Straßenausbaubeitragssatzung:Warum CSU-Bürgermeister beim Straßenbau gegen ihre eigene Partei stimmen

Rechtsstreit um Straßenausbau

Immer wieder gibt es Streit, wer die Kosten für den Ausbau von Straßen übernehmen muss.

(Foto: dpa)
  • In bayerischen Kommunen müssen laut einer Verordnung die Hausbesitzer mitzahlen, wenn die Straße kaputt ist, in der ihr Eigenheim steht.
  • In vielen Gemeinden führt diese Regelung zu Ärger und Klagen.
  • Auch CSU-Bürgermeister lehnen den Vorschlag ihrer Partei ab, die Kommunen über den Eigenanteil der Haubesitzer selbst entscheiden zu lassen.

Von Lisa Schnell

Wie er es auch betrachtet, Eberhard Siller kommt jedes Mal zum gleichen Schluss: "Des gibt immer Ärger." Seit 1996 ist der CSU-Mann Bürgermeister der Stadt Hof in Oberfranken. Seit 2002 hat er den Ärger, der sich nennt: Straßenausbaubeitragssatzung, kurz "Strabs".

Ist die Straße kaputt, in der ein Eigenheim steht, müssen in Hof die Hausbesitzer mitzahlen. So wie in mehr als 70 Prozent der bayerischen Gemeinden. Tausende Euro kann das den einzelnen Anwohner kosten und so fangen fast immer die Diskussionen an. Ist es wirklich eine Straßenerneuerung oder doch bloß eine Sanierung, bei der die Bürger nicht zahlen müssen? Und: Nutzt die Straße nur den Anwohnern oder allen?

Das Thema sät Unfrieden in den Gemeinden, das zeigen die 123 Prozesse, die gerade bayernweit darum geführt werden. Dabei klagen sowohl Bürger gegen die Beitragsregelung als auch Gemeinden gegen ihre Bürger. Siller kennt den Streit. Und er hat ihn satt. "Wenn es eine weniger streitbefangene Lösung gäbe, wäre es uns recht", sagt Siller.

Zwei Lösungen stehen derzeit zur Auswahl, eine von den Freien Wählern und eine von der CSU. Grüne und SPD verweisen auf den Konsens, auf den sich 2016 eigentlich alle Parteien geeinigt hatten: Die Gemeinden bekamen die Möglichkeit, die Kosten auf mehrere Schultern zu verteilen, indem sie nicht nur die Anlieger, sondern die ganze Nachbarschaft an den Kosten für eine neue Straße beteiligen. Das fanden vor einem Jahr auch noch FW und CSU gut. Jetzt ist das anders, vielleicht auch, weil FW-Chef Hubert Aiwanger das Thema als Wahlkampfschlager entdeckt hat.

Zwei Vorschläge also: Die FW wollen die Strabs abschaffen, Hauseigentümer entlasten und die Kosten über die Kfz-Steuer finanzieren. Das wollen sie mit einem Volksbegehren durchsetzen, dem die Partei am 16. Dezember zustimmen soll. Die CSU dagegen will bei der Beitragsregelung bleiben, den Gemeinden aber mehr Freiheit einräumen. Gerichtsurteile machten deutlich, dass so gut wie alle Gemeinden verpflichtet sind, Beiträge zu erheben.

Mehr als 100 Bürgerinitiativen laufen

Die CSU will ihnen mit einer Kann-Regelung im Gesetz die freie Entscheidung ermöglichen, ob ihre Bürger zahlen sollen oder nicht. Jede Gemeinde soll außerdem bestimmen dürfen, unter welchen Bedingungen Beiträge erhoben werden. Die könnten dann abhängig sein von der sozialen Lage der Anwohner oder bei einer bestimmten Höhe gedeckelt werden.

Welcher Vorschlag bei den Hauseigentümern besser ankommt, lässt sich an den mehr als 100 Bürgerinitiativen ablesen, die wie die FW für die Abschaffung der Beitragszahlungen eintreten. Auch CSU-Bürgermeister Siller aus Hof erhofft sich den Frieden ausgerechnet vom Vorschlag der Freien Wähler. Immer unter der Voraussetzung, dass die Mittel den Kommunen an anderer Stelle nicht fehlten. So sehen das laut Gemeindetag die allermeisten CSU-Bürgermeister.

"Das Gesetz will es so"

Eine Aussage, über die sich Christoph Hammer wundert. Auch er ist bei der CSU und Bürgermeister von Dinkelsbühl in Mittelfranken. Bei ihm habe die jetzige Regelung noch nie zu Verwerfungen geführt, sagt er. Mit unverzinsten Stundungen bekomme man jeden Härtefall in den Griff: "Man muss es den Leuten nur erklären." Nicht erklären könne man dagegen, wenn auch der Mieter mit seinen Steuern die Straßen der Hausbesitzer zahlen soll.

"Das wäre eine Umverteilung von Vermögen von Leuten, die wenig haben zu denen, die viel haben", sagt Hammer. Bei der Neuerschließung einer Straße würden die Anlieger ja auch beteiligt, warum also nicht, wenn die Straße nach einiger Zeit kaputt ist? Schließlich seien sie es, die durch gestiegene Immobilienpreise davon profitierten. Auch glaubt er nicht, dass die vom Gemeindetag errechnete Summe von 150 Millionen Euro im Jahr ausreicht. "Die Gemeinden würden ein Vielfaches fordern", sagt Hammer.

Thomas Kiechle, CSU-Bürgermeister von Kempten im Allgäu sieht das ähnlich und erzählt, wie die Gespräche mit den Hausbesitzern so ablaufen. Da müsste was gemacht werden an der Straße, und nur das Beste, verlangten sie am Anfang. Dann folge die Aufklärung, dass die Anwohner selbst bis zu 80 Prozent der Kosten übernehmen müssen - und schon sei das Nötigste gerade recht. "Wenn wir es steuerfinanziert machen, entsteht ein großer Druck auf die Kommunen, das Straßennetz deutlich auszubauen, und das sind hohe Millionenbeträge", sagt Kiechle.

Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, "es ist so viel Geld da", sagt auch Michael Cerny, CSU-Bürgermeister von Amberg in der Oberpfalz. Und was passiere, wenn das Geld mal richtig knapp wird? Dann hängen die Kommunen am Tropf des Staates ohne die Möglichkeit, selbst Geld einzutreiben, befürchtet Cerny.

Mit dem Vorschlag ihrer eigenen Partei aber sind die zwei CSU-Bürgermeister auch nicht glücklich. Die neue Freiheit, Beiträge zu erheben oder nicht, berge nur weiteren Unfrieden, vor allem für arme Gemeinden wie Amberg. "Wie ich meinen Bürgern erklären soll, dass sie in Regensburg nicht zahlen müssen, bei uns in Amberg aber schon, ist schwierig", sagt Cerny. "Wir können nicht anders, das Gesetz will es so", das scheint auch für Thomas Kiechle aus Kempten das überzeugendere Argument zu sein.

Und so würden auch sie am Ende wohl dem Satz von Bürgermeister Siller aus Hof zustimmen. Wie man es auch dreht und wendet. Wenn Bürger zahlen müssen, heißt das: "Des gibt immer Ärger."

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