Street View:Google sieht alles

Bilder von Mädchen oben ohne im Park: Google fotografiert bayerische Städte für den Stadtplandienst - und ruft damit Justizministerin Merk und Datenschützer auf den Plan.

Max Hägler

"Jetzt ist Bayern dran", warnt die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU): In den kommenden Wochen fotografiere der Softwarekonzern Google wieder einmal die Straßen und Häuser in Fürth, Ingolstadt, München, Nürnberg, Regensburg und Würzburg. Möglichst bald will Google die detaillierten Panoramafotos dann ins Internet stellen, als Ergänzung des Stadtplandienstes "Maps" - weltweit abrufbar.

Street View: Mit Spezialkameras ausgestattet fahren Autos durch die Städte und filmen die Straßen.

Mit Spezialkameras ausgestattet fahren Autos durch die Städte und filmen die Straßen.

(Foto: Foto: ddp)

"Ein virtueller Spaziergang per Mausklick durch die Städte, das scheint ein toller Service zu sein", sagt Merk. Aber das Projekt berge datenschutzrechtliche Probleme; von "Google-Paparazzi" spricht sie sogar. Tatsächlich gibt es in anderen Ländern, wo der Service namens "Street View" bereits läuft, immer wieder kompromittierende Fotos: Mädchen oben ohne im Park, Leute beim Schaufensterbummel vor dem Sexshop.

"Gesichter, Autokennzeichen und Hausnummern dürfen nach datenschutzrechtlichen Bestimmungen nicht erkennbar sein", betont Merk. Doch die Umsetzung dieser Forderung erweist sich als schwierig.

Fotos komplett ungepixelt

Der zuständige Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar aus Hamburg - die Deutschlandvertretung von Google sitzt in der Hansestadt - streitet seit Wochen mit dem US-Konzern. Caspar fordert, ein Bürger müsse die Möglichkeit haben, sämtliche Bildinformationen über sich unkenntlich zu machen. Für das Programm selbst ist das möglich, indem ein Betroffener eine E-Mail an das Unternehmen schickt.

Allerdings werden die Rohdaten der Fotos komplett ungepixelt in den USA aufbewahrt - auch im Falle eines Widerspruchs. "Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass die Daten künftig auch zu anderen Zwecken verwendet werden", warnt Caspar. Die deutschen Behörden würden zwar auf eine komplette Löschung drängen, der Konzern weigere sich allerdings, wie eine Videokonferenz gezeigt habe.

Nun will Caspar im Auftrag seiner Länderkollegen versuchen, "das limitierte Instrumentarium des Bundesdatenschutzgesetzes" anzuwenden und eine Löschanordnung zu erlassen. Den Kommunen rät er "eigenständig zu prüfen, ob zur Sicherung des informationellen Selbstbestimmungsrechts ihrer Bürgerinnen und Bürger die rechtswidrigen Kamerafahrten künftig untersagt werden müssen". Die Erfolgschancen sieht Caspar allerdings als gering an, vor allem weil ein langwieriger verwaltungsrechtlicher Weg zu gehen wäre.

Tatsächlich reagieren die bayerischen Städte zurückhaltend. Fürth und Nürnberg protestieren nicht gegen die Autos mit der Kamera. Auch Regensburg sieht für den Einzelnen und die Kommune "kaum Möglichkeiten". München hat im Januar ein Vorgehen gegen die Kamerawagen abgelehnt. Zum einen gebe es viele Münchner, die ein Interesse daran hätten auffindbar zu sein. Zudem könne ein Verbot als Bevormundung missverstanden werden.

Würzburg bewertet die Internetaufnahmen gar als "tollen Service für die Touristen von morgen". Bei der Frage des Umgangs mit den Persönlichkeitsrechten der Bürger vertraue man auf die "Kompetenz und Sensibilität im Hause Google". Was die Ingolstädter nicht verstehen. "Den hohen touristischen Werbeeffekt zweifle ich an, die Bedienung ist aufwendig", sagt Stadtsprecher Gerd Treffer. "Bei uns überwiegt die Skepsis, wir warten die Ergebnisse der ersten Klagen ab."

Nackt am Schwimmbad

Einer der bereits gegen Bildaufnahmen durch Google vorgeht, ist der Frankfurter Rechtsanwalt Jürgen Ronimi. Wobei er nicht so sehr die Straßenperspektive im Blick hat, sondern die Satellitenaufnahmen, die Google in seinem Programm "Earth" anbietet.

"Street View ist kritisch, aber Earth ist noch viel schlimmer", sagt Ronimi. Seinen Angaben zufolge können bei Google Earth zahlende Kunden mittlerweile monatlich aktualisierte Satellitenaufnahmen bekommen. Per Zoomfunktion kann der Programmnutzer von oben in die Gärten der Nachbarn schauen - ob in München, Würzburg oder eben Frankfurt.

"Wenn ich da als relativ bekannter Anwalt nackt am Schwimmbad stehe, dann macht mich das lächerlich", warnt Ronimi. Die Zurückhaltung in bayerischen Städten kann er nicht verstehen. "Den Leuten ist die Tragweite dieser Aufnahmen nicht bewusst."

Seine Gegenstrategie: Abwarten, bis der Google-Satellit ein Foto von seinem Garten macht, Personen inklusive. "Sobald ich zu sehen bin, sind sie dran und bekommen unter Berufung auf Paragraph 201 des Strafgesetzbuches eine Unterlassungserklärung", kündigt der Rechtsanwalt an.

Etwas anderes bleibt auch nicht. "Wir können kaum etwas machen, wenn aus dem All jemand in einen hessischen oder bayerischen Garten fotografiert und das auf einem US-Server bereitstellt", erklärt Datenschutzexperte Kaspar. "Ich halte das auch für unbefriedigend, aber das ist leider vieles im Datenschutz."

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