Spekulationen über Rückkehr zum G9:Wahlkampf ums Gymnasium

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Je näher die Landtagswahlen in Bayern rücken, desto nervöser wird die CSU angesichts der Schwierigkeiten mit dem achtstufigen Gymnasium. Nun wird sogar über eine Rückkehr zum G9 spekuliert. Ministerpräsident Horst Seehofer dementiert dies, findet aber: Es muss sich etwas ändern.

Tina Baier und Frank Müller

Am Maximilian-von-Montgelas Gymnasium in Vilsbiburg gab es vergangene Woche ein interessantes Treffen. Erwin Huber (CSU), bekannt als vehementer Befürworter des G 8, besuchte Schulleiter Josef Kraus, einen der hartnäckigsten Kritiker des achtstufigen Gymnasiums.

Das G 8 ist auf dem besten Weg, zum Wahlkampfthema in Bayern zu werden. (Foto: AP)

Fast zehn Jahre lang hatten Huber und Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, nicht mehr miteinander gesprochen - auch weil sie sich über die Frage G 8 oder G 9 zerstritten hatten. Im Verlauf des Gesprächs soll Huber laut Kraus gesagt haben: Wir können keine Politik gegen die Eltern machen, und wenn sie unbedingt die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 wollen, müsse man ernsthaft darüber nachdenken.

Nachdem auch im zweiten G-8-Jahrgang unerwartet viele Schüler Probleme mit der Abiturprüfung hatten, wird überall im Freistaat diskutiert, wie es jetzt weitergehen soll mit dem bayerischen Gymnasium. Auch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) treibt das Thema um.

Am Montag traf er sich mit Max Schmidt, dem Chef des Bayerischen Philologenverbands zu einem Vieraugengespräch. Zuerst ne, genaging es um das leidige Thema Unterrichtsausfall, dann kam die Sprache auf die Probleme mit dem G 8. Schmidt schlug Seehofer vor, an großen Gymnasien einen G-9-Zug einzuführen.

In den Städten könnten ganze Schulen die G-9-Option anbieten. "Seehofer hat das nicht kategorisch abgelehnt", sagt Schmidt. Die Weiterentwicklung des Gymnasiums könne viele Optionen haben, habe der Ministerpräsident gesagt.

Am Dienstag erteilte Seehofer Spekulationen, er sei für eine Rückkehr zum G 9, eine Absage. "Das kann ich mir nicht vorstellen", sagte er nach einer Kabinettssitzung in der Staatskanzlei. Anderslautende Meldungen, "sind mir selbst schleierhaft". Er wolle aber "über die Situation beim G 8 reden". Offenbar haben auch ihn die vielen Durchfaller-Quoten beim Abitur besorgt. Er wolle, "dass wir die Qualität erreichen für möglichst viele Schülerinnen und Schüler". Das könne man aber "innerhalb des G 8".

"Wir werden jetzt einfach schauen, dass die Mittel, die wir einsetzen, in der Praxis auch ihre positive Wirkung entfalten." Es gebe mehrere Punkte, über die in der Bildungspolitik zu reden sei. Für diesen Sonntag beorderte Seehofer dazu auch die Bildungspolitiker von CSU und FDP in den dann tagenden Koalitionsausschuss. Er wolle mit ihnen "ernsthaft reden". Das Gremium soll den Kabinettsbeschluss zum nächsten Doppelhaushalt vorbereiten, der in der nächsten Woche bei einer Klausur am Tegernsee fällt.

Eine Partei wird nervös

Der bayerische SPD-Spitzenkandidat Christian Ude, der vor vier Monaten als erster eine Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 gefordert hatte, sagte: "Jetzt ist es höchste Zeit, die Schule nicht als Tummelplatz für parteipolitische Machtdemonstrationen oder ministerialbürokratische Rechthaberei zu begreifen, sondern als pädagogische Einrichtung, die nach pädagogischen Einsichten gestaltet werden muss."

Tatsache ist: Das G 8 ist auf dem besten Weg, zum Wahlkampfthema zu werden, und je näher die Landtagswahlen rücken, umso nervöser wird die CSU angesichts der anhaltenden Schwierigkeiten. Zu den Klagen über die hohe Belastung der Schüler und den vielen Durchfallern im Abitur kommt noch ein anderer Aspekt, den die CSU aber sehr ernst nimmt: Während in den Städten der Run auf die Gymnasien ungebrochen ist, gibt es in vielen ländlichen Gebieten etwa in der Oberpfalz, in Schwaben und in Niederbayern inzwischen so etwas wie eine G-8-Flucht. Realschulen und Berufliche Oberschulen werben offen damit, dass man auf ihrem Bildungsweg das Abitur wie früher in 13 Jahren und ohne Nachmittagsunterricht bekommen kann.

"Mittlerweile gehen sogar schon Schüler, die im Übertrittszeugnis eine eins vor dem Komma haben, auf die Realschule", sagt Kraus. "Es ist schade, dass diesen begabten Kindern der anspruchsvolle gymnasiale Weg vorenthalten wird."

Klar ist, dass niemand das alte G 9, mit seinen Grund- und Leistungskursen in der Oberstufe zurückholen will. Allerdings würden nach Schätzung von Heinz-Peter Meidinger, dem Vorsitzenden des Deutschen Philologenverbands, mindestens zehn Prozent der bayerischen Gymnasien ihren Schülern in der Mittelstufe gerne ein Jahr mehr Zeit einräumen und in diesem Sinne zum G 9 zurückkehren. "Der Aufwand wäre gar nicht so groß", glaubt Meidinger. "Man könnte den Lehrplan im Grunde so lassen wie er ist und den Stoff der 5. bis 10. Klasse lediglich auf ein Jahr mehr umverteilen."

Die Schüler hätten dann mehr Zeit zum Üben und kämen besser vorbereitet in die Oberstufe, deren Konzept man gar nicht ändern müsste.

© SZ vom 04.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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