Sulzbach-Rosenberg:Imposantes Zeugnis jüdischen Lebens

Sulzbach-Rosenberg: Die Sulzbacher Thorarolle, die im Jahr 1793 geweiht wurde, ist 24 Meter lang und 65 Zentimeter hoch.

Die Sulzbacher Thorarolle, die im Jahr 1793 geweiht wurde, ist 24 Meter lang und 65 Zentimeter hoch.

(Foto: Johannes Hartmann/Stadtarchiv Sulzbach-Rosenberg)

In Sulzbach-Rosenberg ist jetzt eine der ältesten Thorarollen Bayerns zu sehen. Dass es das wertvolle Stück von 1793 noch gibt, wirkt fast wie ein Wunder

Von Christiane Schlötzer, Sulzbach-Rosenberg

Dies ist die Geschichte einer Heimkehr, mit der niemand mehr gerechnet hat. Vor dem Rathaus von Sulzbach-Rosenberg nahmen am Sonntag Aufstellung zu einer kleinen Prozession: der Rabbiner Elias Dray von der Israelitischen Kultusgemeinde Amberg, Sulzbachs Bürgermeister Michael Göth (SPD) und dessen Amberger Kollege Michael Cerny (CSU). Der kleine Zug setzt sich in Bewegung, und hat sein Ziel schon nach etwa 100 Metern erreicht: die ehemalige Synagoge von Sulzbach. Das prächtige klassizistische Gebäude erinnert bis heute an die reiche Geschichte der Juden in der Oberpfalz - und an deren Auslöschung zur Zeit des Nationalsozialismus. Von den Sulzbacher Juden ist keiner zurückgekehrt, und lange dachte man, dass neben dem Gebäude auch von den sakralen Gegenständen ihrer Synagoge nichts geblieben war.

Nun trägt Dray feierlich eine Thorarolle zurück ins einstige Gotteshaus, eine Thora, die eben dort einst geweiht worden war. Im Jahr 1793. Für Dray "ein ganz bedeutender Moment". Aufgefunden hat sie der Rabbiner in der Amberger Synagoge, wo das wertvolle Stück, eine der ältesten Thorarollen Bayerns, offenbar einen langen Winterschlaf gehalten hat. Zur Begutachtung brachte Dray sie nach Israel, dort stellte man fest, dass eine Restaurierung der aus 30 Tierhäuten bestehenden, 24 Meter langen und 65 Zentimeter hohen Rolle bis zu 50 000 Euro kosten würde. Zuviel für die Kultusgemeinde. Beschädigt aber darf eine Thora nach jüdischen Gesetzen nicht mehr für Gottesdienste verwendet werden. Sie kann in solchen Fällen auf einem jüdischen Friedhof bestattet werden. Aber Dray, der die Hoffnung auf eine Restaurierung nicht aufgegeben hat, entschied sich anders. So wird sie nun erst einmal für ein Jahr in Sulzbach ausgestellt, wo sie einst ein "Sofer", ein Schreiber ritueller jüdischer Texte, anfertigte.

Dies war hohe Kunst. Geschrieben wurde mit Gänsekiel, auf farblos eingeritzten Blindlinien, kein Buchstabe darf fehlen, keiner den anderen berühren. Am Ende der Sulzbacher Rolle steht: "Geschrieben durch den der sich mit der heiligen Arbeit beschäftigt Schalom der Toraschreiber, Sohn des Ja'aqow seligen Angedenkens aus Baiersdorf. Diese Torarolle kam hier in die neue Synagoge im Jahr 5553." (1793)

Juden gab es in Sulzbach schon seit 1666. Der an der jüdischen Mystik, der Kabbala, interessierte liberal gesinnte Pfalzgraf Christian August hatte ihnen die Ansiedlung erlaubt, womit die Ausstellung der Thora nun 350 Jahre nach diesem Ereignis stattfindet. Dass es dieses imposante Zeugnis jüdischen Lebens noch gibt, wirkt fast wie ein Wunder, schließlich wurde die Rolle zwei Mal vor der Vernichtung bewahrt. 1822, als bei einem großen Stadtbrand auch die Sulzbacher Barock-Synagoge niederbrannte, wie ein Drittel der Stadt. Und dann am 9. November 1938, als überall die Synagogen geschleift wurden. Da hatte man die Sulzbacher Thora schon nach Amberg gebracht, weil die Sulzbacher Synagoge bereits 1934 aufgelöst worden war. Die Amberger aber hatten einige rituelle Gegenstände bewahrt, indem sie sie ins örtliche Heimatmuseum brachten. Die Amberger Synagoge war dann die erste in Bayern, die nach dem Krieg wieder genutzt wurde. "Egal, wo wir uns befinden, man muss in der Oberpfalz nicht weit gehen, um Spuren jüdischer Geschichte zu entdecken", sagte der in München lehrende Historiker Michael Brenner bei der Ausstellungseröffnung.

Seit 2013 ist das ehemalige jüdische Gotteshaus in Sulzbach nach sorgfältiger Restaurierung ein lebendiger Begegnungs- und Erinnerungsort. Die Stadt hatte das verwahrloste, als Lager genutzte Gebäude von einem Privatmann gekauft. Schon vor drei Jahren gab es eine überraschende Heimkehr. Ein silberner Kiddusch-Becher von 1765 fand seinen Weg zurück aus dem amerikanischen Seattle. Leihweise zwar nur, aber inzwischen steht in Sulzbach eine originalgetreue Kopie. Nach Seattle gebracht hatte das wertvolle Stück 1939 der Sohn des letzten jüdischen Kantors von Sulzbach, Herbert Stein. Dessen Frau Charlotte, eine Münchner Jüdin, übergab den Becher dann einer Synagoge in ihrer neuen Heimat, wo er bis heute in Ehren gehalten wird. In ihren Erinnerungen schrieb sie: "Sulzbach war eine Oase des Friedens, und ich liebte dieses geruhsame Städtchen innig."

Ausstellung geöffnet Mi und So von 14 bis 17 Uhr, für Gruppen auch auf Anfrage.

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