Stimmkreis München-Land Süd:Auf Ochsentour von Tür zu Tür

SPD-Bewerberin Natascha Kohnen aus Neubiberg meint es ernst mit ihrem Versuch, ins Maximilianeum einzuziehen. Und ist sich dabei nicht zu schade fürs Klinkenputzen.

Ulrike Steinbacher

Spätsommer in Höhenkirchen, ein strahlend schöner Tag: Ein Mann und eine Frau gehen in der Reihenhaussiedlung an der Lena-Christ-Straße von Tür zu Tür. Wenn jemand auf ihr Klingeln öffnet, stellen sie sich vor: Altbürgermeister Rudi Mailer und die SPD-Landtagskandidatin Natascha Kohnen.

Stimmkreis München-Land Süd: Natascha Kohnen geht im Wahlkampf auch schon mal von Tür zu Tür.

Natascha Kohnen geht im Wahlkampf auch schon mal von Tür zu Tür.

(Foto: Foto: Claus Schunk)

Es ist Donnerstagvormittag, viele Höhenkirchner sind beim Einkaufen, vielleicht auch beim Baden, so dass die Ausbeute der beiden Wahlkämpfer mager ausfällt. "Von was kommen Sie denn?" Ein Fenster im ersten Stock hat sich geöffnet und eine Frau schaut misstrauisch heraus, macht dann aber doch die Tür auf - "wenn's nur die SPD ist". Ein Stück weiter die Straße runter repariert ein Mann im Vorgarten sein Motorrad. Vom SPD-Besuch ist er angetan, schließlich habe er die Partei schon immer gewählt.

Das hört die Kandidatin sicher gern, denn ein bisschen sei das mit den Hausbesuchen "schon so wie die Zeugen Jehovas", gibt Natascha Kohnen zu. "Zum Missionieren komm' ich aber nicht." Deswegen dreht sie ihre Runden vor allem in Gegenden, in denen statistisch gesehen eher SPD-Wähler wohnen. Vier Tage war sie in Pullach unterwegs, in Reihenhaussiedlungen und Geschosswohnungsbauten.

Auch Aying hat sie abgegrast, Unterhaching, Planegg - im Durchschnitt sieben Stunden pro Tag. Von den Märschen in der Sonne hat die Neubibergerin Farbe bekommen - im Gesicht und an den Armen. "Meine Wahlkampf-Bräune", sagt sie.

2000 Hausbesuche

Ende der dritten Augustwoche hatte Kohnen nach eigener Schätzung 2000 Hausbesuche absolviert. Schon daran ist zu sehen, dass sie ihren Wahlkampf sehr, sehr ernst nimmt. Seinetwegen hat sie dieses Jahr den Urlaub mit ihrem Mann Richard und den beiden Kindern Paul, 11, und Hannah, 8, sausen lassen. Die drei gingen segeln auf der Havel, während die Kandidatin die Ochsentour machte. "Ich will gewinnen", sagt die 40-Jährige.

Ihre Chancen auf das Direktmandat im Stimmkreis München-Land Süd sind aber schlecht, es ist seit jeher fest in CSU-Hand. Bleiben die Zweitstimmen: Auf der Oberbayern-Liste der SPD steht die Neubibergerin auf Platz 14. Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren schafften 13 oberbayerische SPD-Politiker den Sprung in den Landtag. Für Natascha Kohnen dürfte es also knapp werden.

Diese Perspektive schreckt sie nicht, im Gegenteil. Seit Mitte April führt Kohnen Wahlkampf, seit Anfang Juni mit einem Aufwand wie für einen Vollzeitjob. Die Zeit dafür hat sie sich mit Mehrarbeit letzten Herbst freigeschaufelt. "Ich will sagen können, ich hab' im Wahlkampf nix ausgelassen", erklärt sie. Und: "Ich hasse es, etwas nicht beantworten zu können." Mit diesem Anspruch muss sich auch ihr Mann arrangieren. Musst du so absolut sein, hat er sie neulich gefragt.

Zuhause in der Josef-Kyrein-Straße in Neubiberg hat der Wahlkampf längst Spuren hinterlassen. Im Garten lehnen Plakatständer mit alter SPD-Werbung. "Der Regen löst den Leim", erklärt Kohnen. "Dann geht das Abziehen leichter." Die Rückbank ihres roten Kleinwagens hat sie in eine mobile Wahlkampfzentrale verwandelt.

Unter der Umhängetasche, in der ein kleiner Teil der 50.000 Wahlprospekte steckt, lugt ein zusammengeknautschter Regenumhang hervor. Er kommt zum Einsatz, wenn es beim Freiluft-Wahlkampf nass wird. Am Infostand in der Einkaufspassage an der Taufkirchner Eschenstraße zum Beispiel, als die Kandidatin schnell noch Unterschriftenlisten gegen Grüne Gentechnik aus dem Auto holen muss, weil die Nachfrage so groß ist. 50 Unterschriften sammelt Kohnen innerhalb einer Stunde, und das bei Gewitterregen.

