Bayern-Ei-Skandal:Auf Eiersuche

Bayern-Ei-Skandal: Gut eine Million Legehennen sind in den Ställen von Bayern-Ei untergebracht - jeweils auf einer Fläche von einem größeren Din-A-4-Blatt.

Gut eine Million Legehennen sind in den Ställen von Bayern-Ei untergebracht - jeweils auf einer Fläche von einem größeren Din-A-4-Blatt.

(Foto: Soko Tierschutz)

Bio-Eier? Freilaufende Hühner? Im niederbayerischen Gäuboden kann man danach lange suchen. Hier dominiert inzwischen die industrielle Landwirtschaft mit all ihren Risiken. Eine Fahrt durchs Land der Mega-Ställe.

Von Christian Sebald und Wolfgang Wittl, Straubing

Die Henne? Oder das Ei? Die Frage, wer zuerst war, lässt sich in Niederbayern noch schwerer ergründen als anderswo. Von beidem gibt es mehr als genug - in einer Zahl, wie sie vor Jahrzehnten undenkbar schien und auch heute gerne verdrängt wird, würden nicht Skandale wie um die Firma Bayern-Ei sie für einen Augenblick in die Öffentlichkeit rücken.

Wer den Gäuboden, Bayerns fruchtbarste Landschaft, auf einer Spurensuche von Norden nach Süden durchzieht, fängt am besten in der Nähe von Mitterfels an. Das Internet verweist auf einen Naturlandhof, dessen Betreiber gesunde Eier sogar zum Verbraucher fährt. Offenbar jedoch nicht die eigenen. Die reichen gerade für den Hausgebrauch, erklärt die Bäuerin. Man besitze nur ein paar Hühner, ein anderer Biohof in der Nähe sei ihr nicht bekannt. Aber vielleicht wisse man im Ort ja mehr.

Ein regionaler Erzeuger? Nein, die Bio-Eier gibts bei Edeka

Durchaus, versichert die Bäckerei-Verkäuferin, sie kenne sich in der Gegend aus. Aber frische Eier vom Hof? "Tut mir leid." Die Metzgerei nebenan könne bestimmt helfen, schließlich verkaufe man dort Eier vom Bauern. Nur heute sind dummerweise alle aus, bedauert die Frau hinter der Wursttheke. Immer dienstags und freitags würden die Eier geliefert, von woher, das weiß sie nicht. Eine freundliche Kundin hilft weiter: "Bio-Eier? Die gibt es gleich hier beim Edeka." Einen regionalen Erzeuger kennt sie auch nicht.

Hoffnung macht eine Werbetafel nach dem Ortsschild, aber nur kurz: "Eibauer" ist darauf angeschrieben. Leider ein Raumausstatter. Also weiter nach Bogen.

Eine Tafel weist den Weg: "Firma Donautal", was für ein wohlklingender Name. Normalerweise werden hier Hähnchen geschlachtet, täglich 250 000 Stück. Doch gearbeitet wird derzeit nur mit großem Gerät. Bagger fressen sich tief in die Erde, Berge von Schutt und verrußte Wände zeugen von einer der größten Feuerkatastrophen dieser Gegend. Vor drei Monaten ist die Großschlachterei, eine der modernsten der Welt, komplett niedergebrannt.

Fachleute vermuten einen dreistelligen Millionenschaden. Der Betrieb gehört zur Firma Wiesenhof und hat dazu beigetragen, dass Landwirte in der Umgebung sich mehr und mehr auf die Aufzucht von Hühnern spezialisieren. 50 Großmästereien mit 120 000 Mastplätzen und noch mehr gibt es in Niederbayern. Viele liefern Nachschub für die Anlage in Hofweinzier, die wieder aufgebaut werden soll.

Eine Ruine - Symbol für den Zustand der niederbayerischen Landwirtschaft

Wie mahnende Zeigefinger ragen Betonsäulen in die Höhe, Umweltschützer sehen in der Ruine ein Symbol für den Zustand der niederbayerischen Landwirtschaft. Nirgendwo in Bayern ist die Industrialisierung weiter fortgeschritten. Zu erkennen ist das etwa an den vielen Maisfeldern, besonders auffällig in den Kreisen Rottal-Inn, Passau, Landshut und Dingolfing-Landau.

Immer mehr Ertrag soll der Natur abgerungen werden. Spargelfelder werden unterirdisch beheizt, um das Gemüse noch früher stechen zu können. Auch bei den Großställen steht Niederbayern an der Spitze. Zu ihnen gehören laut Bundesimmissionsschutzgesetz Anlagen ab 30 000 Masthühnern, 15 000 Legehennen oder 1500 Mastschweinen. Niederbayern hat 133 solcher Ställe. In Franken sind es 62, in Schwaben 58, in Oberbayern und der Oberpfalz jeweils 54. Auch der größte Schweinemastbetrieb im Freistaat mit 6400 Plätzen steht in Niederbayern, in Hohenthann bei Landshut.

Wiesenhof schützt sich vor unliebsamen Blicken - mit einem Sicherheitsdienst

Gleich neben der Wiesenhof-Schlachterei verläuft der Donau-Radweg, ein Tisch und zwei Bänke laden zum Verweilen ein. Auf einem Denkmal steht: "Gott schütze unsere Fluren." Der Betrieb schützt sich lieber vor unliebsamen Blicken. Wer die Baustelle von der Straße aus fotografieren will, bekommt es sofort mit einer aufgeregten Frau vom Sicherheitsdienst zu tun, die telefonisch das Autokennzeichen des Störenfrieds durchgibt. Ob Wiesenhof Werksspionage fürchtet oder generell die Öffentlichkeit, vermag die Frau nicht zu erläutern. Sie verrichte halt ihre Arbeit.

