Sozialausschuss:Betreuungsgeld bleibt umstritten

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Familienpolitische Experten zweifeln an echter Wahlfreiheit für Eltern

Von Daniela Kuhr, München

Das von der bayerischen Staatsregierung geplante Betreuungsgeld ist unter familienpolitischen Experten immer noch hoch umstritten. Das hat eine Anhörung von Sachverständigen im Sozial- und Familienausschuss des bayerischen Landtags am Donnerstag gezeigt. Angeblich gehe es der Staatsregierung darum, den Eltern Wahlfreiheit zu geben, doch "faktisch" gebe es "nach wie vor keine Wahlfreiheit", sagte Margit Berndl vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Bayern. Schon allein, weil die Rahmenbedingungen und die Infrastruktur nicht stimmten. "Bei einkommensschwachen Familien kommt hinzu, dass sie sich den Einkommensausfall nicht leisten können - und 150 Euro helfen da nicht viel."

Bereits im vergangenen Oktober hatte das bayerische Kabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, der vorsieht, dass Bayerns Familien - trotz des negativen Urteils des Bundesverfassungsgerichts - auch weiterhin vom 15. Lebensmonat ihres Kindes an monatlich 150 Euro erhalten können, längstens bis zum 36. Lebensmonat. Voraussetzung ist, dass sie für ihr Kind keinen Platz in einer Kita oder sonst einer staatlich geförderten Betreuungseinrichtung in Anspruch nehmen. Eigentlich wollte Bayern diese staatliche Leistung schon vom 1. April an zahlen. Doch dann beantragte die SPD eine Expertenanhörung im Sozialausschuss, was den Ausschussvorsitzenden Joachim Unterländer (CSU) veranlasste, den Sozialdemokraten eine "Verzögerungspolitik auf dem Rücken bayerischer Familien" vorzuwerfen.

Die Dortmunder Sozialwissenschaftlerin Maria Wersig machte deutlich, dass sie das bayerische Betreuungsgeld sogar für verfassungswidrig hält. Denn die angebliche Wahlfreiheit werde "nur sehr selektiv gefördert". Wer sein Kind auch nur eine Stunde täglich in die Kita gebe, werde nicht gefördert. "Wieso sind überhaupt nur die Eltern förderungswürdig, die ihr Kind nicht in eine Kita geben?", fragte sie - zumal darunter viele Reiche seien, die sich jede Form der privaten Betreuung leisten könnten. Traditionelle Rollenmodelle, bei denen die Frau zu Hause bleibe und der Mann das Geld verdiene, würden mit dem Betreuungsgeld gefestigt.

Joachim Feichtl von der Arbeiterwohlfahrt Bayern wies darauf hin, dass Studien aus anderen Ländern gezeigt hätten: "Das Betreuungsgeld hat einen ausgesprochen negativen Einfluss auf die Integration von Migranten." Dahinter steckt die Überlegung, dass es gerade für Kinder von Migranten wichtig ist, möglichst früh Kontakt zu einheimischen Kindern zu bekommen, um die deutsche Sprache zu lernen.

Johannes Schroeter, der Vorsitzende des Familienbunds der Katholiken, dagegen kann die Kritik an dem geplanten Betreuungsgeld nicht verstehen, "Es geht darum, die Nachteile der Elternschaft abzumildern", sagte er in der Anhörung. Seiner Ansicht nach ist das Landesbetreuungsgeld "ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung". Auch Alexandra Gaßmann vom Verband kinderreicher Familien in Deutschland betonte dazu: "Das Betreuungsgeld ist eine Anerkennung der Leistung, die wir zu Hause erbringen." Ein traditionelles Familienbild müsse "per se nicht schlecht sein".

© SZ vom 18.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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