Personalien:Die Bayern-SPD blickt "fassungslos" nach Berlin

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Bei der Winterklausur 2018 - hier Martin Schulz und die bayerische SPD-Vorsitzenden Natascha Kohnen - war es vergleichsweise ruhig. Jetzt ist ein Tag ohne Schlagzeilen aus der SPD-Zentrale selten geworden: (Foto: dpa)
  • Die bayerischen Sozialdemokraten sehen die Situation ihrer Partei aus unterschiedlichen Perspektiven - und mit mehr oder weniger Zuversicht.
  • Viele SPDler fürchten durch das aktuelle innerparteiliche Gerangel um Ämter einen Nachteil für die Partei bei der kommenden Landtagswahl.

Von Matthias Köpf, Lisa Schnell, Olaf Przybilla und Wolfgang Wittl, München

Ein Tag ohne Schlagzeilen aus der SPD-Zentrale ist selten geworden. Einmal will Noch-Parteichef Martin Schulz Außenminister werden, dann wirft ihm sein Vorgänger Sigmar Gabriel Wortbruch vor und Schulz wird gar nichts mehr. Wer nun Außenminister sein soll, darüber wird gestritten, genau wie über den Umgang miteinander und die Frage: große Koalition ja oder nein? Grund genug, mal nachzufragen, wie die Genossen in Bayern derzeit nach Berlin blicken und mit wie viel Zuversicht sie in die Landtagswahlen starten.

Eher gering fällt die bei Katharina Räth aus, Unterbezirkschefin in Würzburg. Die Tage als Sozialdemokratin seien "so hart wie noch nie", sagt sie. Ein solches "gefühlsmäßiges Auf und Ab" habe sie noch nicht erlebt. Das Mitgliedervotum zur großen Koalition fühle sich an "wie eine Wahl zwischen Pest und Cholera", sagt die 34-jährige Historikern. Sie selbst will den 180 Seiten dicken Koalitionsvertrag durchlesen und sich danach entscheiden. Wie es auch ausgeht, die SPD werde mutmaßlich bei der Landtagswahl von den Wählern abgestraft. Auch, weil alle nur noch über Posten und Personalien zu diskutieren scheinen, sagt Räth. Dabei böte gerade Markus Söder große Angriffsflächen für die SPD. Aber an Angriff sei bei dem Zustand der eigenen Partei eben schwer zu denken.

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Maximilian Bär, SPD-Vorsitzender in Nürnberg-Zerzabelshof hat sich durchgerungen, für eine erneute Koalition zu stimmen. Bei Neuwahlen sähe er die SPD im freien Fall. Ob sie sich davon wieder erholen könnte, da hat er seine Zweifel. Dass sich Martin Schulz "selbst aus dem Spiel genommen hat", empfindet er als Lichtblick. Und die Bayern-SPD? Mit einem "vernünftigen, ernsthaften Stil gegen den lärmenden Söder" sieht Bär Chancen, "bei der Landtagswahl nicht völlig unterzugehen".

Noch weiter abwärts könne es bei der SPD in Bayern doch gar nicht mehr gehen, sagt Christa Meier, die ehemalige Oberbürgermeisterin von Regensburg. "Die CSU hat ihre innerparteilichen Kämpfe gelöst und kann jetzt getrost in den Wahlkampf gehen", bei der SPD aber gebe es noch einiges zu tun, sagt sie. Wann da Ruhe einkehre? "Nicht abzusehen", sagt sie. Es sei verrückt, dass sich Leute wie Schulz und Gabriel, die bei den Leuten ankämen, gegenseitig fertig machten. Von der These, die SPD könne sich in der Opposition erneuern, hält sie wenig, deswegen will sie der Groko ein Ja geben: "In Bayern erneuert sich die SPD schon seit 50 Jahren." Dass Juso-Chef Kevin Kühnert und seiner Kampagne gegen die Groko so viel Aufmerksamkeit geschenkt werde, versteht Meier nicht. Kühnert führe sich auf wie ein "Alleinherrscher", dabei sei er nur ein "Fratz", wie man früher gesagt hätte.

Es sei doch gut, dass die Jungen ein bisschen aufbegehren, die Meinung hört Thomas Reimer, Bürgermeister von Neustadt an der Donau, auch in der Partei. Er selbst ist dennoch für die Koalition. Beim Wähler komme Uneinigkeit nicht gut an, sagt er. Genau wie die Verwirrung, die Schulz mit seinen ungeschickten Aussagen ausgelöst habe. Dass Gabriel da die Galle hochkomme, kann Reimer gut verstehen. Für ihn kein Grund, ihm das Amt als Außenminister zu verwehren. Jetzt nach einem dritten zu suchen, findet er "unvernünftig".

Gabriel sei immerhin schon eingearbeitet, sagt Petra Beer, Bezirksrätin in Schwaben. Andererseits: Ob jemand, der sich so undiplomatisch verhält, für das Amt des Außenministers geeignet sei? Schulz habe sich einiges selbst verbaut. Die zwei kommen ihr vor "wie kleine Kinder im Sandkasten, denen man die Schaufel wegnimmt", sagt Beer. Sie will dennoch für das Bündnis stimmen. Damit die SPD davon profitiere, müsse sie ihre Erfolge besser verkaufen.

Josef Konhäuser hat in seinen bald 50 Jahren als SPD-Mitglied schon viel erlebt in und mit seiner Partei. Entscheidend für die Landtagswahl sei vor allem ein Ja der Mitglieder zur großen Koalition in Berlin, sagt der stellvertretende Landrat im Landkreis Traunstein. Ein Nein würde sich dagegen auf die Glaubwürdigkeit der Bayern-SPD "sehr, sehr negativ" auswirken, sagt Konhäuser, um nicht drastischere Worte zu wählen. Obwohl die Koalitionsverhandlungen aus seiner Sicht "für eine 20-Prozent-Partei, die wir momentan sind" sehr erfolgreich gewesen seien, verliere sich die SPD gerade wieder in ihrer Nabelschau. Dass Gabriel gegen Schulz so offen vom Leder gezogen hat, habe ihm nicht gefallen, und um Schulz tue es ihm als Menschen leid. "Aber er hat halt auch einige Fehler gemacht."

Rita Röhrl, die Landrätin von Regen, wird einer großen Koalition zustimmen - nicht aus Sympathie, sondern "aus reiner Notwendigkeit". Außenminister müsse Gabriel bleiben. Dass er die eigene Partei rüde attackiert hat, dürfe man nicht überbewerten. "Jeder hat sein eigenes Temperament, er hat einen guten Job gemacht." Einen großen Wunsch hat Röhrl für ihre Partei, insbesondere auch für die designierte Chefin Andrea Nahles. Es müsse nun wieder Geschlossenheit und Bodenständigkeit einkehren: "Wir jubeln unsere Vorsitzenden doch Jahr für Jahr zu Tode." Dass die SPD bei den Verhandlungen so viel durchgesetzt habe und sich trotzdem zerlege, mache sie "fassungslos", sagt Röhrl: "Für den Start in die Landtagswahl war das ganz sicher nicht positiv."

© SZ vom 13.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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