Splitboard:Auf der Suche nach dem Flow

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Abheben, fliegen, eintauchen: Unten wird das Board in zwei Tourenski zerlegt - schon geht es wieder nach oben. Ein paar Handgriffe am Gipfel, dann geht's wieder in den Pulverschnee. (Foto: oh)
  • Gipfel, wo Tourengeher mit Leichtigkeit hingelangen, sind für Boarder mit ihren Schneeschuhen an den Füßen und dem Snowboard am Rücken lange kaum oder nur mühsam zu erreichen gewesen. Mit Splitboards kommen die Boarder nun nun weniger mühevoll die Berge hinauf und hinab.
  • Die Nachteile der Snowboards, die in der Mitte teilbar sind, gegenüber Tourenskiern liegen zweifelsohne in Preis und Gewicht.

Von Korbinian Eisenberger, Lenggries

Die Finger frösteln. Hier am Gipfel, wo der Wind um das Metallkreuz pfeift, ziehen zwei Männer in Pudelmützen ihre Ski-Felle ab und nesteln an ihren Bindungen herum. Teleskopstöcke, Lawinenschaufel, Skispuren im Schnee.

Ein klarer Fall von Tourengehern, möchte meinen, wer die beiden zuvor den Hang hinaufsteigen sah. Doch Robert Werner und Matthias Baier verständigen sich mit Begriffen wie "fetter Powder" und "geile Line". Und sie tragen Snowboardschuhe.

Oben auf dem Brauneck-Gipfel in Lenggries hat sich ein mattes Weiß über die Felsblöcke gelegt. In den Wochen vor Weihnachten sind hier normalerweise längst Hunderte Skifahrer und Tourengeher unterwegs. Jetzt, wo die Schneeschicht noch nicht einmal die Zehn-Zentimeter-Marke erreicht hat, stapfen jedoch nur vereinzelte Gestalten den Hang hinauf. An Snowboarden ist hier vor Heiligabend nicht mehr zu denken. Eigentlich. Doch unterhalb des Gipfels blitzen zwei grelle Boarder-Jacken zwischen den Latschen hervor.

Snowboarder der ersten Stunde

Robert Werner, 41, und Matthias Baier, 36, sind das, was man als Snowboarder der ersten Stunde bezeichnen würde. Seit er 16 ist, sei er mit dem Board in den Bergen fernab von Liften und Pisten unterwegs, sagt Werner. Den Zottelbart hat er in seiner Jacke verpackt, unter der Mütze lugt ein Ohrring hervor.

Robert Werner beim Zusammenbauen seines Splitboards. (Foto: Korbinian Eisenberger)

"Wir sind immer auf der Suche nach dem Flow", sagt er. Um zu entlegenen Abhängen zu gelangen, ließen er und sein Spezl sich früher sogar ihre Snowboards von einem Schreiner auseinander sägen. "Damit konnten wir wie mit Skiern hinaufgehen", sagt Werner. Oben bastelten sie die Teile wieder zu einem Stück zusammen. Alles für die Jungfernfahrt mit dem Board durch unberührten Tiefschnee.

Die Dreadlocks wippen im Wind

Matthias Baier hat seinen Airbag-Rucksack umgeschnallt, Piepser, Lawinenschaufel, Sonde. Die Dreadlocks des 36-Jährigen wippen im Wind. Normalerweise fangen sich in seinen Haarknoten um diese Zeit längst Schneeflocken und werden zu Eisklumpen. "Grade fehlt total der Flow", sagt er.

Es sind schwere Zeiten für seine Snowboardschule, in der er vor Weihnachten fast alle Splitboard-Führungen absagen musste. Auch für seinen Spezl Robert, dem in seinem Wirtshaus im Tal die Gäste fernbleiben. "Schon bald aber", sagt Werner, "da geht hier der Punk ab."

