SPD-Parteitag in Nürnberg:Alles Ude

288 Ja und nur ein Nein - Bayerns SPD kürt in Nürnberg den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. In seiner Rede umreißt Ude, was er im Freistaat ändern möchte - und attackiert die CSU. Besonders hat er es auf Markus Söder abgesehen.

Frank Müller, Nürnberg

Da sind sie wieder, die "Ude-Ude"-Rufe. Nicht allzu laut, aber doch wahrnehmbar schallen sie durch die Nürnberger Messehalle. Vorne hält Christian Ude seine vielleicht wichtigste Rede, nach der er vom Parteitag nun endgültig zum SPD-Spitzenkandidaten nominiert werden soll. Unten im Saal schwenken die 300 Delegierten nicht überschäumend, aber eben doch die Fahnen und runde, rote Pappdeckel. "Genau! Ude" steht auf ihnen. "Genau Hier, Genau Heute", steht auf Udes Podium. Genau wie es vielleicht die Amerikaner machen würden, wenn sie einen Bayern-Wahlkampf zu organisieren hätten. Genau so, oder wenigstens ein bisschen.

Die Bayern-SPD gibt sich an diesem Sonntag auf der Nürnberger Messe alle Mühe, wenigstens einigermaßen auf Augenhöhe mit der ewigen CSU zu agieren. In einer veritablen Messehalle hat man sich versammelt, es gibt allerlei unterhaltsame Präsentationen drumherum, es gibt Hochkaräter wie SPD-Chef Sigmar Gabriel als Einpeitscher. Wer es wohlwollend begreift, der sieht die Bayern-SPD auf dem Weg der Professionalisierung. Wer spöttisch ist, so wie Ude den Großteil seines politischen Lebens gegenüber der bayerischen SPD eingestellt war, der fragt sich, warum die große Jazzband zum Einzug ausgerechnet Beerdigungsmusik aus New Orleans spielt und das noch so falsch.

Wer tags zuvor den wuchtigen Auftritt der CSU auf der Münchner Messe verfolgt hat, der mag zu dem Ergebnis kommen, dass das aktuelle Umfrageergebnis auch das reale Kräfteverhältnis widerspiegelt. Da steht es derzeit 48 zu 20 für die CSU.

Es klingt ein wenig entschuldigend, wenn Parteichef Florian Pronold in seiner Auftaktrede sagt: "Die CSU hat zehn bis 15 Mal so viel Geld wie wir - zwei Millionen zu 34 Millionen für den Landtagswahlkampf." Die CSU gebe "mehr Geld für Umfragen aus als wir für den ganzen Wahlkampf".

"Selbstverständlich ist er ein Traumkandidat"

So steuert der ganze Tag auf Ude als einzigen wirklichen Programmpunkt zu. Neben Gabriel und Pronold spricht auch der Kieler Ex-OB und nunmehrige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Torsten Albig - für Ude direktes Vorbild. Immer wieder gibt es kleine Imagefilmchen, einziger Inhalt: Ude.

Der Privatfunkerfahrene SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher moderiert gekonnt eine Talkshow auf der Bühne, die nicht gerade übermäßig kontrovers verläuft. "Ist das aus Ihrer Sicht nicht einfach ein Traumkandidat?", fragt er die Münchner Mietervereins-Chefin Beatrix Zureck. "Ja selbstverständlich ist er ein Traumkandidat", antwortet diese.

77 Minuten Rundumschlag

Nachdenklich wird es kurz, als Rinderspacher mit Udes Frau Edith von Welser-Ude auf der Bühne steht. Sie habe durch ihr Ja zu Udes Antritt diesen erst ermöglicht. "Wann hast Du dich denn entschlossen, dass er kandidiert?", fragt Rinderspacher raffiniert. "Ich hatte gar keine andere Wahl", sagt Udes Frau, es klingen enttäuschte Lebensperspektiven mit an. "Ich hab' geheult vor Wut", sagt sie - und dann das Private und den Wunsch nach mehr gemeinsamer Zeit abgewogen gegen die politische Perspektive für einen Wechsel in Bayern. Und außerdem habe Alt-OB Hans-Jochen Vogel sie getröstet.

Christian Ude beim Landesparteitag der Bayern-SPD

"Ich hab' geheult vor Wut": Udes Frau Edith von Welser-Ude steht links neben ihrem jubelnden Ehemann. Für seine Kandidatur musste sie private Wünsche platzen lassen - zugestimmt hat sie trotzdem.

(Foto: dpa)

Dann kommt Ude, "der berühmteste und auch erfolgreichste Oberbürgermeister Deutschlands", wie ihn Gabriel rühmt.

Er beginnt so, wie er es noch immer am besten kann, nämlich kabarettistisch. "Man hat mir gesagt, dass ich mich hier erstmal vorstellen soll", witzelt Ude. "Ich bin seit 22 Jahren bei der Stadt München beschäftigt, habe dort immer nur befristete Verträge bekommen und bemühe mich jetzt um einen Bewährungsaufstieg beim Staat."

Sorry, das ist kein Schlaraffenland

Dann spricht Ude 77 Minuten lang, etwa so lange wie sein Gegenkandidat Horst Seehofer tags zuvor beim CSU-Parteitag in München. Es ist eine Tour durch die ganze bayerische Politik, vom "G8-Murks" der CSU in der Bildungspolitik bis zum missratenen Betreuungsgeld, von der Energie über Wirtschaft und Finanzen bis hin zum Versprechen, für das er den meisten Applaus erhält: Unter seiner Führung werde Bayern ein Land auch für die auf der Schattenseite, für die Hartz-IV-Empfänger und die Benachteiligten.

Besonders hat Ude es auf CSU-Finanzminister Markus Söder abgesehen. Der habe sich noch vor einem Jahr für die Kernkraft als sichere und nicht zu ersetzende Stromquelle eingesetzt ruft er, nach dem Desaster von Fukushima sei Söder dann der erste Atomaussteiger gewesen. Ude klingt ehrlich empört über diese "Dreistigkeit". Ude: "Dass der schlechteste Schüler hinterher behauptet, er sei der Lehrer gewesen, brauchen wir nicht hinzunehmen." Er wisse nicht, "wie viel sich der Minister noch erlauben will".

Auch auf manche Vorhaltungen von Kritikern, er entwickle zu wenig Visionen und Versprechungen, geht Ude ein. Das habe System, lässt er durchblicken: "Wir versprechen kein Schlaraffenland." Anders als Seehofer ziehe er nicht durchs Land und sage Konzertsäle und andere Wohltaten zu. "Sorry, damit kann und will ich nicht dienen." Ude: "Ich weiß, Genossinnen und Genossen, dass dies ein wenig karg klingt. Aber es hat sich bewährt."

Am Ende gibt es drei Minuten johlenden Applaus von stehenden Delegierten, die Fähnchen und Pappdeckel werden mit noch ein wenig mehr Verve geschüttelt, die "Ude-Ude"-Rufe werden lauter. Dann wird abgestimmt.

Das Ergebnis ist der ersehnte Vertrauensbeweis der Delegierten: 288 stimmen mit Ja, einer mit Nein. Ude sagt: "Ich bin wirklich überwältigt." Dann wird er noch einmal leicht kabarettistisch. "Ich kann Euch keine Überraschung servieren, ich nehme die Wahl an."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: