Unterfranken:Eine Schlossgeschichte für eine Fernsehsaga

Unterfranken: Das Schloss gehörte einmal den Hennebergern, einem der vornehmsten fränkischen Geschlechter.

Das Schloss gehörte einmal den Hennebergern, einem der vornehmsten fränkischen Geschlechter.

(Foto: Olaf Przybilla)

Auf Schloss Mainberg residierte ein Unternehmer, der mit Arsen-Farben ein Vermögen machte. Später wurde hier Deutschlands bekanntester Lebemann geboren. Und heute? Steht man vor verschlossenen Toren.

Von Olaf Przybilla, Mainberg

Ein bisschen frustriert ist Stefan Rottmann schon. Da thront also dieses Kastell gravitätisch über dem Main, Bayerischer Historismus und was für eine Geschichte! Schon allein, dass Gunter Sachs in diesem Schloss vor Flusslandschaft geboren ist, der einzig wahre Lebemann aus Deutschland, würde andernorts den Bustourismus ordentlich ankurbeln. Aber das hier ist eben Schonungen im Landkreis Schweinfurt, bekannt höchstens für den Kampf gegen Bayerns größte bewohnte Altlast, weil sich ein Farben-Fabrikant im 19. Jahrhundert darin gefallen hat, seine Ware mit Arsen zusammenzumixen.

Ein paar Kilometer flussabwärts liegt Schweinfurt, Bayerns Industriestadt schlechthin, die als Destination romantischer Busreisen aber auch nicht ganz oben rangiert. "Läge das Schloss vor Alpenpanorama", sagt Rottmann, "dann hätte sich die Bayerische Schlösserverwaltung das doch längst gesichert." Liegt es aber nicht. Also steht Rottmann, der Bürgermeister von Schonungen, im Ortsteil Mainberg und versucht sich an etwas, das nach Schlosstorklingel aussieht. Tut sich aber nichts.

Das Schloss, 1245 erstmals urkundlich erwähnt, gehörte mal den Hennebergern, einem der vornehmsten fränkischen Geschlechter. Später sicherten sich die Fürstbischöfe von Würzburg das Gemäuer; die zeichnen sich andernorts für architektonischen Weltruhm verantwortlich. Im 19. Jahrhundert residierte dann Wilhelm Sattler in dem Schloss, das ist jener Mann, dem man mit Fug und Recht attestieren darf, zu den Pionieren der Frühindustrialisierung in Bayern zu zählen. Gewiss, 145 Jahre nach Sattlers Tod 1859 sah sich ein gewisser Edmund Stoiber mit wild protestierenden Schonungern konfrontiert.

Die Lage am Schweinfurter Kongresszentrum drohte damals zu eskalieren, weil den Bewohnern eine Art Enteignung drohte: Sie sollten als Häuschen-Besitzer dafür geradestehen, dass Sattler sein "Schweinfurter Grün", eine damals sehr angesagte Farbe, in einer Mühle in ihrem Ort produzieren ließ und dabei reichlich Arsen verrührte. Den Schonungern wurde im Jahr 2000 klar, dass sie Eigentum auf einem Giftcocktail erworben hatten, dessen Sanierung den Wert ihres Eigentums locker übersteigen würde. Der Satz "Und plötzlich ist dein Häuschen weg" machte damals die Runde. Lachte nur keiner mehr in Schonungen. Aber klar: Dafür konnte der Multiunternehmer und Kunstmäzen Sattler wenig - wusste der doch nicht, wie giftig das war, was er da anrühren ließ.

Auf Schloss Mainberg residierte Sattler nicht nur, dort ließ er auch produzieren. Allerdings nicht seine giftgrünen Farben, was eine gewisse Zurückhaltung der Bayerischen Schlösserverwaltung nachvollziehbar machen würde. Nein, Sattler, der womöglich bedeutendste Industrielle im Bayern seiner Zeit, ließ auf Mainberg Tapeten fabrizieren - der letzte Schrei im gesamten deutschsprachigen Raum. So wohlhabend wurde Sattler damit, dass er sich eine legendäre Kunstsammlung zusammenkaufen konnte: mehrere Arbeiten von Tilman Riemenschneider etwa, die heute allerdings auch nicht mehr im Landkreis Schweinfurt zu sehen sind, sondern in München, in Berlin und Washington. Tja.

