SZ-Adventskalender:Wenn Wünsche wahr werden

SZ-Adventskalender: . Von links nach rechts: Markus, Fabian, Emanuel. München, 20.12.2013 / Foto: Robert Haas SZ Adventskalender 'Kinderwünsche' Familie Knipper aus Bogenhausen

. Von links nach rechts: Markus, Fabian, Emanuel. München, 20.12.2013 / Foto: Robert Haas SZ Adventskalender 'Kinderwünsche' Familie Knipper aus Bogenhausen

(Foto: Robert Haas)

Weihnachten ist für Familien nicht nur die Zeit des Zusammenseins. Für Kinder spielen auch die Geschenke eine große Rolle - doch es gibt auch Eltern, die kostspielige Wünsche nicht erfüllen können. Der SZ-Adventskalender will bedürftigen Familien eine Freude bereiten.

Ein Schaukelpferd

Im Arm hält Leon ein Kuschel-Pferd. Er steht mit seiner Mutter in der leeren Wohnung und hält das Plüschtier ganz fest. "Das Pferd gehörte damals mir. Es ist schon uralt, aber noch gut erhalten", sagt Mutter Jessica. Leon ist erst vier Jahre alt, hat aber schon viel hinter sich. Im Sommer 2012 trennte sich Jessica von Leons Vater, im Bericht des Sachverständigen steht daneben der Vermerk "Gewaltbeziehung". Seitdem hat sie finanzielle Schwierigkeiten und versucht gerade, ihre Wohnung zu renovieren. Außer einem Wäscheständer steht noch nichts in dem großen Raum, der mal das Wohnzimmer werden soll. Leon wünscht sich ein schönes Kinderzimmer und vor allem ein neues Schaukelpferd. Das alte wird wohl nicht mehr lange halten. "Soll ich es holen gehen", fragt er mit großen Augen. "Aber du kannst das doch gar nicht tragen", sagt die Mutter. Leon lächelt. "Ich will ein Pferd. Und ich will meinen Vater noch mal sehen", sagt er und drückt sein Kuscheltier.

Tanzen wie in Bollywood

Am liebsten würde Ivona sich eine große Wohnung "mit einer richtig schönen Badewanne" wünschen. Aber die 14-Jährige in dem lila gestreiften Pulli macht sich wenig Illusionen: "Ich denke mal, das kann das Christkind nicht", sagt sie und baumelt mit den Beinen. Ivona ist geistig behindert, mit ihrer Mutter Svetlana lebt sie in einer kleinen Wohnung in der Isarvorstadt. Größere Ausgaben sind bei der Familie nicht drin, die Mutter kann von ihrem Teilzeitjob als Pflegerin in einer Demenz-WG kaum mehr zahlen als die Miete und die Betreuung für Ivona während ihres Schichtdienstes. Untertags besucht Ivona eine Förderschule, sie geht gern hin. Noch lieber tanzt sie, sieht sich Bollywoodfilme an und hört Musik. Vielleicht kann ihr das von der Wohnung mit Badewanne überforderte Christkind ja einen roten iPod bringen, auf dem sie sich Lieder von Jennifer Lopez und den Bands Schiller und Bernstein anhören kann.

Einmal ins Legoland fahren

Wenn Mutter Verena am Küchentisch sitzt und Emanuel, Markus und Fabian (großes Bild) fragt, was sie zu Weihnachten wollen, entlädt sich ein Gewitter an Wünschen. Wie eine kleine Armee stehen sie neben der alleinerziehenden Mutter, keiner will zu kurz kommen. Nur Fabian, mit fünf Jahren der jüngste des Trios, weiß noch nicht so richtig, was er will. Erst will er Schmetterlinge, dann Tassen, das aber doch nicht. Sie hätten ja schon Tassen. Nach ein paar Minuten können sich aber alle auf einen Ausflug ins Legoland einigen. Oder vielleicht sogar ins Disneyland nach Paris, wenn das geht. "Und die Mama soll ein Auto haben", sagt Markus. Er ist zehn Jahre alt und Epileptiker, seine Krankheit wird medikamentös behandelt. Er will eigentlich Baseball spielen, aber das Training wäre in Germering, am anderen Ende der Stadt. Mutter Verena aber hat keinen Führerschein, der kostet heutzutage fast 2000 Euro. Sie ist ausgebildete Altenpflegerin, sucht aber im Moment eine Arbeit, die sie neben der Betreuung ihrer Kinder ausüben kann. Ohne Auto also auch kein Baseballtraining. Emanuel kommt aus seinem Kinderzimmer und sagt: "So ein Auto" und stellt einen Wagen aus Legosteinen auf den Tisch.

