Streit in der CSU:Die Partei ist er

Richtungsentscheidungen will Horst Seehofer ganz allein treffen - auch, wenn es um den Europa-Kurs der CSU geht. Seine Brüsseler Abgeordneten stellt der Parteichef in ungewohnter Form und Schärfe bloß.

Mike Szymanski

Für die Europaabgeordneten der CSU war der Mittwoch vergangener Woche ein besonderer Tag. Hoher Besuch hat sich angekündigt. Nun ist es so, dass die Politiker es durchaus gewohnt sind, in Brüssel oder Straßburg wichtigen Staatsmännern zu begegnen, das kommt alle Tage vor. Aber dass ausgerechnet dieser Herr sich bequemte, nach Brüssel aufzubrechen, war wirklich außergewöhnlich: Peter Gauweiler.

Seehofer empfängt Faschingsgesellschaften

Von den CSU-Abgeordneten in Brüssel will sich Parteichef Horst Seehofer nichts vorschreiben lassen - auch nicht den Europakurs der Christsozialen.

(Foto: dpa)

Der glühende Europa-Skeptiker aus der eigenen Partei stellte sich der Diskussion über Europa, über das er so gerne schimpft. Es gibt noch einen anderen Parteifreund, den sich die CSU-Abgeordneten hier ab und zu mal als Gast für Diskussionen wünschen, der aber gar nicht daran denkt, mit ihnen zu reden: Horst Seehofer.

Europas Schuldenkrise ist das beherrschende Thema in Deutschland, und ausgerechnet in diesen bewegten Tagen hat der CSU-Chef seine Brüsseler-Abgeordneten in ungewohnter Form und Schärfe bloßgestellt. Besonders deren Chef, Markus Ferber, 47 Jahre alt und seit 1994 für die CSU in Brüssel. "Der Herr Ferber", sagt Seehofer dieser Tage häufig despektierlich, mit dessen Arbeit sei man nicht zufrieden. Der "Herr Ferber" sei auch "ganz gewiss nicht" derjenige, der über den Kurs der Partei in Europafragen bestimme. Deutlicher kann man dem Mann sein Misstrauen kaum ausdrücken.

Und noch einen anderen Europäer seiner Partei hat er ins Visier genommen: Manfred Weber, 39, Vize-Chef der konservativen EVP-Fraktion und nebenbei Vorsitzender CSU-Grundsatzkommission. Von der, lässt Seehofer durchblicken, kämen ihm zu wenig Anregungen - kein gutes Urteil über das eigentlich als Ideenfabrik angelegte Gremium. Ferber und Weber - in Brüssel sind beide große Nummern. Sie sind die "Euro-Fighter" der CSU, überzeugt von der Idee eines großen und eines starken Europas. Bloß bei Seehofer sind sie unten durch.

Es geht hier um mehr als um Personalien: Seehofer trifft gerade Richtungsentscheidungen. In den vergangenen Monaten hat er sowohl den Befürwortern wie den Skeptikern weiterer Milliardenhilfen für Schuldenländer Freiräume gelassen. Dafür und gleichzeitig dagegen sein - in der CSU ist das eine bewährte Strategie. Für mehr Europa stehen Ferber und Weber, für weniger ein Peter Gauweiler aber auch Generalsekretär Alexander Dobrindt, den Seehofer vorneweg marschieren lässt.

Seehofer hatte bisher ein Auge darauf, dass sich kein allzu großes Lager aus der CSU ausgegrenzt fühlen könnte. Er hat ein gutes Gespür für Stimmungen und wie man sie sich zunutze macht. Der CSU-Vorsitzende hat deshalb dafür plädiert, ab einer bestimmten Größenordnung von Finanzhilfen für Schuldenstaaten das Volk befragen zu lassen. Dabei wollte er vor fast einem Jahr nicht einmal seine CSU über Rettungshilfen abstimmen lassen. Dobrindt hatte diese Idee, damals fand Seehofer sie aber schlecht. Er wollte auch Kanzlerin Merkel nicht in den Rücken fallen. Doch jetzt denkt er plötzlich anders und will gleich das Volk befragen. Aber so macht Seehofer eben Politik, und mit seinen Euro-Fightern bespricht er die schon lange nicht mehr.

Der Mehrheit der acht Abgeordneten in Brüssel reicht es nun. "Wenn hier der Kurs neu bestimmt wird, muss das besprochen werden", sagt Ferber der SZ. Auch mit ihnen, sie seien schließlich "keine Idioten". "Schwer realisierbar", nennt die CSU-Europagruppe Seehofers Vorstoß über eine Volksabstimmung in einer gemeinsamen Erklärung. Das lässt Seehofer unbeeindruckt: Er hat ein Machtwort gesprochen. Künftig bestimmen die Skeptiker den Kurs - und das von München aus. "Ich bin erschrocken über die Auseinandersetzung", sagt der Europaabgeordnete Martin Kastler und schlägt sich auf Seehofers Seite: "Volksentscheide sind der richtige Weg."

Neulich hatte Seehofer zum Europakongress in München in die schöne BMW-Welt eingeladen. Es sollte die Bühne für die Skeptiker werden: Dobrindt durfte reden. Seehofer wollte eigentlich, wurde aber krank. Gauweiler sollte reden, sagte aber ab, weil er nicht einer von vielen Rednern sein wollte. Die Kämpfer für Europa in der Partei, neben Ferber natürlich Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel treffen sich wie für Donnerstagabend geplant, in der glanzlosen, parteinahen Hanns-Seidel-Stiftung.

Das sagt viel aus über das neue Kräfteverhältnis. Von den Brüsselern will sich Seehofer nicht vorschreiben lassen, wie er zu denken hat. "Das wäre ja noch schöner", regt er sich auf. Anderthalb Jahre vor der Landtagswahl hat er die Partei komplett auf sich ausgerichtet. In Berlin hat er die wenig streitlustige Gerda Hasselfeldt als Landesgruppenchefin installiert, seither leisten die Bundestagsabgeordneten nur selten Widerworte. Mit der CSU-Landtagsfraktion unter ihrem Chef Georg Schmid macht Seehofer sowieso was er will.

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