Wegen des Schneemangels reicht es an diesem Vormittag nur zu einem Materialtest, mit jener Ausrüstung, die bis vor einigen Jahren undenkbar war. Werner erzählt, wie er deshalb meist mit Schneeschuhen oder Kurzskiern durch den Tiefschnee stapfte, das Snowboard auf den verschwitzten Rücken geschnürt. "Eine Plagerei war das", sagt Werner. Gipfel, wo Tourengeher mit Leichtigkeit hingelangten, seien für Boarder kaum zu erreichen gewesen. Da kam es nur gelegen, dass ausgerechnet zwei Bayern daran etwas ändern wollten.

In allem Längen und Formen

1989 meldeten Stefan Schiele und Werner Früh ein Schutzrecht auf dreiteilige Snowboards an und gingen wenig später in die erste Serienproduktion. Fünf Jahre später kam dann eine US-Firma auf die gleiche Idee und ließ das erste zweiteilige Splitboard patentieren. Die Geräte damals waren jedoch kaum ausgefeilt, nur wenige Snowboarder nutzten sie, als sie 2001 auf den europäischen Markt kamen. Und auch Werner und Baier holten ihre geschreinerten Splitboards nur selten aus dem Keller.

Erst vor etwa drei Jahren entschieden sich einige Hersteller schließlich, brauchbare Splitboards in allen Längen und Formen anzubieten. Die neuen Systeme sind so konstruiert, dass die Bindung gleichermaßen für Aufstieg und Abfahrt genutzt wird. Beim Zusammenbauen rasten die beiden Snowboardstücke an mehreren Verbindungspunkten ein.

Die Nachteile gegenüber Tourenskiern liegen zweifelsohne in Preis und Gewicht. "Das muss man mit Fitness ausgleichen", sagt Werner. Für Tiefschneeliebehaber dürfte sich die Investition von 1000 bis 1500 Euro für die Ausrüstung lohnen. In der Abfahrt ist nämlich nur auf Eis-Pisten zu spüren, dass man zwei Teile unter den Füßen hat.

"Der Look gehört dazu"

An eine Abfahrt ist bei diesen Bedingungen nicht zu denken. Werner verstaut sein Board zwischen den Surfbrettern in seinem Kleinbus und wirft die Jacke dazu. Die weite Hose hängt tief. "Wir haben sie schon immer unten getragen", sagt er. Sonderlich geeignet sei Snowboarder-Gewand fürs Tourengehen nicht, räumt Werner ein, eher auf Wärme und Style ausgelegt. "Der Look gehört dazu", sagt er und zieht eine grünes Baseballkappi über. Schwer zu erahnen, dass der Mann mit den tätowierten Armen hauptberuflich Wirt ist.

Die Gaststube des "Altwirts" ist in diesen schneefreien Tagen meistens leer. Werner hat Zeit, bei einem Weißbier von der Splitboarder-Bewegung zu erzählen. Vor einem Jahr gründeten er und Baier in Lenggries das bundesweit erste Splitboard-Festival. 40 Fahrer aus ganz Europa seien dafür angereist. Verdient habe er bei all der Organisation zwar nichts, sagt Werner. Entschädigt habe ihn dafür aber eine Horde "freakiger" Gleichgesinnter, mit denen er bis zwei Uhr früh an den Splitboards schraubte. Es sei "einfach mehr Gaudi, wenn jeder den gleichen Untersatz hat".

Auf dem Brauneck, wo sich das Gras noch immer durch die Schneeschicht bohrt, ist im Januar längst das zweite Festival geplant. Robert Werner lässt seinen Blick noch einmal über das Karwendelgebirge schweifen. "Bald schneit es", sagt er. Dann rechnet er mit doppelt so vielen Splitboardern wie vor einem Jahr. 80 Wintersport-Touristen, von denen kein einziger mit Skiern nach Lenggries kommen wird.

Nähere Infos zum Lenggrieser Splitboard-Festival (23. - 25. Januar) unter www.splitboard-festival.de

© SZ vom 24.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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