Hinter die Kulissen spähen

Es wird das erste Weihnachten ohne Papa sein. Der Vater von Bastian, 6, und Manuel, 4, aus Unterhaching erkrankte am 1. August überraschend an Bauchspeicheldrüsenkrebs. "Vorher waren wir noch in Urlaub und es ging ihm gut", sagt seine Witwe Christina. "Das ist das Tückische an dieser Krankheit: Sobald man Beschwerden hat, ist es schon zu spät." Nur sechs Wochen blieben nach der Schock-Diagnose, die Einschulung von Bastian hat sein Vater nur um zwei Tage überlebt. Den Kindern zuliebe hat der Todkranke noch zwei Chemotherapie-Zyklen über sich ergehen lassen, um sein Sterben hinauszuzögern. Doch letztlich war es vergebens. Weil jetzt der Ernährer fehlt und die Mutter die Familie als "Teilzeit-Mama" durchbringen muss, kann sie keine großen Geschenke mehr machen. Bastian ist, genau wie sein Vater, ein großer Freund vom Meer und von allen Meerestieren. Sein großer Wunsch wäre daher, im Sealife hinter die Kulissen zu schauen, quasi eine ganz persönliche Führung zu bekommen, bei der er alles fragen und sehen kann. "Am liebsten würde er da schlafen", sagt seine Mama. Manuel wünscht sich von Lego City das Feuerwehr-Hauptquartier, vielleicht sogar mit dem Feuerwehr-Boot oder dem Helikopter. Ein Ausflug ins Legoland würde seine Leidenschaft noch toppen.

In den Urlaub ans Meer

Knallgelb ist sie und ziemlich groß, die Spritze, mit der Justine im Wohnzimmer sitzt. Sie verabreicht sie sich selbst, sagt ihre Mutter, einmal am Tag in den Oberschenkel. Dank der Spritze ist die Elfjährige seit kurzem die Schmerzen los, die sie jahrelang geplagt haben. Justine war sechs, erzählt die Mutter, als sie erstmals mit hohem Fieber, Rückenschmerzen und geschwollenen Handgelenken aus dem Kindergarten kam. Aber erst Jahre später, nach vielen Untersuchungen und Krankenhausaufenthalten, stand der Grund für die Beschwerden fest: Justine hat Morbus Still, eine seltene rheumatische Erkrankung, die bei Kindern auftritt. Während eines Schubs könne man "mit dem Kind gar nichts anfangen", sagt die Mutter - dabei sei Justine sonst sehr aktiv, fahre gern Fahrrad, sei viel im Freien und in der Schule sogar Klassensprecherin. Von den drei Kindern der Familie ist nur die älteste Tochter, Joana, völlig gesund. Der fünfjährige Jermaine hat Dyslalie und traut sich nicht, mit Fremden zu sprechen: "Es ist ihm peinlich, wenn die Leute ihn nicht verstehen", so die Mutter. Sie würde gern einmal mit den Kindern auf Urlaub fahren, ans Meer, vielleicht an die Nordsee. Ihre letzte Reise ist schon acht Jahre her.

