Studium:Augsburg definiert das Medizinstudium neu

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Das Klinikum Augsburg ist ab jetzt ein Krankenhaus, an dem Ärzte ausgebildet werden. In der Forschung will die Uni neue Wege gehen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die Universität beheimatet die sechste Fakultät, die in Bayern Ärzte ausbildet - nach einem ganz eigenen Konzept

Von Anne Kostrzewa, Augsburg

Noch sieht man ihr die Expansion nicht an, und doch ist die Uni Augsburg mitten im Wintersemester bedeutsam gewachsen: Mit der Gründung ihrer medizinischen Fakultät Ende vergangener Woche beheimatet die Universität nun acht Fakultäten. Nach Erlangen, Würzburg, Regensburg und den beiden Münchner Unis wird Augsburg der sechste universitäre Medizin-Standort im Freistaat. Bis zu 100 Professoren sollen hier eines Tages 1500 Studenten unterrichten. Ein Medizinstudium wie jedes andere soll es in Augsburg aber nicht geben. Der Anspruch der Uni ist es, sich von den bestehenden Einrichtungen an Bayerns Unis abzuheben.

Wenn sich zum Wintersemester 2019/20 die ersten Medizinstudenten in Augsburg einschreiben, werden sie fächerübergreifend lernen. Im Lehrplan wird demnach nicht nach medizinischen Disziplinen wie Neurologie, Augenheilkunde oder Pathologie sortiert. Vielmehr sollen Themenkomplexe die Richtung vorgeben: Geht es etwa um die Sinnesorgane, lernen die Studenten alle daran beteiligten Fachbereiche in einem Modul kennen.

Außerdem sollen sie möglichst früh in die medizinische Praxis hineinschnuppern können, indem sie schon in den ersten Semestern Ärzte begleiten und so Einblicke in den Umgang mit Patienten bekommen. Nach der Approbationsordnung für Ärzte, die den Studienaufbau für Humanmedizin bundesweit regelt, sind die ersten vier Semester eigentlich ausschließlich der Vorklinik gewidmet. Das bedeutet für Medizinstudenten viel Theorie - nur im dabei vorgesehenen Praktikum in der Krankenpflege kommen sie in den ersten Jahren mit Patienten in Kontakt.

Auch in der Forschung wird die Uni Augsburg an ihrer achten Fakultät neue Wege gehen. Einen Schwerpunkt bildet die Umweltmedizin. Sie hinterfragt den Einfluss von Umweltaspekten auf die Gesundheit. Umweltmediziner richten ihren Blick etwa auf die Luftqualität, bestimmte Nahrungsmittel oder Stress im Job. "Es geht darum, Risikofaktoren zu definieren und die Auslöser so zu verändern, dass sie dem Menschen weniger oder keinen Schaden mehr zufügen", sagt Claudia Traidl-Hoffmann. "Umgekehrt versuchen wir auch Umweltfaktoren auszumachen, die gesund machen können." Die Medizinerin ist Geschäftsführende Direktorin und Lehrstuhlinhaberin im Forschungsverband Unika-t, den die Uni Augsburg gemeinsam mit der Technischen Universität München und der Ludwig-Maximilians-Universität München trägt. Ein Schwerpunkt ist auch dort die Umweltmedizin. "Das Bewusstsein für diesen Forschungsbereich ist noch nicht besonders stark ausgeprägt", sagt Traidl-Hoffmann. "Umweltmedizin ist vor allem Prävention, während andere medizinische Bereiche erst zur Anwendung kommen, wenn ein Patient krank ist."

Die Uni Augsburg ebnet mit der Umweltmedizin den Weg hin zu einer zukunftsweisenden Gesundheitsforschung. "Der Mensch hat seit dem Aufbruch in das Industriezeitalter Spuren in der Natur hinterlassen, die uns heute krank machen", sagte Uni-Präsidentin Sabine Doering-Manteuffel bei der Gründungsfeier der Fakultät. "Wir sind der festen Überzeugung, dass wir dazu beitragen werden, Antworten auf die drängenden Fragen zu finden, die den Menschen in seiner Existenz betreffen."

Zukunftsweisend ist auch der zweite Schwerpunkt der neuen Fakultät: In der Medizininformatik wollen die Augsburger Wissenschaftler medizinische Daten besser verarbeiten und nutzen lernen. "Datengestützte Entscheidungen werden in der Medizin mehr bewirken, als uns heute bewusst ist", prophezeit die Uni-Präsidentin.

Jens Soentgen, wissenschaftlicher Leiter des Wissenschaftszentrums Umwelt an der Uni Augsburg, sieht bei der Datenverarbeitung klare Schnittstellen mit der Umweltmedizin: "Werden etwa an bestimmten Tagen besonders viele Patienten mit Schlaganfällen eingeliefert, kann das auf Umweltfaktoren wie Wetter oder Luftqualität hinweisen." Umso mehr freut sich Soentgen auf die Kooperation mit der entstehenden Uniklinik. "In einer so riesigen Klinik werden alle Arten von Krankheiten behandelt. Für Studien wie wir sie machen, ist das die ideale Ausgangsbasis", glaubt Soentgen. Er sagt: "Die Erforschung von Gesundheit und Umwelt gelingt nur, wenn man über die eigene Fachkultur hinausblickt." Dafür ist die Uni Augsburg prädestiniert - keine Uni im Freistaat setzt stärker auf interdisziplinäre Fächer und Forschungsprojekte.

© SZ vom 06.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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