Straubing:Schmerzhafter Abschied

Straubing: Mittelpunkt: Die Karmelitenkirche bildet mit ihren historischen Preziosen seit Jahrhunderten einen Hort der Ruhe in der Straubinger Innenstadt.

Mittelpunkt: Die Karmelitenkirche bildet mit ihren historischen Preziosen seit Jahrhunderten einen Hort der Ruhe in der Straubinger Innenstadt.

(Foto: Imago)

Das Karmelitenkloster ist so etwas wie die Seele der Stadt Straubing. Jetzt steht dieser Glaubens- und Ruhepol vor dem Aus

Von Hans Kratzer, Straubing

Nachdem es die Stadt Straubing fast 650 Jahre lang geprägt und beseelt hat, steht das Karmelitenkloster nun vor dem Ende. Pater Dieter Lankes, der Provinzial der Karmeliten, hat bestätigt, dass der Orden das geschichtsträchtige Kloster nicht mehr weiterführen könne: "Es sind einfach keine Mitbrüder mehr da, die wir nach Straubing schicken könnten." Tatsächlich ist die Auszehrung unübersehbar: Von den fünf verbliebenen Brüdern sind zwei schwer krank und der Prior ist schon 85 Jahre alt. Neueintritte gibt es nicht. Die Stadt reagierte besorgt auf diese Nachricht, denn für Straubing wäre das Verschwinden der Karmeliten ein bitterer Verlust, den sich viele Straubinger gar nicht vorstellen können.

Das Kloster bildet seit seinem Bestehen einen wichtigen Glaubens- und Ruhepol in der Straubinger Innenstadt. "Hier geht es um eine jahrhundertelange Tradition", sagt Oberbürgermeister Markus Pannermayr, "die Karmeliten haben die Stadt mit Leben erfüllt, sie waren und sind für viele Bürger Helfer, Ratgeber und Zufluchtsort."

Der Stadtrat sich deshalb an die Provinzleitung der Karmeliten gewendet, um doch noch Möglichkeiten für eine Wiederbelebung des klösterlichen Lebens zu finden. Das scheint aber unmöglich zu sein, zumindest was die Karmeliten betrifft. "In den nächsten Jahren werden wir die Zahl unsere Standorte halbieren müssen", sagt Pater Dieter. Derzeit existieren in der deutschen Provinz acht Konvente mit gut 70 Patres, in Bayern sind das Bamberg (Provinzialsitz), Straubing und Erlangen. Die Karmeliten leiden unter der gleichen Not wie mittlerweile fast alle Orden: Sie sind überaltert, haben zu wenig Nachwuchs und können ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen. Schon viele bayerische Klöster, insbesondere Frauenklöster, mussten aus Nachwuchsmangel ihre Pforten schließen. Zuletzt verließen im Jahr 2014 Salesianer-Schwestern nach 168 Jahren das Kloster Beuerberg. 2013 stand im oberbayerischen Altenhohenau eines der ältesten Ordenshäuser der Dominikanerinnen zum Verkauf. 2012 haben Missions-Benediktinerinnen das Kloster Wessobrunn verlassen.

Die Straubinger Stadtarchivarin Dorit-Maria Krenn erfüllt der Gedanke an den Abschied der Karmeliten mit Wehmut. "Die Karmeliten gehörten einfach zum Stadtbild", sagt sie, "sie waren immer präsent, selbst beim Volksfestauszug." Seit 1368 prägt das Karmelitenkloster ohne Unterbrechung die Stadt Straubing, das Kloster hat sogar die Säkularisation heil überstanden. Aus historischer Sicht ist bemerkenswert, dass es noch ein Relikt des alten Herzogtums Straubing-Holland ist, das von 1353 bis 1425 bestand. Die Klostergründung fiel in die Blütezeit von Straubing, ein einzigartiges Zeugnis aus jener Zeit ist das Hochgrab von Herzog Albrecht II. hinter dem Hochaltar der Karmelitenkirche.

Es hängen so viele einzigartige Traditionen an diesem Kloster, dass man sie auf die Schnelle gar nicht alle aufzählen kann. Zum Beispiel wird bei den Karmeliten jedes Jahr am 12. Oktober ein Gedenkgottesdienst für die vom Herzog ertränkte Agnes Bernauer abgehalten. Ein weiteres Traditionsband ist das Wassersteftenamt, das seit dem 17. Jahrhundert als Dank dafür gefeiert wird, dass die Stadt damals eine kostbare Wasserleitung zum Kloster gelegt hat. Einen Besuch lohnt auch die in der Kirche prangende Nesselmadonna, die eine große Wallfahrt begründet hat. Über ihr hängt sogar noch eine Kanonenkugel als Relikt der Belagerung durch die Österreicher im Kriegsjahr 1742.

Laut Auskunft von Pater Dieter steht noch nicht fest, wann der Konvent abgezogen wird. Zurzeit würden mit verschiedenen Seiten Gespräche geführt, wie es mit der aus dem Herzen von Straubing nicht wegzudenkenden Großimmobilie weitergehen soll. Oberbürgermeister Pannermayr fordert, eine künftige Verwendung müsse die wertvolle kulturelle und historische Bedeutung dieses Objekts nachhaltig sicherstellen und bringt dabei auch die Stadt als Nutzer ins Gespräch. "In besonderer Weise denken wir dabei an die Weiterentwicklung des Hochschulstandortes Straubing." Noch aber ist eine klösterliche Zukunft möglich. Pater Dieter sagt, es könne auch eine Nachbargemeinschaft das Karmelitenkloster übernehmen. "Wir arbeiten fest daran, eine gute Lösung zu finden."

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