Ein neues Bett

Jeden Morgen fährt Denise mit dem Fahrrad zur Schule. Knapp 15 Minuten braucht sie von der Wohnung aus. Nicht viel, aber mit einer neuen Tasche wäre sie schneller, sagt sie. Ihre alte Schultasche ist riesig und zu schwer, zu Weihnachten wünscht sie sich eine neue. "Das muss ich aber alles noch auf den Wunschzettel schreiben", sagt sie. Denises Schwester Jasmin geht noch in den Kindergarten. Sie will einen CD-Spieler. Und ein Playmobil-Haus. Ihre Mutter kann den beiden nichts zu Weihnachten kaufen, sie hat 40 000 Euro Schulden wegen ihrer früheren Kaufsucht. Die hat sie mittlerweile im Griff, allerdings ist es nach wie vor schwierig für sie, denn sie leidet an Platzangst, hat kein Auto und kann kaum mit der U-Bahn fahren. Seit sieben Jahren ist Denises Mutter alleinerziehend, arbeitet bei der Diakonie, ist aber auf Arbeitslosengeld II angewiesen. Später will Denise irgendwas mit Tieren machen, die Elfjährige ist eine gute Schülerin, auf ihrem Zeugnis stehen viele Zweien. "Ein neues Bett für Jasmin wäre auch toll", sagt sie. Das ist vor kurzem kaputt gegangen.

Träumen von Amerika

"Wir feiern zu Hause kein Weihnachten", sagt Tobias traurig. Heiligabend wird der 16-Jährige bei seiner Freundin und deren Familie verbringen. Seit der Trennung seiner Eltern habe er nicht mehr viel Kontakt zu seiner Familie. Wegen einer angeborenen Wirbelsäulenverkrümmung leidet der Jugendliche zudem oft unter starken Rückenschmerzen und muss zum Schlafen ein enges Korsett tragen. Das Zusammenleben mit seiner alleinerziehenden Mutter ging nicht gut. Immer wieder gab es heftige Auseinandersetzungen. Wahrscheinlich hat Tobi deshalb auch einen für Jugendliche eher ungewöhnlichen Wunsch: "Ich möchte erzogen werden." Dieser Aufgabe widmet sich seit rund zwei Jahren Helmut Puchner im Rahmen eines Patenprojekts des Katholischen Kreisbildungswerks Ebersberg. Seit den Herbstferien wohnt der Schüler bei seinem 63-jährigen Mentor, ein Antrag auf Pflegschaft ist gestellt. Als die Situation zwischen Tobias und seiner Mutter eskaliert war, nahm er den Jungen bei sich auf. Tobi blieb. Mit viel Eigeninitiative hat der versetzungsgefährdete Schüler seinen Qualifizierten Hauptschulabschluss geschafft - und zwar als Jahrgangsbester. Derzeit paukt er für den Mittleren Schulabschluss. Eines aber steht für Tobi jetzt schon fest: "Ich will Englisch im Beruf nutzen oder im Ausland arbeiten." Am liebsten in den USA. Einmal möchte er die Großstadtluft New Yorks schnuppern, die Freiheitsstatue besuchen und sich auf Englisch unterhalten.

Eine eigene Geige

Es gibt in München nicht mehr viele Kinder wie Christina. Viele Vereine, Gruppen und Organisationen haben Nachwuchssorgen, aber vor allem die Orchester können kaum noch junge Menschen für Instrumente und klassische Musik begeistern. Anders Christina. Sie entdeckte ihre Liebe zur Geige in der fünften Klasse. Damals spielte sie in der Musik-AG, jedes Kind durfte sich ein Instrument aussuchen. Die Geige blieb übrig, Christina nahm sie und spielt seitdem, seit einem Jahr bekommt sie Unterricht von einer Musikpädagogin. Christina spielt auf einer Geige der Guardini-Mittelschule. Im Juli wird Christina aber die Schule verlassen und muss deshalb auch die geliehene Geige zurückgeben. Eine eigene kann sie sich nicht leisten, ihr Stiefvater arbeitet als Hausmeister, ihre Mutter sucht gerade eine neue Arbeit. Aufhören zu spielen will sie aber auf keinen Fall. "Ich kann beim Spielen alles vergessen", sagt sie. Sie spielt oft mit Efosa zusammen. Der begleitet sie auf dem E-Piano, vor kurzem haben sie zusammen "My heart will go on" von Celine Dion gespielt. "Aber auch Stücke von Mozart und Beethoven", ergänzt Christina. Die Geige ist ihr größter Wunsch und irgendwann einmal will sie auch ihr großes Vorbild treffen: den Geiger David Garrett.

