Städtebau:Würzburg schafft einen komplett neuen Stadtteil

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  • Nach einem alten Flurnamen soll der neue Stadtteil "Hubland" genannt werden. Er liegt direkt oberhalb der Würzburger Altstadt.
  • Hubland hat eine lange Geschichte der militärischen Nutzung.
  • Nun kommt erst die Landesgartenschau in diesem Jahr, danach soll das Viertel in mehreren Bauabschnitten entstehen.

Von Claudia Henzler, Würzburg

Die Stadt Würzburg vergrößert sich sprunghaft. Oberhalb der Altstadt entsteht derzeit ein komplett neuer Stadtteil, in dem langfristig 4500 Menschen Platz finden sollen. Das Areal, nach einem alten Flurnamen "Hubland" genannt, hat eine lange Geschichte der militärischen Nutzung. Es war Exerziergelände, Fliegerhorst, dann Standort einer US-Garnison.

Vom Abzug der amerikanischen Streitkräfte im Januar 2009 wusste die Stadt frühzeitig, sie konnte deshalb schon fünf Jahre vorher mit den Planungen für die Konversion beginnen. Der neue Stadtteil wird dieses Jahr Schauplatz der Landesgartenschau sein, zu der Hunderttausende Besucher erwartet werden.

Konzept

Herzstück des neuen Stadtteils ist ein lang gezogener Park, der dort angelegt wurde, wo früher Flugzeuge abhoben. Um ihn herum werden Wohnanlagen und Einfamilienhäuser gruppiert, sie entstehen in mehreren Bauabschnitten. Nach den derzeitigen Plänen werden auf dem Hubland mehr als 2000 Wohnungen geschaffen, mindestens 60 Prozent als Miet- und Eigentumswohnungen, bis zu 40 Prozent als Eigenheime.

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Nach dem Abzug der amerikanischen Streitkräfte liegt ein Zehntel der Stadtfläche brach. Nun soll ein neuer Stadtteil entstehen mit bezahlbaren Wohnungen, Räumen für Kreatives - und vielleicht sogar einem Konzertsaal.

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Den großen Wohnanlagen ist die Premiumlage am Rand des Parks vorbehalten, damit möglichst viele Bewohner den Blick aufs zentrale Grün genießen können. In den Eigenheim-Siedlungen werden die Häuser auf recht kleinen Grundstücken dicht beieinanderstehen. Denn gewünscht ist ausdrücklich keine Gartenstadt, sondern eine kompakte Bebauung, die insgesamt von Grün umgeben wird. Wegen der Nähe zum Hubland-Campus der Universität Würzburg sind außerdem ein Gewerbegebiet für Forschungseinrichtungen und Ähnliches vorgesehen sowie im Bauabschnitt 6 mehrere Studentenwohnheime.

Landesgartenschau

Würzburg hat sich die Landesgartenschau als städteplanerisches Instrument auf das Hubland geholt. Vom 12. April bis 7. Oktober 2018 können Besucher den zentralen Park, Themengärten, Spiel- und Erlebnisflächen sowie diverse Veranstaltungen auf einem insgesamt 28 Hektar großen Areal erkunden. Für die ersten Anwohner bedeutet die halbjährige Veranstaltung eine enorme Beeinträchtigung, auch weil das Gartenschaugelände eingezäunt wird - doch sie bekommen eine Dauerkarte und profitieren langfristig.

Denn die Stadt nutzt die Gartenschau, um Zuschüsse für wichtige Investitionen zu bekommen: Gut 18 Millionen Euro werden insgesamt für die Anlage des Parks, Gärten und mehrere Quartier- und Spielplätze ausgegeben sowie für ein Aussichtsbauwerk (Belvedere), von dem aus man das Areal überblicken und zur Feste Marienberg hinüberschauen kann. Knapp 9,5 Millionen Euro bekommt die Stadt dafür aus verschiedenen Fördertöpfen.

Komplett selbst aufbringen muss sie dagegen die Durchführungskosten für die Gartenschau: geplante 13 Millionen Euro, etwa für die temporären Gebäude und das Rahmenprogramm. Dieser Betrag soll durch Eintrittsgeld wieder eingenommen werden. Beim letzten Mal - Würzburg war 1990 bereits Gastgeber der Landesgartenschau - hat das gut geklappt. Damals kamen 2,5 Millionen Besucher an den Main.

Architektur

Der neue Stadtteil soll eine "moderne Siedlung" werden, sagt Claudia Kasper. Sie leitet den Fachbereich Stadtplanung im Würzburger Rathaus. So schreibt das Gestaltungshandbuch für das Hubland fast ausnahmslos Flach- und Pultdächer vor. Diese architektonische Vorschrift soll einen Kontrast zu den historischen Bauwerken des ehemaligen Flughafens und Kasernengeländes schaffen, der im Idealfall "reizvoll" wird. Ob nun vor allem Wohnwürfel mit dunklen, raumhohen Fensterrahmen entstehen werden, wie sie derzeit modern sind, bleibt abzuwarten.