Nach Sattler kam dann bald, unterbrochen von allerlei kuriosen Episoden, die Familie Sachs als Schlosseigentümer. Danach wurde es noch kurioser und schließlich so verworren, dass selbst Heimatforscher ins Schlingern geraten. Heute heißt die Schlossherrin Renate Ludwig, ihr gehört das Anwesen und wenn der Herr Bürgermeister klingelt, muss das noch lang nicht heißen, dass ihm auch aufgetan wird - Privatbesitz eben. Es sei denn, ein Reporter bittet am Telefon gemeinsam mit Rottmann um Einlass, dann öffnet Renate Ludwig schon deshalb das Tor, weil sie dem Bürgermeister dann mal ins Gesicht sagen kann, was für einen Schmarrn er geredet hat, als er jüngst einem Boulevardblatt gesagt habe, sie sei abgetaucht. Rottmann kann sich nicht erinnern, das so gesagt zu haben.

Göring, Himmler, Heydrich waren zu Gast in Mainberg

Die Schlossherrin wird im Lauf der Führung allerlei über Einstweilige Verfügungen sagen, die sie erwirken will gegen Missliebige und deren Behauptungen, sie wird von Kamera-Drohnen erzählen, die das Schloss umschwirren, und davon, dass es offenbar gar keinen Respekt mehr gibt vor Privatbesitz. Fotografiert werden will Ludwig nicht, wofür ist schließlich der Bürgermeister mitgekommen. Scheu vor dem jüngeren historische Erbe des Hauses hat die Schlossherrin dagegen nicht.

Verglichen mit diesem Erbe ist der Sattlersche Giftcocktail eine verträgliche Angelegenheit. Renate Ludwig kommt selbst darauf zu sprechen, wenn auch in Andeutungen. Die Namen, die darauf hindeuteten, wer die Geweihe an der Wand als Trophäen ins Schloss gebracht hat, die habe sie "gleich entfernt", erzählt Ludwig. Die Namen von wem? Die Schlimmsten der Schlimmen, sagt sie. Tatsächlich ist bekannt, dass Göring, Himmler, Heydrich zu Gast waren in Mainberg. Und zwar in jenen Tagen, als Willy Sachs - der Sohn des fränkischen Industriebarons Ernst Sachs - in Schweinfurt sein neues Stadion eröffnen ließ.

In seiner Geschichte der Sachs-Familie hat der Autor Wilfried Rott aufgeschrieben, wie Sachs in jenen Tagen zum SS-Sturmbannführer ernannt und Mainberg illuminiert wurde: Abends erglühte ein Profil Hitlers an der Schlossfront "als pyrotechnisches Meisterstück". Gunter Sachs, der Sohn von Willy, wurde 1932 im Schloss geboren; mit seinem Geburtsort wollte der Erbe, Fotograf und Kunstsammler aber Zeit seines Lebens wenig zu tun haben.

Als wäre die Geschichte des Schlosses damit nicht schon schillernd genug, übernahm Mainberg nach dem Krieg ein Haarwasserfabrikant. Der konnte zwar keinerlei wissenschaftliche Ausbildung als Biologe oder Chemiker vorweisen, versprach unfreiwilligen Glatzköpfen aber unbeirrt, die Fülle ihres Haarwuchses wiederherstellen zu können. Mainberg wurde zum Schloss der Verheißung. Und bald darauf, als die Haare der Käufer partout nicht wachsen wollten, zum Ort der Peinlichkeit. Der Wässerchenfabrikant wurde wegen Betrugs verurteilt, seine Firma ging bankrott.

Spätestens an der Stelle wird die Historie von Mainberg nebulös, das Schloss entschwindet aus dem Fokus der Öffentlichkeit. Was schade ist, findet der Historiker Thomas Horling. Andernorts werde das Leben früherer Industriebarone längst touristisch präsentiert, man müsse nur an die Villa Hügel in Essen denken, das Repräsentationshaus der Krupps, sagt Horling. Die Geschichte der Sachs' und Sattlers wäre von ähnlichem Interesse, "aber Bayern hat sich zu lange fast ausschließlich auf seine Feudal- und Monarchiegeschichte konzentriert". Immerhin: Nach langem Kampf hat der Freistaat gerade 700 000 Euro zugesagt, um das Schloss in Privatbesitz wenigstens vorm gröbsten Verfall zu bewahren.

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