Trainieren im Sportverein

Nicht immer fällt Weihnachten auf den 24. Dezember. Jedenfalls nicht für den achtjährigen Armandj, für den diesmal schon im Herbst ein drängender Wunsch in Erfüllung gegangen ist. Endlich konnte er mit seiner Familie ausziehen aus der Sammelunterkunft für Flüchtlinge, die weit außerhalb der Stadt liegt. Aus der maroden Baracke, wo er fast seine ganze Kindheit seit der Flucht der Eltern aus dem Irak verbracht hat. Wo er sich nicht eine Minute wohl gefühlt hat. Viel geweint habe Armandj dort, erzählt die Mutter, weil es oft Streit gab mit anderen Kindern. Nun ist alles anders. Mit seinem Bruder teilt er sich ein eigenes Zimmer, berichtet der nachdenkliche Junge mit dem dunklen Haarschopf stolz. Endlich kann er auch Mitschüler einladen, mit den Jungen und Mädchen in der neuen Nachbarschaft hat er sich schon angefreundet. "Alle sind nett." Zu leben wie die anderen Kinder, das ist für Armandj wichtig. Nicht immer klappt es. Gerne würde er regelmäßig im Hallenbad schwimmen gehen, in einem Fußballverein trainieren, doch dafür fehlt das Geld. Und dann ist da noch sein größter Herzenswunsch: "In ein Flugzeug steigen und in mein Land reisen." Die alte Großmutter würde er gerne besuchen, seine Katze und sein Schaf wiedersehen, die er damals bei der Flucht zurücklassen musste.

Hirsche beobachten

Obwohl er sich schwach fühlte und seine Schmerzen in der Hüfte immer stärker wurden, war der kleine Sebastian in seinen ersten Ferien im Gebirge sehr glücklich. Jetzt hat er zwei große Wünsche: dass er wieder gesund wird und dass er noch einmal in die Berge fahren kann. Mit seiner Mutter und den drei Brüdern will er noch einmal den Wildpark Aurach besuchen. Die paar Tage in Österreich Ende August hätten so schön werden können für die allein erziehende Mutter Simone und ihre vier Söhne. Doch dann verschlechterte sich der Zustand des Vierjährigen. Als er gar nicht mehr laufen konnte, musste ihr erster Urlaub abgebrochen werden. Zwei Wochen später die Diagnose: ein bösartiger Tumor. Der Kleine hat seither mehrere Chemotherapien bekommen. "Er ist so ein aufgewecktes Kind. Er spricht immer noch davon, wie ihn sein Bruder Nico in den Ferien überall hin getragen hat. Wir hoffen sehr, im Frühjahr noch mal nach Österreich zu fahren", sagt die Mutter. Sie wünscht sich, dass sie über Weihnachten nicht wieder in die Klinik müssen.

Teppiche gegen die Kälte

In der Wohnung von Stefan, Erik, Markus und Sophie (alle Namen geändert) ist es viel zu eng. Ursprünglich wohnte die Familie in einer größeren Wohnung, musste sie aber wegen andauernder Nachbarschaftskonflikte verlassen. "Die Nachbarn wollten nicht, dass wir mit schwierigen Kindern neben ihnen wohnten", sagt Mutter Angelika. Sie führten ein Lärmprotokoll, zeigten sie an, der Richter stimmte zu. Der älteste Sohn Stefan ist Autist, der sechsjährige Markus leidet unter ADHS und tobt ununterbrochen durch die Zimmer. Der Vater findet aufgrund seiner Krebserkrankung keine Arbeit mehr, deshalb lebt die sechsköpfige Familie komplett von Arbeitslosengeld II. Bei der Frage nach Wünschen weiß Mutter Angelika gar nicht, wo sie anfangen soll. Ein stabiles Bett bräuchten sie dringend, außerdem Teppiche für die Wohnung. Stefan sitzt oft auf dem kalten Boden, aufgrund seiner Erkrankung merkt er nicht, wann es ihm zu kalt wird.

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