Studie attestiert Schweinfurt Wohnungsnot:Hohe Mathematik - nur leider falsch

In Schweinfurt werden bald schon Mietwohnungen fehlen, hat eine Studie errechnet. Münchner Verhältnisse in Unterfranken? Ganz so schlimm ist es nicht, und das hätten die Wissenschaftler auch wissen können - wenn sie die Zeitung gelesen hätten.

Olaf Przybilla

Hans Schnabel ist kein grundsätzlicher Kostverächter, wenn es um wissenschaftliche Studien, Rankings, Städtevergleiche aller Art geht.

George W. Bush kündigt Truppenrückzug an, 2004

Die Ledward Barracks beherbergen zwei schwere Kampfverbände der US-Armee. Auch diese Schweinfurter Kaserne wird von den Soldaten geräumt und schafft Wohnraum und Platz für neue Entwicklungen.

(Foto: dpa/dpaweb)

Wo käme man da auch hin, wollte man die Hervorbringungen von Forschungsinstituten infrage stellen? Etwa, dass es sich bei Aschaffenburg um die glücklichste Stadt Deutschlands handelt. Bei Amberg um die dynamischste Bayerns. Bei Würzburg um die Stadt mit dem höchsten Single-Aufkommen.

Nein, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist, stimmen selbstredend alle diese Zuschreibungen. Bei der neuesten Studie aber ist Schnabel, der bei der Stadt Schweinfurt das Amt für Liegenschaften leitet, skeptisch: In Schweinfurt, will ein Forschungsinstitut nun wissen, sollen bis 2017 exakt 326 Mietwohnungen fehlen. Schön wär's, denn von dort ziehen demnächst 7000 US-Soldaten ab, plus 5000 Angehörige. Eines also droht sicher nicht: Wohnungsnot.

Schnabel sagt, besagte Studie sei "bestimmt hochwissenschaftlich und mit viel Geist" erstellt worden. Immerhin stammt sie vom Eduard-Pestel-Institut aus Hannover, das sich selbst attestiert, mit wissenschaftlich fundierten und langjährig bewährten Methoden zu arbeiten: "Alle unsere Berechnungen basieren auf zuverlässigen Datenquellen und werden nach objektiven und nachvollziehbaren Kriterien durchgeführt", wirbt das "interdisziplinäre Forschungsinstitut".

Ob Zeitungslektüre auch dazu gehört, weiß Schnabel nicht. Umso mehr weiß er, dass die für alle Regionen Deutschlands erstellte Studie in Bezug auf Schweinfurt zwar höchsten Ansprüchen genügen mag - "im Ergebnis aber totaler Schwachsinn ist".

Vier Kasernen in Stadt und Kreis Schweinfurt werden bis 2014 leer stehen, Schnabel ist derzeit mit Konversionsplänen eingedeckt. Allein in einem US-Wohngebiet werden 700 Wohnungen frei, zusätzlich 60 Offizierswohnungen. Als im Februar die Abzugspläne bekannt wurden, ging in Schweinfurt sogar die Angst um, der Immobilienmarkt könnte zusammenbrechen.

Schnabel kann da Entwarnung geben: Die Industriestadt ist eine Einpendlerkommune, wenn die Mieten in den nächsten Jahren nicht steigen, könnte das Pendler zum Umzug in die Stadt bewegen. In stadtnahen Kommunen im Landkreis aber, sagt Schnabel, dürfte man den Wegzug von 12.000 Menschen wohl sehr empfindlich zu spüren bekommen.

Die große Studie "Mietwohnungsbau in Deutschland" wurde übrigens unter anderem vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel und der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau in Auftrag gegeben - Institutionen, die ein Interesse am Wohnungsbau haben könnten.

Das aber soll nicht der Grund sein für den kuriosen Fehlgriff in Schweinfurt. Matthias Günther, Vorstand des Instituts, erklärt ihn anders und versucht erst gar nicht, den Lapsus schönzureden. "Das lässt sich absolut nicht halten", räumt er ein. Und lacht dabei. Man habe für 413 Regionen "ein mathematisches Modell" zugrunde gelegt - und gebe man die Zahlen aus Schweinfurt ein, komme da eben ein Fehlbetrag von 326 Wohnungen heraus.

"Schlicht nicht möglich" sei es, "in das Modell alle Besonderheiten der Regionen einzurechnen." Etwa so was wie den Abzug von US-Truppen.

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