Tegernsee:Wegen 1,20 Euro

Mordversuch im Flüchtlingsheim, weil einer billigen Wein klaute

Seit einem Vierteljahrhundert ist Alin M. auf der Suche nach einem besseren Leben. Die Suche endet vorerst auf der Anklagebank der Schwurgerichtskammer am Landgericht München II. In den frühen Morgenstunden des 7. Januar diesen Jahres soll er in einer Asylbewerberunterkunft in Tegernsee versucht haben, einen 19-jährigen Mitbewohner zu ermorden. Seine Geschichte beginnt lange zuvor.

Mit 17 verließ er seine Heimat Tansania, in Ostafrika. Er habe immer den Eindruck gehabt, dass selbst Hunde in Afrika besser leben als er, "deshalb wollte ich aus Afrika raus", sagt der inzwischen 42-Jährige. Auf seiner Odyssee habe er auf der Straße gelebt und sich oft als Strichjunge verdingt. Wenn er dagegen eine Arbeit fand, übernahm er jeden Job, der sich ihm anbot. Zum Beispiel Säcke schleppen auf den Märkten in Somalia, Kenia und Dschibuti, wo es ihn im Laufe der Jahre überall hinverschlagen hatte. Von einem Hafen aus im ostafrikanischen Dschibuti fuhr Alin M. mit einem Frachter nach Rumänien. Dann zog es ihn weiter nach Griechenland. Im Oktober vorigen Jahres kam er in Deutschland an. Er habe sich einfach dem Flüchtlingsstrom auf der sogenannten Balkanroute angeschlossen, sagt der 42-Jährige.

Zum Auftakt der Verhandlung legte Alin M. in einer Erklärung ein Geständnis ab, die sein Verteidiger, Rechtsanwalt Marco Noli, verlas. Sein Mandant, so Noli, räume das "objektive Geschehen", so wie es in der Anklage der Staatsanwaltschaft stehe, "im Großen und Ganzen" ein. Am Nachmittag jenes 7. Januar war Alin M. mit dem 19-Jährigen in einem Supermarkt in der Nähe einkaufen gegangen. Die Männer besorgten sich zwei Tetrapacks Rotwein. Ein Liter für 1,20 Euro. Einen der beiden Tetrapacks tranken sie anschließend in nur einer Stunde in der Sammelunterkunft. Dann seien sie nochmals los, um zwei weitere Tetrapacks zu kaufen, berichtete Alin M. Den Rotwein hätten er und das spätere Opfer sowie weitere Männer aus der Unterkunft getrunken. Alkohol trank Alin M. seinen Schilderungen zufolge dort öfters. Er habe in der Unterkunft auch Drogen konsumiert, berichtete der 42-Jährige. An Weihnachten 0,4 Gramm Heroin. Wenige Tage vor der mutmaßlichen Tat Methadon.

Im Laufe des Nachmittags und Abends des 7. Januar, so M., habe er um "die drei Liter" getrunken. Später, so heißt es in der Erklärung seines Verteidigers, sei es zu mehreren Rangeleien zwischen dem Angeklagten und dem 19-Jährigen gekommen. Denn dieser soll M. einen Tetrapack Rotwein geklaut haben. Als M. daraufhin die Turnschuhe des 19-Jährigen als "Pfand" an sich genommen habe, sei die Situation eskaliert. Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes trennten die Männer.

Doch gegen 2.13 Uhr kam Alin M. zurück in die Halle. In einer Plastiktasche hatte er einen rund 1,3 Kilogramm schweren Pflasterstein versteckt. Damit ging er auf seinen Kontrahenten zu. Als er ausholte, um zuzuschlagen, flog der Stein jedoch aus der Tüte und prallte gegen eine Wand. Der 19-Jährige blieb unverletzt. Sicherheitsleute überwältigten Alin M. Dabei soll er mehrmals auf Englisch geschrien haben, dass er den 19-jährigen Mann töten werde. Der Prozess dauert an.

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