Staatsbesuche sind in der Politik das, was im Fußball Freundschaftsspiele sind. Man schüttelt einander, weil Fotografen anwesend sind, ausführlich die Hand, tauscht die Vereinswimpel aus und versucht in der nun folgenden Partie den Anschein zu erwecken, als ginge es um etwas, was schon deshalb eine für jedermann ersichtliche Posse ist, weil die Fouls fehlen, die immer dann fallen, wenn es wirklich um etwas geht.
Die Aufgabe der Journalisten besteht darin, die besten Spielszenen hinterher so zusammenzuschreiben, dass es aussieht, als sei es doch um etwas gegangen. Insofern ist die Nachrichtenagentur dapd zu loben, die das Aufeinandertreffen am gestrigen Dienstag um 11:36 Uhr folgendermaßen mit Bedeutung auflud: "Wulff wirbt in Bayern für stärkere Vermittlung von Werten." Näher dran war aber wohl die Meldung von 12:02 Uhr: "Ein Obstler für den Bundespräsidenten."
Der Zweck von Staatsbesuchen ist natürlich nicht die Generierung von Nachrichtenstoff, sondern die Zusammenführung des ausländischen Gastes mit der einheimischen Bevölkerung, die zu diesem Anlass vogelwilde Schnäpse ausschenken und endlich wieder die Tracht anziehen darf, die seit der letzten Wiesn ganz hinten im Schrank hängt. Diese Begegnung hat des Lokalkolorits halber unter freiem Himmel stattzufinden. Die Temperatur spielt hierbei keine Rolle.
Beim Freistaats-Besuch des Bundespräsidenten hatte es fünf Grad unter Null. Bevor sie mit den Einheimischen Obstler trinken konnten, mussten Christian Wulff und Horst Seehofer das für dieses Wetter im Protokoll vorgeschriebene Kleidungsstück anlegen: den Staatsmantel. Es gibt ihn ein bisschen eleganter (dunkelblau, tailliert, knielang bei Wulff) und ein bisschen grobschlächtiger (dunkelgrau, brettgerade, wadenlang bei Seehofer), seine vorzüglichste Eigenschaft aber ist stets dieselbe: Der Staatsmantel könnte in seiner Kompaktheit auch dastehen und Schnaps in sich hineinschütten, wenn gar kein Politiker darin wäre.
Wulff und Seehofer könnten sich derweil in ein nettes Hinterzimmer zurückgezogen haben und das tun, worauf sich mindestens einer von beiden herrlich versteht: ein bisschen foulen.