Studentin verschwunden:Maya verzweifelt gesucht

Mitten in Nürnberg ist eine Kunststudentin verschwunden - ihre Freunde fahnden nun mit allen Mitteln nach ihr.

Roman Deininger

Das Letzte, was man hat von Maya Pikowski, ist das Signal ihres Handys. Es war 16.27 Uhr am 10. Dezember, als es erlosch. Sarah Schmidt legt ein knittriges Blatt Papier auf den Kaffeehaustisch, ein Stadtplan von Nürnberg.

Studentin verschwunden: Maya Pikowski ist am 10. Dezember in Nürnberg verschwunden. Auf der Seite www.maya-vermisst.de suchen ihre Freunde nach ihr.

Maya Pikowski ist am 10. Dezember in Nürnberg verschwunden. Auf der Seite www.maya-vermisst.de suchen ihre Freunde nach ihr.

(Foto: Foto: www.maya-vermisst.de)

Sie hat eine Linie um den Bereich gezogen, in dem das Telefon der Kunststudentin zuletzt geortet wurde: mitten in der Innenstadt, mitten im vorweihnachtlichen Trubel. Hier, draußen vor der Tür im Regen, irgendwo zwischen Lorenzer Straße und Rathenauplatz, muss Maya Pikowski das Handy ausgeschaltet haben. Hier verliert sich ihre Spur.

Trotzdem ist Maya Pikowski überall in Nürnberg in den letzten Tagen des Jahres, in Schaufenstern und auf Straßenlaternen. Dafür hat Sarah Schmidt gesorgt. Hunderte Flugzettel haben sie und andere Freunde der Vermissten ausgehängt. Passanten bleiben davor stehen und werfen die Stirn in Falten.

Die Zettel zeigen eine schlanke junge Frau mit hellbraunen Haaren und blauen Augen. Einer der Zettel klebt am Eingang der schicken Suppenküche in der Lorenzer Straße, in der die 26-Jährige zuletzt gesehen wurde. Mit einem Studienfreund hat sie an einem der Stehtische gegessen am 10. Dezember. Nachher ging er nach rechts zur Kunstakademie. Sie ging nach links, nur soviel weiß man sicher.

"Ich muss etwas tun"

Alles, was sie weiß, hat Sarah Schmidt in ein rotes Schulheft geschrieben, DIN A5, karo. Dass Maya an jenem Tag wohl einen dunkelbraunen Pullover und einen Wollschal trug. Dass sie ihr Geld immer in einem kleinen Stoffbeutel aufbewahrte. Dass sie ein silbernes Fahrrad hatte, auf das ein Vorbesitzer mit blauen Buchstaben den Namen "ANDY" geklebt hat. Und dass das Rad jetzt auch weg ist.

Sarah Schmidt kennt Maya Pikowski, seit sie beide 14 waren, seit sie im schwäbischen Krumbach in dieser ganz besonderen Wohngemeinschaft lebten, zwei Mütter und ihre beiden Teenager-Töchter. Sarah Schmidt ist Übersetzerin für Spanisch, aber das Verschwinden ihrer besten Freundin hat sie zur Detektivin gemacht. Sie und zehn andere Freunde.

Bei der Kriminalpolizei Schwabach sucht die Soko "Maya" nach der Vermissten. Nebenher suchen die Freunde selbst. "So ein Engagement ist außergewöhnlich", sagt ein Polizeisprecher. Die Helfer haben eine Webseite eingerichtet (www.maya-vermisst.de), und die, die von außerhalb kommen, haben sich in Nürnberg eine Bleibe gesucht. Sarah Schmidt lebt in München, sie hat es nicht mehr ausgehalten dort. "Ich muss etwas tun", sagt sie, "sonst drehe ich durch".

Am Anfang hatte sich niemand Sorgen gemacht. Als sich Maya Pikowski nicht mehr meldete, hatten sie alle gedacht, sie sei wohl zu ihrem Freund geflogen, der ein Auslandssemester in Spanien absolvierte. Am 19. Dezember kam der Freund zurück nach Deutschland - von Maya hatte er nichts gehört.

Auch die Mitbewohner ihrer Künstler-WG in einem großen Haus in Röthenbach vor den Toren Nürnbergs hatten sie nicht mehr gesehen. Auch sie glaubten, Maya sei verreist. Bisher hatte sie der WG aber stets einen Zettel hinterlassen, wenn sie wegfuhr. Diesmal war da kein Zettel.

Sarah Schmidt und die anderen schrieben Mayas Facebook-Freunden, sie riefen jeden an, der etwas wissen konnte, auch Dutzende Krankenhäuser. Niemand wusste etwas. An diesem Punkt, sagt Sarah Schmidt, sei die Angst in ihr hochgestiegen. Die Mutter meldete die Tochter als vermisst.

Am 23. Dezember stand Sarah Schmidt in Mayas Röthenbacher WG-Zimmer. Das Fenster war offen, Reisepass und Kulturbeutel waren da, und auch das kleine Adressbuch, ohne das Maya niemals auf Reisen gehen würde. Sarah Schmidt war sofort klar, dass ihre Angst Grund gehabt hatte.

Sarah Schmidt kann sich nicht vorstellen, dass Maya sich etwas angetan hat, keiner der Freunde kann das. Noch Anfang Dezember habe Maya sie in München besucht, sie sei glücklich gewesen wie eh und je: "Die Kunst ist ihr Weg", von der Holzbildhauerlehre in Oberammergau bis zum Studium an der Nürnberger Kunstakademie. Sarah Schmidt sagt: "Sie ist da auch richtig gut drin."

Polizei hat eine Spur

Also sind die Freunde Mayas Wege abgelaufen, auch den von der Suppenküche zum Hinterhofkino "Meisengeige", wo sie am Tag ihres Verschwindens einen Film ansehen wollte - ob Maya wirklich da war, ist noch nicht geklärt. In Röthenbach haben sie den Wald durchstreift, der an die Künstler-WG grenzt. Sie sind die nahe Pegnitz entlang gelaufen, bis nach Fürth, und dann die gleiche Strecke noch einmal mit dem Kanu abgefahren. Sie haben nichts gefunden.

Dafür hat nun die Polizei eine Spur, sie führt nach Hessen. Ein Autofahrer gibt an, eine Frau, die der Beschreibung entspricht, am Montag von Göttingen nach Kassel mitgenommen zu haben. Sie sei in Begleitung eines "fahrenden Handwerksgesellen" in traditioneller Kluft gewesen. Möglicherweise, teilte die Polizei am Mittwochnachmittag mit, hielten sich die beiden Personen in der Stadt Korbach im Landkreis Waldeck-Frankenberg auf.

Die Polizei fahndet, doch Sarah Schmidt sagt, sie habe die Hoffnung fast aufgegeben. "Einfach abhauen", das passe nicht zu ihrer Freundin Maya. "Das würde sie uns sicher nicht antun."

Hinweise an die Kriminalpolizei Mittelfranken unter Telefon (0911) 2112 3333.

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