SZ am Gardasee:Heiraten, wo andere Urlaub machen

Hochzeit am Gardaseeg

Bei der Hochzeit von Andrea und Tobias Schwander in Malcesine heulten die Gäste vor Rührung, berichten sie.

(Foto: lovelyweddings.eu)

Italienische Pfarrer machen nicht mit, Standesämter umso lieber: Immer mehr deutsche Paare heiraten am Gardasee. Hochzeitsplaner haben die Nische für sich entdeckt.

Von Elisa Britzelmeier

Das Essen ist bestellt, die Friseurin weiß Bescheid, auf dem Standesamt haben sie die Dokumente geprüft, aber was Doris Linke jetzt beschäftigt, ist der Boden. "Keine Stöckelschuhe! Sagen Sie das Ihren Gästen!" Der rechte Zeigefinger der Hochzeitsplanerin deutet nach unten. Ganz Malcesine ist gepflastert, im Zickzack führen die Gassen steil zur Burg hinauf. Die falschen Schuhe könnten alles vermiesen. Einen Urlaubstag. Oder den Hochzeitstag.

Malcesine ist eines der beliebtesten Ziele am Gardasee, die alte Scaligerburg hat schon Goethe besucht, ihren Turm sieht man selbst vom anderen Ufer. Die Touristen kommen, um vom neuen zum alten Hafen zu schlendern oder mit der Seilbahn auf den Monte Baldo zu fahren. Und eben um zu heiraten. Das Standesamt bietet Trauungen auf der Burg an, mit Seeblick. Das lässt sich der Ort gut bezahlen: 600 Euro beträgt die Gebühr für Ausländer, Italiener zahlen 120 Euro. Dafür hoffen die deutschen Paare auf schönes Wetter, gutes Essen, tolle Fotos - eine ganz besondere Atmosphäre.

Und Doris Linke soll sie schaffen. Die Hochzeitsplanerin ist mit einem Paar aus Oberfranken unterwegs. Sie, 27, ist medizinische Fachangestellte, er, 30, beim Finanzamt. Die beiden haben eine eineinhalbjährige Tochter. Am 23. September wollen sie in Malcesine heiraten, hier auf der Burg hat er ihr vor einem Jahr auch den Antrag gemacht. Die kirchliche Trauung folgt nächsten Sommer in der Heimat, das ist hier schwierig, die italienischen Pfarrer machen nicht mit. Die standesamtlichen Hochzeiten in Malcesine und Torri del Benaco, dem anderen Hochzeits-Hotspot des Gardasees, dagegen: "Das geht wie das Brezelbacken", sagt Linke.

Menschen heiraten heute nicht mehr, weil ein Kind unterwegs ist oder weil Familie oder Glaube es verlangen. Ein paar trauen sich der Steuer wegen, gut. Aber wer sich noch ernsthaft ewige Treue schwört, tut das meist aus Überzeugung. Um die Liebe zu feiern. Und vor allem: um der eigenen Beziehung Bedeutung zu verleihen. Was könnte mehr Bedeutung bringen als ein möglichst ungewöhnlicher, romantischer Ort? Der Sehnsuchtsort Italien?

Doris Linke sorgt dafür, dass die Sehnsucht erfüllt wird. Ursprünglich kommt sie aus Norddeutschland, heute lebt sie in Bad Tölz, regelmäßig ist sie am Gardasee. Sie weiß, dass man neben dem Ausweis eine internationale Geburtsurkunde und ein Ehefähigkeitszeugnis braucht. Sie kennt Friseurin und Floristin, schlägt Lokale vor, vereinbart Termine und handelt Preise aus für Paare, die kein Italienisch sprechen.

Sie selbst fing erst für ihre Vermittlerrolle an, die Sprache zu lernen. Seit 1999 organisiert sie Hochzeiten, inzwischen nur noch in Italien. Ihre Kunden kommen aus ganz Deutschland, vor allem aus Bayern; die meisten kennen den Gardasee von vielen Urlauben. Linke ist, wenn man so will, für die Bedeutungsmaximierung zuständig. Damit alles so romantisch wird wie geplant, muss sie aber auf die profanen Dinge achten. Wie die Pflastersteine eben.

Durch Malcesine schleust Linke ihre Kunden wie eine Reiseleiterin, vom Standesamt zum Friseur, dabei könnte die Hochzeitsplanerin selbst eine Touristin sein: festes Schuhwerk, die große schwarze Lackhandtasche unter den Arm geklemmt. Wenn man sie vorrechnen lässt, was das alles kostet - das Menü 65 Euro pro Gast, für den Empfang noch mal 20 Euro pro Kopf, 200 Euro für die Brautfrisur, Blumenschmuck, Fotograf, Saxofonspieler -, dann sagt sie: "Heiraten ist keine günstige Angelegenheit."

