Start der Skisaison:Was Skiliftbetreiber gegen die Konkurrenz aus Österreich tun

Start der Skisaison: Am Rosskopf hat die Saison schon begonnen. Skifahrer nutzen den ersten Schnee.

Am Rosskopf hat die Saison schon begonnen. Skifahrer nutzen den ersten Schnee.

(Foto: Alpenbahnen Spitzingsee)
  • Die Betreiber von Skiliften freuen sich über den Temperatursturz in der Adventszeit.
  • Naturschützer kritisieren den Bau neuer Lifte und den Einsatz von Schneekanonen in den Skigebieten.
  • Die Umweltverbände wollen ein neues Tourismusmodell, in dem es mehr um Bergwandern und weniger um Skifahren geht.

Von Christian Gschwendtner, Garmisch-Partenkirchen

Es braucht gerade nicht viel, damit Matthias Stauch gute Laune bekommt. Eigentlich nur den aktuellen Wetterbericht: Garmisch-Partenkirchen, minus neun Grad, leichter Schneefall. Schon ist der Chef der Zugspitzbahn begeistert.

Einen Temperatursturz in der Adventszeit, so was erlebt Stauch inzwischen selten. Umso größer ist die Freude, wenn es wieder sehr früh sehr kalt wird. Die Schneekanonen können dann durchlaufen. Das Weihnachtsgeschäft ist gesichert. Zumindest vorerst. Stauch sagt: "Ohne Kunstschnee würden wir hier teilweise keinen Zentimeter mehr Ski fahren."

Eine Beschreibung, die nicht nur auf Garmisch zutrifft, sondern auf fast alle Skigebiete in Bayern. Außer der Zugspitze und dem Nebelhorn liegen sie unter der kritischen 2000-Meter-Grenze. Eine Saison ohne Schnee aus der Maschine? Inzwischen ist das undenkbar. Trotzdem wollen es die Skigebiete noch mal wissen. Sie investieren auch in diesem Jahr viel Geld in die Zukunft.

Stauch sitzt im Vorstand des deutschen Seilbahnverbands. Er kann problemlos aufzählen, was er und seine Kollegen sich Neues einfallen lassen, damit die Skifahrer nicht bald nur noch nach Österreich fahren. Das ist einiges: Am Jenner nimmt man 48 Millionen Euro für zwei neue Sessel- und eine neue Kabinenbahn in die Hand, deswegen bleiben die Pisten für diese Saison ganz geschlossen.

Am Sudelfeld gibt es einen neuen Achter-Sessellift für acht Millionen Euro. Und auf der Zugspitze wird bald die rekordverdächtige Pendelbahn in Betrieb gehen. Sie kostet 58 Millionen Euro, soll in zehn Minuten zum Gipfel fahren und fast 2000 Höhenmeter überwinden. "Das sind mal die Highlights", sagt Matthias Stauch.

An vielen Skiliften steigen die Ticket-Preise

Eine andere Frage ist, wie lange sich der ganze Aufwand noch rentiert. Die Umweltschützer sind skeptisch. "Man erkauft sich hier 15 Jahre Ski-Spaß auf Kosten der Natur", sagt Thomas Frey. Er beobachtet beim Bund Naturschutz die aktuelle Entwicklung. Und er ärgert sich, dass manche Liftbetreiber weiterhin "voll rein investieren", als gäbe es keinen Klimawandel. Frey spricht von "rückwärtsgewandten Projekten". Der Verband Deutscher Seilbahnen spricht vom "Beginn einer neuen Ära".

Klar ist in jedem Fall, dass die Ausgaben schneller wieder hereingewirtschaftet werden müssen. Sonst bleiben die Lift-Besitzer auf ihren Investitionen sitzen. Deshalb steigen auch in dieser Saison an vielen Skiliften die Ticket-Preise um ein paar Euro.

