Ein Pferd im Hallenbad. Das gibt es doch nicht. Falsch. Das gibt es sehr wohl. Stute Esprit hat gerade ihre "Schwimmstunde" beendet und steht nun mit nasser Mähne unter der Infrarotlampe. Sie genießt sichtlich die wohlige Wärme auf ihrem Fell. Während sie ihr Training für heute beendet hat, ist jetzt Ruby dran.
Schwimmen ist für operierte Pferde die beste Nachsorge. Es stärkt die Muskulatur, ist durchblutungsfördernd und hilft damit beim Heilen der Wunden. Nach dem Bad folgt das Trocknen unter Rotlicht.
(Foto: Johannes Simon)Ohne Zögern setzt das Tier seine Hufe auf die Rampe, geht zielstrebig nach unten und taucht ins Wasserbecken ein. Tierarzthelferin Johanna Beger steht derweil auf der künstlichen Insel und hält die Longe, an der die Stute rundherum geführt wird. Allerdings wird hier nicht getrabt, sondern geschwommen.
Das Pferdehallenbad in der Tierklinik von Stefan Rattenhuber im Dießener Ortsteil Seehof ist das einzige in Deutschland. Warum? "In Deutschland sind die Therapieansätze oft sehr konservativ", sagt Tierarzt Rattenhuber.
In Frankreich, Großbritannien, Italien oder Dubai seien Pferdeschwimmbäder etwas ganz Normales. Allerdings würde das Bad dort auch eher für das Training benutzt als für die Behandlung von Verletzungen. Auf die Idee, ein Pferdeschwimmbad zu bauen, kam Rattenhuber während seines Studiums in Großbritannien.
In der Seehofer Tierklinik geht es zum einen darum, dass auch kranke Pferde sich bewegen können. "Früher brachte man Pferde nach einer Operation wieder in den heimischen Stall zurück", erinnert sich Rattenhuber an die Zeit vor der Eröffnung seines Schwimmbads im Jahr 1985. "Die Besitzer waren mit der Nachsorge oft überfordert, ließen die Tiere einfach in der Box stehen." Die Pferde rissen sich dann oft los, um ihren natürlichen Bewegungsdrang auszuleben. Das führte zwangsläufig zu Problemen mit den frisch operierten Gliedmaßen.
Heute werden die Tiere operiert und bleiben dann noch einige Wochen zum Schwimmtraining in der Klinik. Haben sie Angst vor dem Wasser? "Nein", sagt Rattenhuber, "wasserscheu sind nur Menschen." Wenn die Pferde einmal verstanden hätten, um was es geht, dann würden sie gerne ins Wasser gehen. Denn auch für die Vierbeiner sei es ein gutes Gefühl, wenn sie sich plötzlich wieder schmerzfrei bewegen könnten.
Heilung für gebrochenes Bein
Anstrengend ist das Schwimmen für die Pferde schon, das hört man. Schon nach der ersten Runde fängt Stute Ruby heftig an zu schnauben. "Sehen Sie, wie sie mit den Hinterbeinen arbeiten muss", sagt der Tierarzt. Schon nach zwei Runden darf Ruby wieder aus dem Wasser.
Sie ist erst seit zwei Tagen hier und darf nicht überfordert werden. "Später schaffen sie leicht 15 Runden", sagt Rattenhuber. Schwimmen ist übrigens nichts Unnatürliches für Pferde. "Gehen Sie mal in die Camargue, da schwimmen Pferde von einer Insel zur anderen." Doch bei denen, die das nicht gewöhnt sind, "muss man aufpassen, dass man sie nicht überanstrengt", so Rattenhuber. Die Herz-Kreislauf-Belastung sei groß, aber das sei auch durchblutungsfördernd und helfe damit beim Heilen der OP-Wunde.
Das Becken hat 15 Meter Durchmesser und ist drei Meter tief bei einer Wassertemperatur von 18 bis 20 Grad - etwa 3000 Pferde haben seit der Eröffnung des Schwimmbads hier schon ihr Reha-Training absolviert. Durchschnittlich bleiben sie sechs bis acht Wochen.
Der längste Aufenthalt dauerte ein halbes Jahr. Das Tier hatte ein Bein gebrochen, konnte aber mit Hilfe der Schwimmtherapie wieder völlig hergestellt werden. "Mit ihm wird wieder Turniersport betrieben." Die tierischen Patienten kommen aus ganz Deutschland, sogar aus Schweden und Irland waren schon Pferde da, Top-Rennpferde, aber auch Tiere von Freizeitreitern.
Den großen Erfolg der Schwimm-Therapie beweist nicht nur die tägliche Praxis in Seehof, sondern auch eine von Michael Bertmann gefertigte Doktorarbeit über das Pferdeschwimmen, die in Fachkreisen kursiert.
Anziehend ist das Schwimmbad offenbar auch für die vierbeinigen Patienten. Stute Ruby will gleich wieder ins Wasser, sie darf noch einmal schwimmen.