Teure Staatsbäder:Bad ohne Boden

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Erhebliche Steuermittel fließen jedes Jahr in den Erhalt der fünf bayerischen Staatsbäder. Wegen der hohen Kosten will Bayern die Bäder in die Verantwortung der Kommunen geben - oder gleich privatisieren.

Wolfgang Luef

Gewinn ist mittelfristig utopisch, das sagt Gunter Sauer, Kurdirektor des bayerischen Staatsbads Bad Kissingen überraschend deutlich. "Verstehen Sie mich richtig", fügt er hinzu: "Wir tun hier alles, um die Kosten zu reduzieren." Arbeiten wurden an Private vergeben, Personal wurde abgebaut, die Pflege der Badeanlagen optimiert, ein effizienteres EDV-System installiert.

Bad Steben im Frankenwald: Eines von fünf bayerischen Staatsbädern, die nun den Kommunen übergeben oder privatisiert werden sollen. (Foto: Staatsbad Bad Steben / oh)

"Wir werden die Verluste weiter reduzieren", verspricht Sauer. Doch aus einem historisch gewachsenen staatlichen Kurbad mit all seinen Pflichten, den Gebäuden, den Kulturveranstaltungen, den Orchestern und Theatern einfach mal ein profitables Unternehmen machen? Darauf ist das Konzept Staatsbad gar nicht angelegt. Und genau das stört den Bayerischen Obersten Rechnungshof.

Vor wenigen Tagen hat der ORH-Präsident Heinz Fischer-Heidelberger die teuren Staatsbäder in einem Zeitungsinterview wieder einmal als eines jener Dinge beschrieben, "die man nicht braucht", in die aber seit Jahrzehnten "erhebliche Steuermittel fließen". Die Bäder in Bad Bocklet, Bad Brückenau, Bad Kissingen, Bad Steben und Bad Reichenhall haben den bayerischen Haushalt seit 1997 mit fast 200 Millionen Euro belastet. 156 Millionen Euro hat der Freistaat in dieser Zeit in die Renovierung von Gebäuden oder den Bau neuer Thermen in den fünf Kurorten gesteckt.

Dazu kommen noch Abschreibungen für Grundstücke und Gebäude in jährlicher Millionenhöhe. Keine Frage: Die Staatsbäder sind für den Haushalt des Freistaats ein Fass ohne Boden - und Aussicht auf baldige Besserung gibt es nicht.

Für den Rechnungshof ist deshalb klar: "Der Betrieb von Bädern ist keine staatliche Aufgabe mehr." Die Rechnungsprüfer fordern, die Bäder vollständig zu privatisieren oder an die jeweiligen Kommunen zu übergeben. Sollte das nicht funktionieren, müsse man eben das eine oder andere Bad einfach schließen, heißt es.

Das historische Erbe des Freistaats

Das Finanzministerium hingegen sieht in einer Vollprivatisierung "keine realistische Perspektive", und eine Schließung komme schon gar nicht infrage, wie ein Sprecher sagt. Und selbst die FDP, an und für sich um keinen Privatisierungsvorschlag verlegen, bleibt bei den Staatsbädern betont zurückhaltend: "Der Rechnungshof stellt ja sogar in den Raum, dass manche der historischen Immobilien verkauft werden", sagt Karsten Klein, Haushaltssprecher der Liberalen im Landtag. "Das halten wir für zu extrem."

Das Alte Königliche Kurhaus in Bad Reichenhall, die 70 Hektar großen historischen Parkanlagen in Bad Kissingen, der Große Kursaal in Bad Brückenau, all die Gebäude und Liegenschaften in den fünf Kurorten gehören zum historischen Erbe des Freistaats. Und zu den Staatsbädern. Die meisten Bauten stammen aus dem 19. Jahrhundert, viele davon stehen unter Denkmalschutz.

Nicht nur FDP-Mann Klein vergleicht die staatlichen Kurbäder deshalb mit der bayerischen Schlösserverwaltung. "So etwas zu erhalten ist eine historische Aufgabe, die der Freistaat auch in Zukunft übernehmen wird müssen", sagt der Liberale. Private Partner würden das nicht leisten können.

Die bayerischen Staatsbäder
:Heilende Quellen

Immer weniger Kurgäste kommen in die bayerischen Staatsbäder um die Wirkung der heilenden Quellen zu nutzen. Die Kosten zur Erhaltung der Bäder liegen jedes Jahr in Millionenhöhe.

Wolfgang Luef

Dabei gab es durchaus Versuche, einzelne Filetstücke der historischen Ensembles von privaten Partnern betreiben zu lassen, wie Gabriella Squarra, Kurdirektorin von Bad Reichenhall, erzählt. "Für das Kurhaus haben wir nach der Renovierung jemanden gesucht - und doch waren wir letztlich erfolglos." Ähnlich sei es beim Kurtheater gelaufen.

Squarra arbeitet seit 20 Jahren in Bad Reichenhall, sie hat also noch die "sehr prosperierende Zeit" mitbekommen, wie sie sagt. Noch bis in die neunziger Jahre war der klassische, von den Kassen mitfinanzierte Kuraufenthalt über mehrere Wochen der Regelfall. Mehrere Gesundheitsreformen haben damit Stück für Stück Schluss gemacht: Die Kuraufenthalte haben sich nicht nur drastisch verkürzt, sie sind auch seltener geworden. Die Antwort der Staatsbäder auf diese Entwicklung hieß Wellness.

Neben den Schwimm- und Wandelhallen entstanden moderne Thermalbäder, aus manchen Kliniken wurden Wellness-Hotels. "Es ist trotzdem ungleich schwerer, einen klassischen Kurzurlauber hierher zu bekommen als einen Versicherungsgast", sagt Sauer, Kurdirektor von Bad Kissingen. Allein in seinem Kurbad hat der Freistaat in den vergangenen zehn Jahren 56 Millionen Euro in die Infrastruktur investiert.

Im Juli tagte das Kabinett in dem Kurort. "Uns liegen die Staatsbäder sehr am Herzen", sagte Finanzminister Georg Fahrenschon damals und sicherte gleich weitere 21 Millionen Euro zur Sanierung des historischen Luitpoldbades zu. Dafür müsse sich aber die Kommune künftig stärker am operativen Geschäft beteiligen. Ähnlich wie in Bad Reichenhall wird auch in Bad Kissingen die Stadt in den nächsten Jahren mehr Anteile an der Betreibergesellschaft übernehmen. Grundstücke und Häuser werden aber im Eigentum Bayerns bleiben.

Wenn es nach dem Freistaat geht, soll bei allen fünf Bädern am Ende das so genannte Bad Bockleter Modell entstehen. Das beschauliche unterfränkische Staatsbad ist das einzige, das seit mehreren Jahren von der Kommune alleine geführt wird - der Freistaat verpachtet lediglich die Gebäude und Grundstücke.

Diesen Plan verfolgt die Staatsregierung allerdings schon seit 1995. "Das sind einfach langwierige Verhandlungen und Prozesse", heißt es aus dem Finanzministerium. Weitere Auslagerungen und Privatisierungen würden aber geprüft, und zwar "bei jeder sich bietenden Gelegenheit".

© SZ vom 24.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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