SPD-Klausur in Irsee:In Zukunft nur noch zartrot

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Der SPD dämmert bei ihrer Klausur in Irsee, dass sie zwar vorangekommen ist - aber noch nicht weit genug. Spitzenkandidat Christian Ude verordnet seiner Partei deshalb vor der Landtagswahl einen bürgerlichen Kurs. Motto: Nur ja keine Wähler verschrecken.

Frank Müller

Christian Ude kommt spät nach Irsee, der Spitzenkandidat lässt seine Parteifreunde der Landtagsfraktion und die im großen Aufgebot erschienenen Medien warten. Nicht Udes Schuld: Auf dem Weg zum Tagungsort in dem schwäbischen Kloster steckt Ude auf der A 96 im Stau nach einem schlimmen Unfall vor Landsberg. Alle fünf Minuten werden die jeweils neu errechneten Ankunftsdaten aus Udes Navigationssystem an SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher durchgegeben, der sich vor den Klostermauern in der Mittagssonne postiert hat.

"Was gut ist in Bayern, bleibt auch in guten Händen": Das verspricht Münchens OB Christian Ude bei der SPD-Klausur in Kloster Irsee. (Foto: dpa)

13.24 Uhr heißt es erst, 13.23, dann 13.22. "Der Countdown läuft", sagt Rinderspacher und zieht seine Pressestatements vor den aufgebauten Kameras gekonnt in die Länge. Die Fragen werden kritischer, je mehr Zeit vergeht, dann breitet sich die klösterliche Gnade über der SPD aus. Um 13.18 Uhr biegt Udes Wahlkampf-Audi um die Ecke. Er ist da. Gott sei Dank.

Einen Zahn zulegen und einen Gang hochschalten - das ist das Signal, das von diesem Auftakt des Klausur-Reigens der Landtagsfraktionen ausgehen soll. Der SPD dämmert in Irsee, dass sie zwar voran gekommen ist, aber noch nicht weit genug. Um es in der Navi-Terminologie zu sagen: "Bitte folgen Sie dieser Route bis zum Herbst 2013." Dann sind bekanntlich Landtagswahlen, und auch Spitzenkandidat Ude wählt folgerichtig straßentaugliches Vokabular, kaum dass er aus dem Auto ausgestiegen ist: Um einen "ersten Boxenstopp" handele es sich nun bei der SPD-Winterklausur, bei dem man überprüfen könne, wie weit die Partei vorangekommen sei. Entschieden sei noch nichts, mahnt Ude, aber der Wettbewerb laufe gut und die Chancen seien "verlockend". Nun habe man "die nächste Wegstrecke vor sich", sagt Ude: "Wir müssen jetzt noch eineinhalb Jahre lang zulegen."

Um im Bild zu bleiben: Es ist ein dramatisches Kopf-an-Kopf-Rennen um die Macht zwischen CSU einerseits und dem von Ude angestrebten Dreierbündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern. Einen Prozentpunkt liegt die CSU laut Umfrage des Bayerischen Fernsehens vorne, das macht ein Foto-Finish beim Zieleinlauf denkbar.

Die Spur, die die SPD dabei zunächst halten will, macht Fraktionschef Rinderspacher deutlich: Anders als bei der CSU und i hrer schon absolvierten ersten Kreuther Klausur der Landesgruppe, wo es vor allem Personalgezerre um Christian Wulff und Karl-Theodor zu Guttenberg gegeben habe, leiste die SPD Sacharbeit. Das wird auch im Motto deutlich: "Arbeiten für Bayern" heißt das Leitmotiv der SPD im Kloster.

"Das wäre auch mit mir nicht zu machen"

Käme zum Arbeiten noch das Beten, dann wäre der klösterliche Zweiklang perfekt. Doch so formuliert es die SPD nicht. Appellieren freilich wollen Ude und Rinderspacher sehr wohl - nämlich an Geschlossenheit und daran, Regierungsfähigkeit zu demonstrieren. Nur ja keine bürgerlichen Wähler verschrecken - diesen Kurs fährt Ude seit Übernahme der Spitzenkandidatur. "Was gut ist in Bayern, bleibt auch in guten Händen", verspricht er. Da gilt es jedes Sektierertum zu vermeiden, das die Bayern-SPD über die Jahrzehnte klein gemacht hat.

Deswegen versuchen Ude und Rinderspacher auch, jede Debatte über Wirtschaftsfeindlichkeit schon im Ansatz zu ersticken. Industriepolitik ist das beherrschende Sachthema am ersten Klausurtag, und der Wirtschaftssprecher der Fraktion, Thomas Beyer, hatte in der SZ vorab gesagt: "Wir werden höhere Ansprüche an die Industrie formulieren" und davon gesprochen, öffentliche Förderung davon abhängig zu machen, ob sich Unternehmen sozial und ökologisch verantwortungsbewusst verhalten.

Die "befremdliche Tonart" hat Ude offenbar verärgert, auch wenn er die Schuld erst einmal den Medien gibt. "Ich kann nur sagen, wie Industriepolitik in München betrieben wird: Dort siedeln sich Dax-Unternehmen noch an und entwickeln sich prächtig", sagt Ude spitz und fährt fort: "Selbstverständlich kommt weder Bürokratieaufbau in Frage noch eine Regulierung", sagt Ude, "das wäre auch mit mir nicht zu machen."

Doch schon springt die CSU auf das Thema an: "Wenn es nach Ude gegangen wäre, würde Bayern im deutschen Mittelmaß mitschwimmen statt in der europäischen Spitzenklasse zu rangieren", sagt CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt zur SZ. "Deutlicher kann man sich den Mangel an Wirtschaftskompetenz nicht selbst attestieren, als das SPD und Ude damit tun."

© SZ vom 12.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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