Dazu kommt die Gebühr für ihre Vermittlungsdienste - in Deutschland hätten sich die meisten Paare keinen Hochzeitsplaner geleistet. Wer die standesamtliche Hochzeit klein hält, kommt alles in allem mit 1200 Euro aus. Je nach Gästezahl und Aufwand können die Kosten aber in die Zehntausende gehen, Agenturen schnüren Komplettpakete von 24 500 bis 35 000 Euro bei einer Feier mit 80 Gästen. Die Übernachtungen sind da noch nicht dabei.

Eine Hochzeit für 30 000 Euro - für acht Personen

SZ am Gardasee: SZ vom Gardasee : Hochzeitsplanerin Doris A. Linke vor dem Castello in Torri di Benaco, 7.August 2016, Foto : C : Stephan Rumpf

SZ vom Gardasee : Hochzeitsplanerin Doris A. Linke vor dem Castello in Torri di Benaco, 7.August 2016, Foto : C : Stephan Rumpf

(Foto: Stephan Rumpf)

Auch wegen der Preise fallen die Hochzeiten am Gardasee meist kleiner aus, doch auch 120 Gäste seien kein Problem, berichtet Christine Wagner. Mit ihrer Münchner Agentur "Bombenfest" hat sie die Hochzeit mit dem höchsten Pro-Kopf-Preis am Comer See organisiert, wie sie sagt. Shopping-Abstecher nach Mailand mit Personal Shopper, Fahrt mit Chauffeur, Flug im Hubschrauber: 30 000 Euro ließ der Bräutigam sich das kosten - für gerade einmal acht Personen.

Der Trend zu immer teureren Hochzeiten setzt sich seit Jahren fort, auch bei denen, die keine Großverdiener sind. Oft zum Leidwesen der Gäste. Schließlich wird von einer ganzen Festgesellschaft erwartet, sie möge sich doch bitte in den Flieger nach Mauritius setzen, man kann ja einen Urlaub dranhängen. Das geht ins Geld. Ein Wochenende am Gardasee ist harmlos dagegen.

Andrea Schwander hatte trotzdem Bedenken, die Gäste "da runter zu jagen", sagt sie. Der Stau, die Hitze. Die 31-Jährige wohnt bei Pfaffenhofen, im Mai haben sie und ihr Mann in Malcesine auf der Burg geheiratet - organisiert hat es Doris Linke. Die Bedenken nennt sie heute überflüssig, bei der Hochzeitsgesellschaft sei der Plan gut angekommen. 15 Gäste waren da, plus zwei Hunde und ein Baby. "Die Gäste waren so gerührt, ein paar mussten schon weinen, bevor wir überhaupt da waren - einfach nur wegen der Kulisse."

Die Kulisse, ja, die hat etwas für sich. "Die Landschaft wirkt sowieso, in Italien hat man auch mit wenig Deko die richtige Atmosphäre", sagt Christine Wagner. Weißer Tüll zum Beispiel - den drapiert im Innenhof der Burg gerade eine britische Hochzeitsplanerin an einem Geländer, während Linke mit dem Paar aus Oberfranken vorbeieilt. Man grüßt sich, man kennt sich. Draußen wartet schon die Hochzeitsgesellschaft aus Großbritannien: Herren in Anzügen, Damen mit kleinen Hüten auf dem Kopf. Die Schuhe sehen eher unbequem aus, da war wohl jemand nicht gewarnt.

Italienische Kulisse ja, Traditionen kaum

Vorteil für viele Bräute, auch die mit den schlechten Schuhen: Viele werden mit der Ape durch den Ort gefahren, dem kleinen motorisierten Dreirad. Bei den Schwanders kam sie nicht ganz pünktlich, am Ende aber hat alles geklappt. Auch das gehört zu einer Hochzeit in Italien: Man muss alles etwas gelassener nehmen. Italienische Traditionen werden ansonsten aber kaum übernommen. "Dass das Brautpaar die Hochzeitstorte zum Beispiel nur anschneidet und der Rest in der Küche vom Personal verteilt wird, irritiert viele", sagt Wagner. "Das müssen wir erst erklären."

Ganz so pompös und aufgeregt wie in Filmen wie "The Wedding Planner" geht es bei den Planerinnen am Gardasee dann aber auch nicht zu. Doris Linke ist nur bei größeren Feiern mit mehr als 50 Gästen dabei, dann hat sie extra Ringe in der Handtasche, falls ein nervöser Bräutigam die richtigen vergisst. Ist alles schon vorgekommen. Würde Linke heute selbst noch einmal Hochzeit feiern, dann in Torri del Benaco, sagt sie. Auf dem Turm, gerade mal zwölf Gäste haben dort Platz. Sie aber heiratete in Kiel "ganz nüchtern" auf dem Standesamt, nur mit Trauzeugen. "Damals ging es noch nicht so romantisch zu." Glücklich verheiratet ist sie immer noch.

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