Theo Waigel zum 70. Geburtstag:"Keine Berührungsängste haben"

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Oft meldet sich Theo Waigel nicht mehr zu Wort: Doch zu seinem 70. Geburtstag erteilt der frühere CSU-Chef der Union einen guten Rat.

Peter Fahrenholz

Wenn Politik eine Droge ist, dann hat Theo Waigel wahrscheinlich nie zu den wirklich Süchtigen gehört. Wohl wenige haben ihren Abschied aus der Politik so gut hinbekommen wie der ehemalige CSU-Vorsitzende. Kein politischer Phantomschmerz, der ihn in die Talkshows treiben oder einen unentwegten Mitteilungsdrang auslösen würde.

Theo Waigel: Meister des feinen Nadelstichs (Foto: Foto: ddp)

Seitdem Waigel nach der verlorenen Bundestagswahl 1998 als CSU-Chef zurückgetreten ist, beschränkt er sich auf gelegentliche politische Anmerkungen. Weil er ein Meister des feinen Nadelstichs ist, sind diese dann aber durchaus zu spüren.

Zu seinem 70. Geburtstag an diesem Mittwoch lässt sich Waigel wieder einmal vernehmen, vorsichtig zwar, wie es seine Art ist, aber deutlich. Die Bundestagswahl im Herbst könne "zu einer neuen Konstellation führen", glaubt er und findet das gar nicht nicht schlecht: "Das wäre für die Demokratie belebend."

Die "neue Konstellation", die Waigel andeutet, sind Dreierbündnisse, und darauf soll in seinen Augen auch die Union eingerichtet sein, indem sie sich einer Zusammenarbeit mit den Grünen öffnet. "Da soll man keine allzu großen Berührungsängste haben", sagt Waigel über mögliche Bündnisse mit den Grünen. Das hat in der CSU nach der Bundestagswahl 2005 noch ganz anders geklungen.

Dass Waigel an seinem 70. Geburtstag so gelassen wirkt, hat auch mit der Binsenweisheit zu tun, wonach die Zeit Wunden heilt. In Waigels Fall hat sei freilich noch etwas anderes getan, was für die Gemütsverfassung des Jubilars nicht unerheblich ist. Sie hat die Dinge ein wenig zurechtgerückt und damit nachträglich für eine Art ausgleichende Gerechtigkeit gesorgt.

Als Waigel ging, leuchtete der Stern seines ewigen Rivalen Edmund Stoiber ganz hell, der Mann hatte die Kanzlerkandidatur noch vor sich. Jetzt sieht die Sache ein wenig anders aus, und die CSU wäre heilfroh, würde sie heute so gut dastehen wie in der Ära Waigel. Dass ihm der neue CSU-Chef Horst Seehofer pünktlich zum Geburtstag angetragen hat, neben Stoiber CSU-Ehrenvorsitzender zu werden, passt da ins Bild. "Eine Geschichte, die man natürlich dankbar zur Kenntnis nimmt", sagt Waigel.

Über die Rivalität zwischen ihm und Stoiber ist viel geschrieben worden. Ein Führungstandem, das zur Zusammenarbeit verdammt war, obwohl es vom Naturell her gar nicht zusammenpasste.

Seine größte Niederlage gegen Stoiber hat Waigel längst verwunden. Das war 1993, im Kampf um die Nachfolge von Ministerpräsident Max Streibl. Waigel hätte das Amt haben können, aber er hat zu lange gezögert. "Das ist wahr", sagt er "aber die Dinge sind vorbei, das tut nicht mehr weh." Im Nachhinein sei er froh, dass er in der Bundespolitik geblieben sei, da habe er mehr bewegen können.

Drei Dinge zählt Waigel selbst zu seinen Verdiensten: dass er die CSU nach dem Tod von Strauß zusammengehalten hat, seinen Beitrag zur deutschen Einheit, vor allem der Überleitungsvertrag, der den Abzug der sowjetischen Truppen regelte; und die Einführung des Euro. Das war nicht leicht, denn der größte Widerstand kam aus seiner eigenen Partei. Hier standhaft geblieben zu sein, war wohl seine größte Leistung.

Heute kann sich Waigel aussuchen, was er tut. Er arbeitet als Anwalt, vornehmlich im Wirtschaftsrecht. Keine Steuersachen, das gehöre sich nicht als ehemaliger Finanzminister. Seit Dezember ist er Korruptions-Beauftragter von Siemens, er soll sicherstellen, dass die neue Firmenphilosophie eingehalten wird.

Politisch ist Waigel deutlich milder geworden. Er pflegt Kontakte über die Parteigrenzen hinweg. Zu dem früheren SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel etwa habe er "ein zunehmend gutes Verhältnis". Aus dem Mund von Theo Waigel, der nicht gerade zu den leichtfüßigen Sanguinikern gehört, ist das fast schon eine Liebeserklärung.

© SZ vom 22.04.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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