Das Thema Grüne Gentechnik liegt ihr am Herzen, über den Wahlkampf hinaus. Für ihre Haltung bekommt die Kandidatin auch Kontra: Ein Chemiestudent, der das Risiko für vertretbar hält, gentechnisch veränderte Pflanzen im Freiland auszubringen, verwickelt Kohnen in eine ausgedehnte Fachdebatte.

Überzeugen kann sie den jungen Mann nicht, aber dass sie etwas von der Materie versteht, wird jedem Zuhörer klar. "Ich glaub', man kann mit Sacharbeit viel erreichen", sagt Kohnen. "Die Leute merken, wenn man nur schwätzt."

Natascha Kohnen ist Biologin. Die gebürtige Münchnerin hat an der Uni Regensburg studiert und 1992 ihr Diplom gemacht. In die Forschung wollte sie nicht, sondern wurde stattdessen Lektorin im Bereich Naturwissenschaften beim Oldenbourg-Verlag.

Das Internet ermöglichte es ihr, freiberuflich weiterzuarbeiten, als sie mit ihrem Mann, der damals bei Bertelsmann war, nach Paris zog. "Auf französisch" brachte sie Tochter Hannah zur Welt ("Was ich bei der Geburt nicht verstanden habe, wurde mir pantomimisch vorgespielt"). Heute ist Kohnen, die neben französisch auch englisch und italienisch spricht, selbständig und führt ein Redaktionsbüro, das naturwissenschaftliche Schulbücher für verschiedene Bundesländer erarbeitet.

Von Paris nach Neubiberg

Da liegt es nahe, dass das Thema Bildung ganz oben auf ihrer politischen Prioritätenliste steht. Sie fordert kleinere Klassen, mehr Lehrkräfte, den Ausbau der Ganztagsschule, die sechszügige Grundschule und die Überarbeitung des G8. Außerdem müsse die Landespolitik die Rahmenbedingungen schaffen, damit Familien und Alleinerziehende Beruf und Kinder unter einen Hut bringen könnten.

Die Kleinkinderbetreuung war es, die Kohnen überhaupt mit Politik in Berührung brachte: Als sich die Familie 1999 nach zwei Jahren im 11. Arrondissement von Paris in Neubiberg niederließ, fragte die junge Mutter im Rathaus nach einem Krippenplatz und bekam zur Antwort, so etwas brauche man im Südosten von München nicht.

Ein gutes halbes Jahr später wurde sie nach einer Zufallsbegegnung Mitglied im Wahlkampfteam von Johanna Rumschöttel, die damals für das Bürgermeisteramt kandidierte. Danach ging es Schlag auf Schlag: 2001 trat Natascha Kohnen der SPD bei, wurde bei ihrer ersten Versammlung zur stellvertretenden Ortsvorsitzenden gewählt und ein Jahr später in den Gemeinderat. Etwas anderes als die SPD "wäre nie in Frage gekommen", sagt Kohnen, die Helmut Schmidt schätzt. "Du bist Sozialdemokrat von innen heraus."

Seit Anfang 2003 ist die Neubibergerin Ortsvorsitzende und stellvertretende Unterbezirksvorsitzende, dann fragte Rumschöttel, ob sie nicht für den Landtag kandidieren wolle. Parteiintern setzte sich Kohnen mit 29 von 44 Stimmen gegen den früheren Unterhachinger Bürgermeister Erwin Knapek durch. "Im ersten Moment hat mich der Schlag getroffen", sagt sie dazu. Mit einem so deutlichen Resultat habe sie nicht gerechnet.

Jetzt ist Natascha Kohnen also SPD-Kandidatin, und ob es für den Landtag reicht, wird auch davon abhängen, wie sie im Nachbar-Stimmkreis München-Land Nord abschneidet. Thomas Wiedemann aus Brunnthal, der vor fünf Jahren für die SPD angetreten war, hatte dort nur 380 Zweitstimmen bekommen. Ihm fehlten am Ende 260 Stimmen zum Mandat.

Unterstützung im Norden

An der Zusammenarbeit mit dem Norden wird es bei ihr aber nicht scheitern, glaubt Kohnen. Sie fühlt sich gut unterstützt. Der Ortsverein Unterschleißheim etwa habe sie groß im Wahlkampfblatt vorgestellt. Und Nord-Kandidat Peter-Paul Gantzer "nimmt mich wirklich überall hin mit".

Aber auch wenn sie es in den Landtag schafft, will Kohnen in der Kommunalpolitik präsent bleiben - als Gemeinderätin in Neubiberg. "Das lässt sich vereinbaren", findet sie. Es gehe ihr da um Kontinuität. Den Neubibergern will sie das in den zwei Wochen vor der Landtagswahl persönlich erklären. Dann macht sie ihre letzte Runde Hausbesuche.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: