Streit in der CSU:Sturmtief Horst

Plenarsitzung im Landtag

"Das widerspricht in allen Facetten meiner politischen Auffassung": CSU-Chef Horst Seehofer ist gar nicht zufrieden mit seiner Landtagsfraktion.

(Foto: dpa)
  • Mit einem Rundumschlag hat Ministerpräsident Seehofer die CSU-Fraktion düpiert.
  • "Beispiellos", "demütigend", "beleidigend", sei das Verhalten des Parteichefs gewesen, beklagen sich Abgeordnete.
  • Andere verlangen gar eine Entschuldigung vom Regierungschef.

Von Wolfgang Wittl

Die gute Nachricht für die CSU: Die Fraktionssitzung am Mittwoch ist ausgefallen. Die schlechte: aus traurigem Anlass. Zahlreiche Abgeordnete fuhren zur Beisetzung des früheren Justizministers Manfred Weiß, den Fraktionschef Thomas Kreuzer als leuchtendes Beispiel für den Zusammenhalt in der Landtagsfraktion würdigte. Weggefährten haben dem ehemaligen Minister nun die letzte Ehre erwiesen - und Weiß seiner Fraktion einen letzten Dienst, wenn man so will.

Dass die Fraktionssitzung abgesagt wurde, wird in der CSU keineswegs als Verlust betrachtet. Es sei sogar besser so, wer wisse, was sich sonst entladen hätte. Denn der Zusammenhalt zwischen der Fraktion und ihrem Mitglied Horst Seehofer, überdies Ministerpräsident und Parteichef, hat seit Dienstag gewaltig gelitten, das Nachbeben wird noch lange zu spüren sein. "Beispiellos", "demütigend", "beleidigend", sei Seehofers Verhalten gewesen, beklagen sich Abgeordnete, manche verspüren "fast eine Endzeitstimmung" wie am Ende der Ära Edmund Stoiber. Andere verlangen gar eine Entschuldigung vom Regierungschef.

Seehofer und seine Fraktion beharken sich nicht zum ersten Mal, doch selten ist der Streit so eskaliert: Seehofer rüffelte die Fraktion am Dienstag ja nicht nur wegen deren Plänen zum Kommunalwahlrecht, von denen vor allem die CSU profitieren würde ("das widerspricht in allen Facetten meiner politischen Auffassung"), auch bei der Reform des Gymnasiums ging er auf Konfrontation. Den Fragenkatalog, den CSU-Bildungspolitiker ans Kultusministerium schickten, soll er im Kabinett als eine "Art Scheidungsurkunde" bezeichnet haben. Nicht mal die Opposition kriege so etwas so gut hin wie die eigene Fraktion. Auch davon, dass die Entscheidung über ein acht- oder neunjähriges Gymnasium völlig offen sei, wie Fraktionschef Kreuzer vergangene Woche wissen ließ, kann wohl keine Rede mehr sein: Seehofer setzte nun einen Kabinettsausschuss ein, der gezielt auf ein G 9 mit Überholspur hinwirken soll. Die Fraktion fühlt sich entmachtet.

Seehofer fordert beim Gymnasium eine schnelle Lösung, weil er überzeugt ist, dass die Bevölkerung das ständige Hin und Her nicht mehr verstehe. Und bei der Wahlrechtsreform will er jeden Anschein vermeiden, die CSU habe sich wieder mit dem Virus der Machtarroganz infiziert. Dahinter verbirgt sich jeweils ein grundsätzlicher Konflikt: Seehofer lehnt alle Entscheidungen ab, die den Wahlerfolg der CSU gefährden könnten. Dass die Fraktion oft nur das Sachthema sieht, aus seiner Sicht jedoch die politischen Folgen außer Acht und den Weitblick vermissen lässt, treibt ihn zur Weißglut. Dann kommt es zu Szenen wie am Dienstag im Landtag, als er von "Blindflug" und "Kindergarten" spricht.

Selbst kritische Abgeordnete gestehen zu, dass der Chef in der politischen Bewertung vermutlich richtig liege. Doch sie zeigen sich fassungslos, mit welcher Vehemenz Seehofer in aller Öffentlichkeit auf die eigenen Leute losgehe. "Er düpiert die, die ihn wählen sollen", sagt ein CSU-Mann und vermutet, dass Seehofer bereits einen Sündenbock suche, falls die Wahlen schiefgehen. Womöglich will er seine Fraktion aber auch nur disziplinieren. Er werde die Verantwortung jedenfalls nicht übernehmen, sollte die Wahlrechtsreform kommen, erklärte der Ministerpräsident.

Die Intervalle der Auseinandersetzungen werden kürzer

Der Zorn in der Fraktion wächst auch deshalb, weil Seehofer inzwischen wie ein Stichwortgeber für die Opposition agiere. Als am Mittwoch im Innenausschuss die Beratungen zum Kommunalwahlrecht verschoben wurden, zitierten Politiker von SPD, Freien Wählern und Grünen genüsslich Seehofers Worte - als Kontrapunkt zur Haltung der CSU-Fraktion. SPD-Mann Paul Wengert machte sich den Spaß, den Ministerpräsidenten für die geplante Anhörung als Sachverständigen vorzuschlagen, denn der habe "sich ja als ausgewiesener Sachkenner des bayerischen Wahlrechts erwiesen". Zum festen Rede-Repertoire der Opposition gehört bereits Seehofers Spott über seinen Rivalen Markus Söder - wer täglich einen Förderbescheid verteile, sei noch lange kein Stratege.

Der Konflikt mit Söder, der Streit über eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen, über einen dritten Nationalpark, über das Gymnasium und die Wahlrechtsreform: Die Intervalle der Auseinandersetzungen werden kürzer. Abgeordnete rätseln, worüber Seehofer und Kreuzer bei ihrem wöchentlichen Frühstück eigentlich reden. Jeden Dienstag vor der Kabinettssitzung treffen sie sich, diesmal hatte Seehofer abgesagt. Das Verhältnis der beiden sei merklich abgekühlt, sagen Beobachter.

Bislang hat Seehofer die Fraktion fast immer auf seinen Kurs gezwungen, doch das Grummeln nimmt zu. Es sei daher gut, dass auch nächste Woche keine Sitzung stattfinde, findet ein erfahrener Abgeordneter, gleichwohl: "Die Wut kühlt ab, aber die Entfremdung setzt sich fest."

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