Stoiber im Wahlkampf:Von ganzem Herzen teilnahmslos

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"50 Prozent, diese Aufgabe müssen sie bestehen": Stoiber wirbt bestenfalls halbherzig für seine Nachfolger, bei einer Wahlpleite könnte er sich rächen.

Kassian Stroh

Ein Satz nur. Aber einer mit Bedeutung und Vorgeschichte. "Das große Vertrauen, das der CSU und mir immer wieder entgegengebracht wurde, das soll auf beide übertragen werden", bat Edmund Stoiber vor zehn Tagen bei einem Festakt mit Blick auf seine Nachfolger. Es sollen nicht wenige CSU-Spitzenpolitiker gewesen sein, die ihn zu dieser Geste drängten, um vielleicht doch noch ein paar der vielen Irritationen der vergangenen Monate auszuräumen.

Edmund Stoiber (Foto: Foto: Reuters)

Dass er Günther Beckstein und Erwin Huber, die ihn 2007 als Ministerpräsident und CSU-Chef stürzten, mindestens für unfähig hält, sagen viele in der CSU. Dass er ihnen am 28. September eine Wahlniederlage wünsche, aus Rache wie zur Selbstbestätigung gleichermaßen, ist auch zu hören. Nur tue Stoiber alles, dass nicht der Eindruck entstehe, er sei am Ende schuld daran, sagt ein CSU-Abgeordneter. Stoiber selbst sagt zu alledem nichts. Seit einem Jahr ist seine Devise, sich nicht öffentlich ins Geschäft seiner Nachfolger einzumischen. Daran hat er sich erstaunlich konsequent gehalten.

Wie ein Altbauer, der nach der Hofübergabe nicht loslassen kann

"Mich überrascht wirklich sehr, dass er so ein loyaler elder statesman ist", sagt der CSU-Abgeordnete und Stoiber-Gefolgsmann Klaus Stöttner. Die Zurückhaltung des CSU-Ehrenvorsitzenden loben selbst jene Parteifreunde, die vor einem Jahr noch Schlimmstes befürchteten: Wie ein Altbauer, der nach der Hofübergabe nicht loslassen kann, werde Stoiber seinen Nachfolgern ständig in die Parade fahren.

Jede Woche werde er in Interviews seine Sicht zur Lage der Union wie der Nation kundtun. Sein Austragsbüro in der Münchner Wagmüllerstraße werde zur Neben-Staatskanzlei. Nichts davon ist eingetreten. In der Wagmüllerstraße arbeiten heute zwei Sekretärinnen und zwei Beamte. Einer von ihnen kümmert sich allein um Stoibers neues Ehrenamt, den Vorsitz einer EU-Expertentruppe für Bürokratieabbau.

Es brodelt

Das Bild, das der Fußballfan Stoiber für seine Rolle gefunden hat, ist das des "Ehrenspielführers", der am Rande des Feldes steht und seine Nachfolger "nicht mit ungebetenen Ratschlägen überschütten" will. Die Fälle, in denen er sich doch öffentlich äußerte, sind an einer Hand abzuzählen - sie, wie auch seine raren, aber leidenschaftlichen Wahlkampfauftritte lassen erahnen, wie sehr es in Stoiber brodelt.

Ende März zum Beispiel lieferte er sich mit Beckstein ein kurzes Wortgefecht zum Aus des Transrapid. Wenige Tage später ließ er den Vorstand der Oberbayern-CSU wissen, er sei wegen der Führungsmannschaft "in Sorge über das Erscheinungsbild" seiner Partei. Im Juli rüffelte er Beckstein, nie dürfe er die Worte "50 minus X" in den Mund nehmen. "50 Prozent, das ist die Aufgabe, die meine Nachfolger bestehen müssen", sagte er ein paar Tage später im Bierzelt.

Doch mit höchstem Argwohn dürfte Stoiber beobachten, wie seit Wochen diverse CSU-Spitzenkräfte ihm für den Fall eines Wahldesasters schon jetzt die Schuld zuschieben. Sie führen die Überheblichkeit und Brachialität an, mit der Stoiber seit 2003 seinen Reformkurs durchgezogen habe, die von ihm gebrochenen Wahlversprechen, die unnötig lange Übergangszeit von neun Monaten, die es seinen Nachfolgern unmöglich gemacht habe, ein eigenes Profil zu entwickeln.

In dieser Phase trieb Stoiber nicht zuletzt sein Milliardenprogramm "Bayern 2020" voran, das er als Schlager für den Landtagswahlkampf geplant hatte. Dass er aber auch nach seiner Rückzugsankündigung noch detailliert Milliardenausgaben festlegte, nennen inzwischen selbst treue Weggefährten einen Fehler. Weil Beckstein so kein Raum geblieben sei, eine eigene Handschrift zu zeigen. Und da "Bayern 2020" ein Stoiber-Programm ist, fasste es Beckstein stets nur mit spitzen Fingern an.

Diese Fragen gären offenbar in ihm, wie sie es auch in der CSU tun, und sollten sie nach einer Wahlpleite offen zutage treten, dann werde sich Stoiber wehren, sagen Parteifreunde, die ihn kennen. In den Schreibtischen seiner Nachfolger hat er bereits eine Zeitbombe hinterlegt: Im Juli 2007, kurz vor seinem Abtritt, präsentierte Stoiber dem CSU-Vorstand die Ergebnisse einer von ihm in Auftrag gegebenen Umfrage. Bei 58 Prozent stand die CSU damals, fast drei Viertel aller Bayern zeigten sich zufrieden mit der Arbeit der Staatsregierung.

© SZ vom 15.09.2008/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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