Sparpolitik:Langes Warten aufs Elterngeld

Behörde ist unterbesetzt und soll weitere 150 Mitarbeiter einsparen

Von Dietrich Mittler

Zigtausende Menschen wenden sich Jahr für Jahr an das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS), um dort soziale Leistungen zu beantragen oder angesichts des überaus komplizierten Sozialrechts Expertenrat einzuholen. Der wachsende Andrang drückt die Behörde nun jedoch regelrecht an die Wand. Während die Aufgaben wachsen, wurde und wird Personal abgebaut. "Wir sind jetzt schon um 150 Stellen unterbesetzt, sollen aber noch weitere 150 Stellen abbauen. Wenn man uns jetzt nicht hilft, brechen wir unter der Belastung zusammen", warnt Manfred Eichmeier, der Chef der Gewerkschaft der Sozialverwaltung in Bayern (GdV). Er ist selbst Mitarbeiter des ZBFS.

Weitere Einsparungen, so betont der GdV-Landesvorsitzende, seien nicht mehr möglich. "Alle Potenziale sind ausgeschöpft", sagt er, "wir pfeifen aus dem letzten Loch." Was sich nach einem internen Behördenproblem anhört, dürfte aber bald vielen Bürgern im Freistaat zu schaffen machen. "Sollte keine Unterstützung durch den Haushaltsgesetzgeber erfolgen, wird das ZBFS Prioritäten setzen und entscheiden müssen, ob das Elterngeld verzögert ausgezahlt wird, Fördermittel verfallen oder Schwerbehindertenausweise erst ausgestellt werden, wenn sie nicht mehr benötigt werden", heißt es in einem Positionspapier der GdV. Eichmeier drückt es noch drastischer aus: "Dann wird der Schwerbehindertenausweis oft erst dann eintreffen, wenn die Leute gestorben sind."

Jeder Siebte im Freistaat, so die Erkenntnis des Sozialministeriums, hat bereits die Dienste des Zentrums Bayern Familie und Soziales in Anspruch genommen. Darunter viele Menschen, die gerade eine Familie gründen: Immer mehr Mütter aber auch Väter in Bayern beantragen Elterngeld, um eine Pause im Beruf einzulegen und so Zeit für ihr neugeborenes Kind zu gewinnen. 2016 zahlte das Zentrum Bayern Familie und Soziales Elterngeld in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro aus. Damit aber nicht genug: Das ZBFS ist - um nur einige Aufgabengebiete anzureißen - auch zuständig für die Kinder- und Jugendhilfe, die Integration schwerbehinderter Menschen am Arbeitsplatz, für Förderprojekte im Rahmen des Europäischen Sozialfonds sowie für Opfer von Gewalttaten.

Dass künftig mangels Personal Bürgeranfragen im ZBFS erst einmal liegen bleiben dürften, hat seinen Grund in der Sparpolitik des früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU), konkret im Artikel 6b des Haushaltsgesetzes. Allein für das ZBFS wurde 2005 eine Einsparverpflichtung von 540 Stellen beschlossen. Die daraus resultierenden Probleme sind der CSU bewusst. Dennoch wiesen die Christsozialen am Donnerstag im Sozialausschuss einen Lösungsvorschlag der Grünen zurück. Diese hatten per Antrag gefordert, den Stellenabbau im ZBFS "umgehend zu stoppen" und zugleich die Beratungsangebote auszubauen. Die CSU-Sozialpolitiker indes ziehen ein lautloses Intervenieren vor, wohl auch um die eigenen Haushaltspolitiker nicht zu reizen: Nach Kenntnis der SZ haben Joachim Unterländer und Hermann Imhof Sozialministerin Emilia Müller bereits schriftlich auf die Brisanz des Problems hingewiesen und auf eine Lösung gedrängt.

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