Die stadteigene Gesellschaft Stadtbau Würzburg hat jedenfalls mit ihren ersten Häusern genau diese Richtung eingeschlagen. Im Rathaus hat man in dieser Hinsicht jedoch keine Befürchtungen, man rechnet mit einer "lebendigen Mischung". Denn für jede Wohnanlage gebe es einen eigenen Architektenwettbewerb oder Vergleichbares, sagt Stadtbraurat Christian Baumgart. "So kriegen wir maßgeschneiderte Lösungen für jedes Grundstück." Auch die Eigenheimsiedlungen würden nicht zu uniform, denn sie kommen nicht aus der Hand eines Bauträgers.

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Die Einfamilienhaus-Grundstücke werden im Losverfahren an Bewerber vergeben. Jeder Bauherr muss sich dann selbst darum kümmern, wie sein Zuhause entsteht. Es kann also sein, dass sich die Fassaden zweier Doppelhaushälften oder Reihenhäuser deutlich unterscheiden. Hinzu kommen im Bauabschnitt vier mehrgeschossige Wohnanlagen in Holzbauweise, bei denen auch noch besondere Bauträger zum Zug kommen: Genossenschaften und eine Baugemeinschaft, in der die künftigen Eigentümer gemeinsam ihren Wohn- und Lebensentwurf verwirklichen wollen.

Historische Andenken

Die Stadt hat sich entschlossen, "relativ wenige, aber zentrale Gebäude" aus der Vergangenheit des Hublands zu erhalten, wie Stadtplanerin Kasper erklärt - einige davon aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren, etwa zwei Flugzeughallen und der ehemalige Tower. Ein Hangar wurde schon von den US-Streitkräften in eine Sporthalle umgewandelt. Dort und in einem benachbarten Mannschaftsgebäude ist ein Zentrum für Sport, Kultur und Soziales inklusive Jugendzentrum und Kita geplant.

Ein zweiter Hangar wird als Nahversorgungszentrum dienen, in dem die Bewohner von Supermärkten bis zur Apotheke die Bedürfnisse des täglichen Bedarfs decken können. Aus dem Tower wird ein Stadtteilzentrum mit Bücherei und einem Raum für Vereine. Erhalten werden außerdem fünf Mannschaftshäuser, ortsbildprägende Gebäude mit Satteldächern. Dafür wird den Investoren auferlegt, Mehrbettzimmer mit Gemeinschaftsduschen in moderne Wohnungen umzuwandeln.

Wohnungsmangel

Laut Stadtbaurat Baumgart fehlen Würzburg aktuell "mindestens 6500 Wohnungen". Die sollen bis 2030 im gesamten Stadtgebiet entstehen, auf dem Hubland "2000 bis maximal 2500". Ursprünglich waren im neuen Stadtteil nur 1800 Wohneinheiten geplant, dann wurde aufgestockt. Möglicherweise werden die Planungen für die Bauabschnitte 4 und 5, die erst nach der Landesgartenschau verwirklicht werden, noch einmal angepasst, zugunsten von mehr Geschosswohnungsbau.

Bisher sind mindestens 15 Prozent Sozialwohnungen vorgesehen, sogenannte geförderte Wohnungen. Nach Baumgarts Ansicht geht die politische Meinung inzwischen in die Richtung, "die Quote auf 20 zu erhöhen". Von den insgesamt 175 Wohnungen der Stadtbau-Anlage sind etwa die Hälfte Sozialwohnungen.

Zwischenmenschliches

Oft gibt es in Neubaugebieten kaum Gastronomie, gerade mal ein paar Tische im Vorraum einer Bäckereikette. Im Hubland sind zwei Cafés geplant, die zu sozialen Einrichtungen gehören: zu einer Seniorenwohnanlage und zu einem Inklusionsprojekt - ein Haus mit Wohngruppen für Behinderte und Wohnungen für Nichtbehinderte, zu dem auch eine Bäckerei und zwei Arztpraxen gehören. Für die Gartenschau entstehen zusätzliche Gastronomie-Angebote. Zumindest im Belvedere soll eines davon auch danach weiter bestehen. Schulen sind nicht geplant, laut Stadt reicht das Angebot in umgebenden Wohngebieten aus.

Mobilität

Bis 2009 herrschten auf dem Hubland "amerikanische Straßenverhältnisse", danach wurde erst einmal Asphalt beseitigt. Der neue Stadtteil kommt mit einem Drittel weniger Straßenfläche aus, die Erschließung inklusive Leitungen und Kanäle ist dabei schon für das gesamte Entwicklungsgebiet fertig. Im Hubland wurden auch drei Mobilstationen errichtet, hier werden Carsharing und E-Ladesäulen für Räder und Autos angeboten.

Bauträger müssen Carsharing-Modelle mitfinanzieren und bekommen dafür einen Nachlass bei den Stellplatzanforderungen. Die Stadt hofft, dass sie damit ein Angebot schafft, damit die Leute "wenigstens aufs Zweitauto verzichten", wie Stadtplanerin Kasper sagt. Eine Tramlinie ist in Planung, wird aber noch Jahre dauern. Zur Gartenschau wird es eine Buslinie geben.

© SZ vom 17.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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