SPD Bayern fällt auf 19 Prozent:Eine Zahl wie ein Nackenschlag

Klausur der bayerischen SPD-Landtagsfraktion

In Erklärungsnot: SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher gab sich trotz der schlechten Umfragewerte zuversichtlich.

(Foto: dpa)

Nur 19 Prozent für die bayerische SPD - und Spitzenkandidat Ude verliert auch persönlich stark gegen CSU-Amtsinhaber Seehofer. SPD-Fraktionschef Rinderspacher versucht trotzdem, der Opposition Mut zuzureden: "Es ist lediglich ein Swing von drei Prozent notwendig."

Von Frank Müller, Christian Sebald und Mike Szymanski

Alles über 20 Prozent hätte SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher wunderbar deuten können. Als Aufbruch. Als Vorwärtsbewegung. Als gutes Zeichen. Doch dann das: 19 Prozent - und damit nur ein paar Zehntelpunkte mehr als das desaströse 18,6 Prozent-Ergebnis bei der Landtagswahl 2008. Nach all den alten Zeiten, die man mit der Kür von Christian Ude zum Spitzenkandidaten hinter sich zu lassen glaubte.

Es ist der Tag, an dem das BR-Politikmagazin Kontrovers seine mit Spannung erwartete Umfrage, den "Bayerntrend" veröffentlicht. Das ist der große Stimmungstest zum Auftakt des Wahljahres. Monatelang hatten die Sozialdemokraten alle anderen Umfragezahlen verächtlich gemacht, weil sie vorwiegend von der CSU bezahlt waren. Die CSU-Umfragen hatten die SPD fast durchgängig bei 20 plus X gesehen. Jetzt kommt der BR, und alles ist schlimmer. Die CSU dagegen liegt mit 47 Prozent etwa im jüngsten Trend. Es gibt Gewinner und Verlierer: Die Grünen erreichen solide 14, die Freien Wähler 9, FDP und Piraten liegen gleichermaßen bei 3 Prozent. Für die Piraten verflüchtigt sich nur ein Traum. Die FDP kämpft um ihre Existenz. Ein mögliches Oppositionsbündnis aus SPD, Freien Wählern und Grünen ist abgeschlagen.

Im Kloster Irsee steht nun Markus Rinderspacher zum Auftakt der Klausur seiner SPD-Fraktion. In diesem Moment sind die Verkaufstalente des gelernten früheren Fernsehjournalisten Rinderspacher gefragt. Er tut sein Bestes: "Wir sind der Regierung auf den Fersen", sagt er. "Wir wollen es wissen." Man klopfe an der Tür der Staatskanzlei, "und zwar laut".

Ein lautes Klopfen? "Es ist lediglich ein Swing von drei Prozent notwendig", sagt er. Das soll bedeuten, dass die drei Oppositionsparteien insgesamt um drei Punkte auf Kosten der CSU zulegen müssten - und schon sei die Regierungsmacht greifbar nah. Rinderspacher lässt sich sogar zu einem Satz der Selbstverleugnung hinreißen: "Mir ist es wurscht, ob die SPD zur Landtagswahl am Ende mit 20, 22, 24 oder 25 Prozent abschneidet", sagt er - vorausgesetzt, es lange für die drei Oppositionsparteien SPD, Grüne und Freie Wähler insgesamt zur Machtübernahme. Von 19 Prozent spricht er nicht.

Ude selbst sagt in diesem Moment noch gar nichts. Er macht am Mittwoch SPD-Wahlkampfhilfe in Niedersachsen und kommt erst am Abend nach Irsee, während der BR weitere unangenehme Details der Umfrage präsentiert. So hat Ude auch persönlich stark gegen CSU-Amtsinhaber Horst Seehofer verloren. Nur noch 38 Prozent würden Ude direkt zum Ministerpräsidenten wählen, ein Minus von fünf Punkten im Vergleich zum Januar 2012. Seehofers Wert steigt dagegen um zwei auf 51. Auch bei den Detailfragen nach Führungsstärke und Wirtschaftskompetenz zeigt sich dieser Trend. Lediglich bei der Frage nach der sozialen Gerechtigkeit legt Ude zu, bei der Glaubwürdigkeit liegt er zwar vorne, aber der Abstand zu Seehofer wird geringer. Dafür ist Ude weiter Bayerns beliebtester Politiker, verliert aber auch hier an Vorsprung auf Seehofer.

