Tatort Fußballplatz:Schiedsrichter nach Spiel verprügelt

Ein Schiedsrichter ist nach der Partie zwischen dem ESV Rosenheim und dem FC Iliria Rosenheim von einem Spieler geschlagen worden. Dafür wurde dieser jetzt zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Ein Grund für die harte Strafe: der Tatort.

Von Heiner Effern

Am Tag, an dem sein Leben über den Haufen geworfen wurde, wollte Thomas K. etwas für seine Mitmenschen tun. Wie schon so oft vorher. Für 20 Euro sollte er als Schiedsrichter 22 Männern auf dem Spielfeld und den Zuschauern draußen einen emotionalen, aufregenden Nachmittag ermöglichen. Doch nun sitzt er im Saal 21 des Amtsgerichts Rosenheim, als Nebenkläger.

Während der Verhandlung nimmt er immer wieder ein Papiertaschentuch und tupft sein linkes Auge ab. Es nässt, das Lid ist halb geschlossen, er sieht damit kaum mehr etwas. Nachts kann er nicht schlafen, er hat Depressionen. Seine gebrochenen Zähne sind auch noch nicht alle gerichtet. Nur weil Menschen mit seinen Entscheidungen auf dem Platz nicht einverstanden waren. Und weil sie es ihn haben spüren lassen.

Der Mann, der seine Wut mit der Faust ausdrückte, sitzt nur etwa drei Meter weiter. Amtsrichter Heinrich Loeber sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte Ferat M. nach dem Derby zwischen dem ESV Rosenheim und dem FC Iliria Rosenheim zugeschlagen hat. Zweimal, einmal auf den Mund, einmal aufs Auge. Das sei zweifelsfrei als vorsätzliche Körperverletzung zu werten, sagt der Richter. Den 37 Jahre alten Spieler schickt er dafür für 14 Monate ins Gefängnis. Eine Bewährung verweigert er dem nicht vorbestraften Mann. Als einen strafverschärfenden Grund führt er den Tatort Fußballplatz an. Wenn ein Schiedsrichter damit rechnen müsse, für unliebsame Entscheidungen körperlich attackiert zu werden, ist dies ein "Anschlag auf den Sportbetrieb".

Nach dem Abpfiff gab es Tumulte

Das Derby zwischen dem ESV und Iliria am 3. Oktober 2012 war während des Spiels immer hitziger geworden. Schiedsrichter Thomas K. stellte zwei Iliria-Männer vom Platz. Zu neunt verteidigten deren Mitspieler gegen die Favoriten vom ESV eine 2:1-Führung bis in die Nachspielzeit. Unmittelbar vor Spielende pfiff Thomas K. einen Freistoß an der Strafraumgrenze. Der Schütze des ESV Rosenheim verwandelte ihn direkt zum 2:2-Unentschieden. Dann war das Spiel aus.

Nach dem Abpfiff kam es zu den Tumulten. Der Schiedsrichter und auch der ESV-Trainer wurden verletzt. Der Coach wollte dem Schiedsrichter beispringen, dafür erhielt er einen Tritt mit einem Stollenschuh in den Unterleib. Der 25 Jahre alte Kreshnik B. wird dafür nach vollem Geständnis und Entschuldigung zu einer Strafe von sieben Monate Haft auf Bewährung verurteilt. Der dritte Angeklagte Bekim K., 25, wird freigesprochen. Es fanden sich keine stichhaltigen Beweise dafür, dass auch er auf den Schiedsrichter eingeschlagen hat.

Sein verurteilter Mannschaftskollege Ferat M. hat sich in seinem Schlusswort noch entschuldigt. Allerdings nur dafür, dass er Thomas K. mit der flachen Hand geschubst habe. "Ich habe ihn auf keinen Fall geschlagen", sagt er. "Ich wollte ihn auf keinen Fall verletzen. Das ist die Wahrheit." Sein Verteidiger Markus Frank hält es sich offen, Rechtsmittel einzulegen. "Eine Bewährung hätte ich für naheliegend gehalten", sagt er.

Die Suche nach der Wahrheit auf dem Platz erweist sich als schwierig. Mehr als 30 Zeugen vernimmt Richter Loeber an zwei Prozesstagen, viele mit wenig Erfolg, wie er einräumt. "Die meisten Zeugen haben nichts gesehen. Ob diese Aussagen richtig sind, ist zu bezweifeln", sagt er in der Urteilsbegründung. Thomas K. hat an den beiden Prozesstagen eines registriert: Schiedsrichter stehen nicht nur auf dem Platz alleine da. Für ihn bringt der Prozess neben der Verurteilung des Mannes, den er für sein Leiden verantwortlich macht, immerhin noch 15 000 Euro Schmerzensgeld und eine Hoffnung: Der Gutachter, der sein Auge untersuchte, stellte eine psychogene Sehstörung fest. Das heißt, dass Thomas K. dort keinen dauerhaften körperlichen Schaden davonträgt. Nur die verletzte Psyche hindert es am Sehen. Eine Therapie könne ihn heilen.

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