Bayern-Ei-Skandal: Mais, Hallen, Futtersilos: So sieht die Landwirtschaft in Niederbayern aus. Hier ein Betrieb der Bayern-Ei in Ettling bei Wallersdorf.

Mais, Hallen, Futtersilos: So sieht die Landwirtschaft in Niederbayern aus. Hier ein Betrieb der Bayern-Ei in Ettling bei Wallersdorf.

(Foto: Wolfgang Wittl)

Die Suche nach den Bio-Eiern geht weiter. Aiterhofen ist ein Dorf mit großen, stolzen Höfen. Auf dem Giebel einer Garage ist ein Wetterhahn angebracht, doch freilaufende Hühner - Fehlanzeige. Und erst recht kein Hahn, der sich wie im Volkslied seines Lebens freut: "Gickerl, Gockerl, Gickerl aufn Mist, juchhe!" Ein Eierhof sei hier schwer zu finden, sagt ein Mann. Es gebe hier kleine Bauern, die zufällig ein paar Eier übrig hätten, oder eben die großen.

In der Fabrik könnte statt Eiern auch Zement produzieret werden

Bayern-Ei zählt zweifellos zu den ganz großen der Branche. Am Firmenhauptsitz kurz hinter Aiterhofen erhebt sich eine Fabrik, die vom äußeren Anschein nach ebenso gut Zement produzieren könnte. Zwei endlos lange Gebäude befinden sich auf freiem Feld, jede der vier Ecken strategisch günstig mit einem Futtersilo ausgestattet. Ein Metallzaun, Marke Großschlachterei Wiesenhof, soll ungebetene Besucher abhalten. Dasselbe Bild einige Kilometer weiter in Ettling bei Wallersdorf, der größten Anlage von Bayern-Ei: Keine Menschenseele zu sehen, ein Hase schlägt auf einem Feld seine Haken. Beißender Geruch von Hühnerkot erfüllt die Luft, Schilder warnen vor Videoüberwachung.

Es sind die beiden Betriebe, von denen aus Salmonellen in halb Europa verteilt worden sein sollen. Deshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft, deshalb sind vielleicht zwei Menschen zu Tode gekommen. Mit 487 500 (Ettling) und 423 000 Plätzen (Aiterhofen) nehmen sie die Spitzenränge unter den niederbayerischen Legebatterien ein, gefolgt von Aholming mit 192 000 Plätzen. Mehr als eine Million Eier soll die Bayern-Ei-Firmengruppe von Stefan Pohlmann täglich produzieren.

"Hühner-KZ bereiten uns keine Freude"

Die Hennen sind in sogenannten Kleingruppenkäfigen eingesperrt. Tierschützer nennen diese Haltungsform "Gigantomanie der Tierausbeutung". Im zuständigen Landratsamt Dingolfing-Landau heißt es, "Hühner-KZ bereiten uns keine Freude". Die Kleingruppenhaltung hat konventionelle Legebatterien abgelöst, die seit 2010 verboten sind. Statt 550 hat ein Huhn nun 800 Quadratzentimeter Platz zur Verfügung, das entspricht etwas mehr als einem Din-A-4-Blatt.

Bereits im Oktober 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht die Kleingruppenhaltung für "mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt". Gleichwohl ist die Haltungsform noch bis 2025 erlaubt. Nach massiven Protesten von Tierschützern haben die meisten Discounter und Supermarkt-Ketten solche Eier schon vor längerem ausgelistet, so dass sie in Deutschland kaum noch im Verkauf sind. Insider gehen davon aus, dass die meisten Bayern-Ei-Eier in den Export gehen. Dies könnte auch ein Grund sein, warum beim europaweiten Salmonellen-Ausbruch 2014 besonders viele Fälle in England, Österreich und Frankreich gemeldet wurden.

Es gibt doch noch bäuerliche Landwirtschaft

Es gibt auch Bauern, die die Entwicklung mit Sorge sehen. Edith Lirsch zum Beispiel, die in einem Weiler südlich des Rottals lebt. Lirsch und ihr Mann Josef haben sich vor vielen Jahren aus dem niederbayerischen Wachstumswahn ausgeklinkt. Auf ihren Weiden halten sie 15 Mutterkühe und Jungtiere, auf ihren Feldern bauen sie allerlei Gemüse an, auch Erd- und Heidelbeeren . Sie vermarkten all ihre Produkte selbst in ihrem Hofladen. "Natürlich sammeln wir keine Reichtümer an", sagt Lirsch, die auch Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Bayern ist. "Aber wir können gut von unserem Hof leben."

Dass so viele ihrer Berufskollegen ihr Heil im immer schnelleren Wachstum suchen, hat für Lirsch mehrere Gründe. "Bei uns gibt es nicht nur die fruchtbarsten Böden, in Niederbayern standen auch schon immer die größten Höfe." Schweine- und die Geflügelhaltung haben hier eine lange Tradition. Außerdem sind die Bauern vielleicht selbstbewusster. "Wenn sich hier einer einmal in den Kopf gesetzt hat, dass er zu seinen Äckern und seiner Biogasanlage auch noch einen 40 000-Stall für Masthühner braucht, dann wird ihn keiner davon abbringen", sagt Lirsch. Auch wenn der Widerstand im Dorf noch so massiv ist.

Er finde es unmöglich, wie die Hühner in Ettling gehalten würden, sagt der Dingolfinger Landrat Heinrich Trapp (SPD). Doch es geschehe nach geltendem Recht. Er selbst kaufe die Eier beim Biohof. Irgendwo muss es also einen geben.

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