Der Naturschutz-Mann Frey empfiehlt, sich mal im Allgäu umzuschauen. Da hätten die tiefer gelegenen Lifte schon jetzt massive Probleme. Manche kämpfen ums Überleben, manche haben bereits resigniert. Die Alpsee Bergwelt in Immenstadt: zur Ganzjahres-Rodelbahn umgebaut. Die Grüntenlifte in Rettenberg: pleite. Für Frey ist jetzt die Frage, wann die höher gelegenen Lifte dran sind. Lifte, die zwischen 1000 und 1700 Meter liegen. Eine genaue Prognose traut er sich nicht zu. Nur so viel: Allzu lange dauern wird es wohl nicht mehr.

"Aus Naturschutz-Sicht der reinste Wahnsinn"

Ein Kollege von ihm hat sich die Mühe gemacht, die aktuelle Entwicklung in Zahlen zu fassen. Er hat die Schneeangaben des Deutschen Wetterdienstes mit den Schneeangaben aus den Wintersport-Berichten in der Zeitung verglichen. Der Unterschied ist der Kunstschnee-Anteil. In den vergangenen Wintern hat er in Garmisch 30 Zentimeter ausgemacht. Anderswo sieht es ähnlich aus. Die Kunstschnee-Produktion ist in einem Excel-Diagramm eingezeichnet. Sie zeigt steil nach oben.

Die Naturschützer schätzen, dass Schneekanonen in den Alpen mindestens dreimal so viel Wasser verbrauchen wie München im ganzen Jahr. So steht es in der Studie "Der gekaufte Winter". Die Studie ist zwei Jahre alt. Aber Frey glaubt, dass sich die Probleme seitdem eher verschärft hat.

Er hat Fotos vom Riedberger Horn gemacht, wo gerade ein Standort für ein neues Speicherbecken gesucht wird. In der engeren Auswahl sind: ein Hochmoor und ein Quellmoor. "Aus Naturschutz-Sicht der reinste Wahnsinn", sagt Frey.

Es ist der alte Streit. Die Gemeinden wollen ihre Skigebiete ausbauen, um gegen die Konkurrenz aus Österreich überleben zu können. Das ist schon schwierig genug, weil die Konkurrenz Gondeln mit Sitzheizung und Wlan im Angebot hat. Und die Umweltverbände? Sie sprechen vom "Ausverkauf der Alpen". Sie wollen ein anderes Tourismus-Modell. Eines, in dem es mehr um Bergwandern und weniger um Skifahren geht.

Unbestritten ist: Für Kunstschnee wird in Bayern gerade sehr viel Geld ausgegeben. Es ist ein industrielles Produkt, das nicht einfach aus der Schneekanone kommt. Für den Kunstschnee braucht es Pumpstationen, Speicherbecken und Kühlungsanlagen. Die Umweltschützer treibt das auf die Barrikaden. Noch immer ist nicht ganz erforscht, welche Auswirkungen die Zusatzstoffe auf die Natur haben.

Der Kubikmeter Kunstschnee koste ihn mindestens 2,50 Euro, sagt der Garmischer Liftchef Stauch. Da seien noch nicht mal die Kosten für die Pistenraupen und vieles anderes eingerechnet. Um alle Talabfahrten im Skigebiet "Garmisch Classic" offen zu halten, braucht er 500 000 Kubikmeter. Zusätzlich zum natürlichen Schnee.

Wenn der ganz ausbleibt, ist es meist auch zum Beschneien zu warm. In Garmisch schauen sich die Schneemeister den Wetterbericht deshalb sehr genau an. Ein Föhnsturm am nächsten Tag - und der teure Kunstschnee ist wieder weg.

Aktuell sieht es gut aus. Die Schneekanonen laufen seit drei Nächten durch. Die Pisten werden präpariert, das Saisonpersonal eingearbeitet. Am 15. Dezember will Stauch die ersten Lifte in Kreuzeck und Hausberg aufsperren. Für den Radiosender Bayern 1 ist das zu spät. Er hat den Saisonstart bereits vor vier Wochen gefeiert. In Tirol.

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