem." Ihre eigenen Katzen Liese und Lotte würde Hänel aber nicht präparieren. Das würde sie nicht übers Herz bringen. "Und mit der Arbeit von jemand anderem wäre ich nicht zufrieden", sagt sie und streicht dem Bussard über den Kopf.

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