Spielwarenmesse:Der Reichsadler im Kinderzimmer

Spielwarenmesse Nürnberg Foto. Peter Roggenthin

Sieht aus wie Lego, ist aber ein Weltkriegssoldat.

(Foto: Peter Roggenthin)
  • Noch bis Montag präsentieren 2800 Aussteller aus aller Welt auf der Spielwarenmesse in Nürnberg ihre Produkte.
  • Merkwürdig ist, dass man häufig auch auf Kriegsspielzeug stößt, Soldaten, Panzer und Kanonen.
  • Könnte das Kinder nicht zu Gewalt anstacheln? Die meisten Händler und Hersteller lächeln diesen Vorwurf weg.

Von Maximilian Gerl, Nürnberg

Aus dem Stand dröhnt Maschinengewehrfeuer. Hydraulik quietscht, der Panzer hebt sein Kanonenrohr, schwenkt, visiert. Ein Knall, ein Blitz. Der Panzer rumpelt weiter, mit täuschend echten Kettengeräuschen, vorbei an dem Mann mit der Fernsteuerung. Die ersten Besucher bleiben stehen, einige können gar nicht genug davon kriegen, wie das rund 20 Zentimeter hohe Modell lautstark über einen Parcours brummt, den Geschützturm dreht und imaginäre Granaten verschießt.

Willkommen auf der Spielwarenmesse in Nürnberg. Mehr als 2800 Aussteller aus aller Welt präsentieren hier bis kommenden Montag ihre neusten Spiel- und Spaßprodukte. Dieses Jahr gelten Roboter, Drohnen oder elektronische Haustiere als der große Trend, daneben gibt viele Klassiker, etwa Baukästen, Plüschtiere, Puppen. Eine bunte Welt. Wer genauer hinsieht, entdeckt dazwischen: Kriegsspielzeug. Pistolen und Gewehre, Soldaten-Actionfiguren, vollbusige Blondinen im Tarnfleck-Minirock und mit Waffe, die vor einer Karikatur von Donald Trump posieren. Und Panzer. Als Modell oder als Bausatz.

Das ideale Spielzeug soll heute kindgerecht sein, lehrreich und pädagogisch wertvoll. Kriegsspielzeug scheint genau das Gegenteil davon zu sein: destruktiv. Die Sorte Spielzeug, die nicht alle Eltern im Haus haben wollen. Weil sie Angst haben, es könnte ihre Kinder zu Gewalt anstacheln.

Hersteller und Händler von Kriegsspielzeug kennen den Vorwurf, die meisten lächeln ihn auf der Messe einfach weg. Sie scheinen zu wissen, dass Überzeugungsversuche sinnlos sind. Letztlich läuft es immer aufs Gleiche hinaus. Entweder hat man ein Problem mit Spielzeugwaffen. Oder man hat keines. Das macht Diskussionen schwierig, einen Kompromiss, irgendwas dazwischen, unmöglich. Nicht alle Mitarbeiter an den Messeständen wollen deshalb etwas zu dem Thema sagen, jedenfalls nicht öffentlich. Einer lacht, halb ungläubig, halb genervt. "Ich habe früher auch Krieg gespielt und bin nicht gewalttätig geworden." Ein anderer sagt: "Es liegt in unserer Natur, mit so etwas zu spielen." Ein dritter: "Im Fernsehen oder am Computer sehen die viel schlimmere Sachen."

Yehuda Sender ist für Armokidz auf der Messe, die Firma hat zwei Neuheiten im Gepäck. Laserschwerter, ähnlich denen aus der Science-Fiction-Saga Star Wars, nur dass sich mit ihnen Kinder statt Jedis bekriegen sollen. Und Lasertag-Pistolen. Die Schützen binden sich dazu Westen um. Die Pistolen schießen sozusagen mit unsichtbaren Laserkugeln, die Westen reagieren auf Treffer. Wer zu viele abbekommt, ist "kaputt", sagt Sender. Game Over.

Sender erzählt, ein Mann kam an seinen Messestand, er rief: "Ihr könnt das nicht verkaufen. Das sind Waffen." Was er ihm geantwortet habe? "Nichts", sagt Sender. Er respektiere diese Meinung. Er selbst habe eine andere. Es sei doch normal, dass sich Kinder zum Spaß duellierten - früher als Ritter mit Holzstöcken, heute mit Laserschwertern und -pistolen. "Besser, sie spielen, als dass sie das irgendwann im richtigen Leben ausprobieren."