Auch in Wildbad Kreuth hat man der Umfrage entgegengefiebert bei der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten. Demoskopin Renate Köcher vom Allensbach-Institut hatte sie mit ihrer Prognose für die Bundestagswahl am Montagabend noch verschreckt: Nur 41 Prozent. Herausgerechnet aus alten Zahlen. Kann nicht sein, sagte CSU-Generalsekretär Dobrindt. Die 47 Prozent vom BR zweifelt niemand an. Die Nachricht platzt in die Diskussionsrunde mit Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) - eine halbe Stunde, bevor der BR sie offiziell herausgibt. Applaus brandet auf. Dann versuchen die Christsozialen, sich wieder auf Energiepolitik zu konzentrieren.

Die 47 Prozent für die CSU zweifelt niemand an

Parteichef Horst Seehofer sagt seine Teilnahme an der Abschluss-Pressekonferenz ab. Generalsekretär Alexander Dobrindt darf die Botschaft unters Volk bringen. Das gönnt Seehofer den Parteifreunden. Er gibt den Teamspieler. Das heißt nicht, dass er nichts zu sagen hätte. In einem der Gänge lässt er sich dann doch auf ein Gespräch ein. Breitbeinig steht er nun da. "Gut!", sagt er. Und schiebt nach: "Alle Strategien gegen uns sind gescheitert."

Bescheidenheit? In diesem Moment ist nichts davon zu spüren. Es gibt Parteifreunde wie Fraktionschef Georg Schmid, die hatten sich sogar 48 oder 49 Prozent vorstellen können. Haben Seehofer nun die Lästerattacken gegen Parteifreunde geschadet, der Drohanruf seines früheren Sprechers beim ZDF oder der Koalitionskrach um die Studiengebühren? Schwer zu sagen - vielleicht wäre die CSU sonst sogar noch stärker. So aber ist Seehofer heute der Mann, der seinen Parteifreunden Hoffnung macht auf eine Rückkehr zur Alleinregierung. Der frühere Parteichef Erwin Huber, der die Niederlage von 2008 mitzuverantworten hatte, sagt: "Wenn wir so weitermachen, geht ein Lebenstraum in Erfüllung. Eine eigene Mehrheit im Landtag, die für Bayern gut ist." Kein böses Wort über Seehofer, nicht einmal hinter vorgehaltener Hand. Zur Mannschaft gehört mittlerweile auch Bundeskanzlerin Angela Merkel von der Schwesterpartei. Sie kommt an, auch in Bayern. Seehofer sagt: "Wir brauchen die Kanzlerin und die Kanzlerin braucht uns."

Braucht aber noch jemand die FDP? Seehofer sagt kühl: "Es liegt nur an der FDP, ihr Potenzial zu erschließen." Sie schafft es aber einfach nicht: Drei Prozent. FDP-Fraktionschef Thomas Hacker will trotzdem "Grund zur Zuversicht" haben: "Es glaubt doch wohl keiner, dass die Wähler sich tatsächlich die finstere Zeit der absoluten Mehrheit zurückwünschen." Aber die FDP wünschen sie sich offenkundig auch nicht wieder in den Landtag. Die Liberalen hatten gehofft, dass ihr Festhalten an den Studiengebühren sie in der Wählergunst vielleicht auf fünf Prozent hievt. Immerhin sind laut BR-Umfrage ein Viertel der Befragten sogar für das Bezahlstudium. Aber davon profitiert die FDP nicht. Bayerns Generalsekretärin Miriam Gruß macht den Machtkampf um Bundeschef Philipp Rösler für das Ergebnis verantwortlich.

Freie Wähler zufrieden

Zufrieden zeigt sich Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Neun Prozent, das ist ein Prozent Zuwachs gegenüber sämtlichen Umfragen der vergangenen Monate. Er verspürt "Aufwind". Die Freien Wähler seien in Umfragen immer unterschätzt worden. "Bei der Wahl im September werden wir deutlich gegen 15 Prozent marschieren." Der Vorsprung der CSU werde nicht bis zum Wahltag halten, prophezeit Aiwanger. "Und dann sind es am Ende wir Freien Wähler, die entscheiden, welche Koalition in Bayern regiert." Für seinen möglichen Koalitionspartner SPD hat er Worte übrig, die ebenso schmerzen wie sie trösten: "Ohne Ude sähe es für die SPD noch sehr viel schlechter aus."

Seehofers engster Machtzirkel

Die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Margarete Bause halten sich bei 14 Prozent. "Super Grundlage, um motiviert in den Wahlkampf zu starten", meint Bause. Anders als bei den anderen Parteien, haben sie geräuschlos ihre Arbeit gemacht und sich nicht heftig gestritten. Auch das zahlt sich allem Anschein nach in der Umfrage aus.

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