Eine der ersten Studien über Kriegsspielzeug stammt aus den 1980er-Jahren. Sie kommt zu dem Schluss, Grundschulkinder könnten Gewalt in der Realität und als Spiel klar voneinander trennen. Krieg gleich Krieg, Spielzeug gleich Spielzeug. Zwei unterschiedliche Ebenen. Andere Studien widersprechen dem, zumindest zum Teil. Kinder lernten im Spiel, gesellschaftliche Normen zu übernehmen, argumentieren sie. Deshalb sei es nicht unwahrscheinlich, dass sie durch Spielzeugwaffen Gewalt als eine Norm verinnerlichten.

Viele Pädagogen und Psychologen raten Eltern, sich über Kriegsspiele nicht zu viele Gedanken zu machen. Das Spiel mit Waffen sei Teil der kindlichen Entwicklung, quasi eine Form des Fangspiels "Räuber und Gendarm". Wobei, das fügen sie dann meist auch hinzu, Kriegsspielzeug aus pädagogischer Sicht sinnlos sei, es also keinen Grund gebe, es zu verschenken.

Hat das Militär in Deutschland ein Akzeptanzproblem?

Das Geschäft mit Kriegsspielzeug läuft offenbar gut. Auf der Messe gibt es mehrere Aussteller, die das Bauklötzchensystem von Lego kopieren, sie heißen Sluban, Cobi oder Cogo. Ihre Steine ähneln denen von Lego, die Figuren auch, aber beim Sortiment gibt es einen Unterschied: Die Lego-Klone haben Kriegsgerät im Angebot. Teils aktuelle "Army"-Fahrzeuge, teils auch historische aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Detailverliebtheit geht bei manchen Herstellern so weit, dass auf den Uniformen der Figuren die Schwingen des Deutschen Reichsadlers zu erkennen sind - die Nazi-Runen lässt man dann doch lieber weg.

Jan Nederlof von Sluban sagt: "Ich verstehe, dass so etwas in Deutschland schwierig ist." Seine Firma stellt auf der Messe ihre neue Weltkriegsserie vor, es gibt allerdings eine Einschränkung: Man kann nur mit Alliierten Krieg spielen. Sluban erziele rund 40 Prozent seines weltweiten Umsatzes mit solchen Militär-Sets, sagt Nederlof. Ein Mitarbeiter von Konkurrent Cogo sagt, ihre Kunden kämen von überall her. Zum Beispiel aus Russland.

Früher galt Kriegsspielzeug in Deutschland als irgendwie normal, Zinnsoldaten gab es in vielen Haushalten. Doch auch damals regte sich Protest gegen diese Art von Spielzeug. Catharina Elisabeth Goethe soll entsetzt gewesen sein, als ihr Sohn Johann Wolfgang sie um eine Mini-Guillotine für ihren Enkel bat. In den 1970er-Jahren machte die Friedensbewegung gegen Kriegsspielzeug mobil. Wer es ins Schaufenster stellte, musste damit rechnen, dass ihm Aktivisten die Scheiben einwarfen.

An einem Messestand hat sich ein Mitarbeiter in Rage geredet. "Letztlich steht dahinter die Frage, wie sehr das Militär bei uns akzeptiert ist", sagt er. Die Vitrinen um ihn herum zeigen originalgetreue Modelle von Kriegsgerät. Gerade Modellbauer, von denen es auf der Messe einige gibt, fühlen sich missverstanden. Viele bieten Militärmodelle an, aber die Szene ist alt geworden, Kinder und Jugendliche begeistern sich heute kaum noch für Modellbau.

Daher sehen sich viele Aussteller aus diesem Bereich weniger als Spielzeugfabrikanten, mehr als Anbieter eines Hobbys. Sie schwärmen von der Herausforderung, Hunderte Teile zusammenzusetzen, sie so zu bemalen, dass sie naturgetreu wirken. Außerdem könne man dabei sehr wohl etwas lernen, heißt es, über die Technik, die hinter den Waffen stecke. Über ihre Geschichte, wann sie zum Einsatz kamen und was sie anrichteten.

Am Stand von Tamiya, wo vorhin der kleine Panzer brummte und schoss, herrscht für einen Moment Ruhe. Feuer eingestellt. Der Mitarbeiter wechselt die Fernsteuerung: Jetzt lenkt er einen Lkw. Vorsichtig zuckelt er damit rückwärts, koppelt den Anhänger an. Mit dröhnendem Motor macht sich der Laster auf den Weg. Die Zuschauer, bis eben noch vom Panzer gefesselt, gehen weiter.

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