Politischer Aschermittwoch der CSU:Die große Markus-Markus-Show

Söder demonstriert in Passau, dass er schon jetzt Landesvater kann. Seine krawalligen Töne sind fast weg. Nur eine Forderung ist an diesem Aschermittwoch neu.

Von Ingrid Fuchs, Passau

Markus Söder hätte sein Faschingskostüm gleich anbehalten sollen. Als Prinzregent Luitpold ist der CSU-Politiker vor ein paar Tagen in die fränkische Fastnacht gezogen. Weil der frühere bayerische Regent, also Luitpold jetzt, volksnah und fürsorglich gewesen sei, beliebt obendrein, meinte Söder zur Begründung. Am Aschermittwoch spielt Söder diese Rolle nun einfach weiter - ohne Kostüm, dafür vor begeisterten Untertanen.

In Bayern ist der Aschermittwoch vielerorts weniger religiös denn politisch, auch wenn ein Christsozialer das wohl nicht zugeben würde. Für Söder ist dieser Aschermittwoch so etwas wie die Inthronisation.

Die Parteien in Bayern kommen an diesem Tag zusammen, um sich an verschiedenen Orten über die anderen Parteien in Bayern, im Bund und überhaupt lustig zu machen und zu empören. Markus Söder will an diesem Tag vor mehreren tausend CSU-Anhängern über seine politischen Pläne sprechen, was er von seiner Wahl zum Ministerpräsidenten voraussichtlich im März bis zur Wiederwahl als Ministerpräsident voraussichtlich im Oktober und darüber hinaus vor hat. Er muss sagen, was er will und wo er hinwill, in der Flüchtlings- oder Finanzpolitik, bei Fragen zur Pflege oder zum Naturschutz. Dafür gibt es für Söder wohl keinen besseren Ort als die rappelvolle Dreiländerhalle in Passau: "Ich bin wieder hier, in meinem Revier."

Das Revier umfasst in diesem Fall etwa 4500 Quadratmeter. Er muss es komplett durchqueren, um bis zur Bühne zu gelangen - und dieser Weg dauert. Rechts und links vom Gang drängen sich CSU-Anhänger, sie machen Bilder, wollen kurz seine Hand schütteln oder rufen seinen Namen, damit er zu ihnen schaut. Kommt da Markus Söder oder ein Popstar?

Defiliermarsch für Söder zum Einzug

Zuletzt hat Söder vor elf Jahren als CSU-Generalsekretär in dieser Halle gesprochen, als designierter Ministerpräsident ist er heute eigentlich nur einer von zwei Hauptrednern. Doch weil Parteichef Horst Seehofer wegen einer Grippe im Bett bleibt, wird es eine einzige große Markus-Markus-Show. Die beiden müssen diesmal also nicht publikumswirksam unter Beweis stellen, dass sie sich vertragen können. Allerdings kommt es beim Einzug in die Halle zu einem kleinen Affront gegen Seehofer, wenn dieser auch mutmaßlich unbeabsichtigt war. Als Söder unter großem Applaus und Getöse angekündigt wird, stimmt die Passauer Stadtmusikkapelle den bayerischen Defiliermarsch an, jenes Stück also, das eigentlich dem amtierenden bayerischen Ministerpräsidenten vorbehalten ist. Der angehende Ministerpräsident kennt die Etikette und erkennt den Verstoß dagegen - "aber ich komme emotional damit zurecht".

Emotionen und Söder, das ist eine Kombination, die der abwesende Noch-Ministerpräsident vor ein paar Monaten wohl noch als unkombinierbar bezeichnet hätte. Inzwischen spricht Söder aber sehr viel über Emotionen und Gefühle: "Heimat ist nicht nur Gefühlsduselei, sondern der seelische Anker, den jeder braucht", sagt er etwa. Er spricht auch wieder über die - in seiner Erzählung nicht nur gefühlte - Ungerechtigkeit bei der Verteilung von Geldern für Flüchtlinge und Einheimische.

"Wer hier leben will, muss Deutsch können"

Er scheint in der Bevölkerung eine gefühlte Gefahr durch fremde Kulturen wahrzunehmen: "Burkas sind kein modisches Accessoire, sondern gesellschaftliche Ausgrenzung", sagt er. Und natürlich weiß Söder um die Schwierigkeiten bei der Integration ohne Sprachkenntnisse: "Wer hier leben will, muss Deutsch können, wenn er besonders begabt ist, Bairisch verstehen und für die besonderen Feinschmecker auch noch Fränkisch."

In der Halle wird gejubelt und gejohlt - obwohl er gar keine neuen Pläne und Ideen vorstellt, nicht mal neue Sätze sagt er. Wer Söders Reden verfolgt, hat fast alles schon mal gehört. Nur eine Forderung ist an diesem Aschermittwoch neu: die nach einer Verfassungsänderung. Er habe die Verfassung genau studiert, "ein klares Bekenntnis zu der christlich-abendländischen Prägung gibt es derzeit nicht. Ich finde, wir sollten unsere Verfassung ergänzen, dass diese Prägung auch in der Zukunft erhalten werden soll". Sein konkreter Vorschlag ist, in allen staatlichen Gebäuden Kreuze aufzuhängen.

Die Abgrenzung zur AfD dürfte für die CSU nicht einfacher werden

Alles nicht so richtig neu, aber auch alles keine Lösung für das Problem, auf das die CSU im Wahlkampf zusteuert: Wie kann sie sich von der AfD abgrenzen und Wähler zurückgewinnen? "Es war ein Fehler, die demokratischen Wähler rechts von der Mitte zu lange den anderen zu überlassen", sagt Söder einerseits, andererseits: "Die AfD ist eben keine Ersatz-Union, sie ist nicht bürgerlich." Manche AfD-Funktionäre im Osten der Republik seien der rechtsextremen NPD näher als der Union. Auf allzu krawallige Sätze verzichtet der künftige Ministerpräsident an diesem Aschermittwoch, aber er bekommt für seine Forderung nach mehr Härte beim Grenzschutz, bei Abschiebungen, bei der Auszahlung von Leistungen mehr Applaus als für alles andere.

Wie Söder das wohl interpretiert, wenn er dem Volk besser "aufs Maul schauen" will? Bei der jüngsten CSU-Klausur in Kloster Banz hat er schon durchblicken lassen, in welchem Stil er regieren will, und sich noch ein Stück weiter in der Mitte präsentiert als jetzt. Man darf davon ausgehen, dass das Thema Flüchtlinge im Landtagswahlkampf nicht kleiner wird, einen eigenen bayerischen Grenzschutz hat Söder schon angekündigt. Ein bisschen weiter rechts wird er die CSU wohl noch platzieren, um keinen Platz zu lassen für die Rechten. Die Abgrenzung zur AfD dürfte dadurch nicht einfacher werden.

Mehr Applaus als Seehofer

Bei den Zuhörern im Saal kommen Söders Botschaften gut an. Natürlich sei nichts wirklich Neues dabei, natürlich sei Generalsekretär Andreas Scheuer schärfer aufgetreten - aber so sei eben die Rollenverteilung, heißt es aus dem Publikum. Die CSU-Anhänger kennen das Spiel gut und wissen, worauf es beim Aschermittwoch ankommt: markige Sätze und gute Inszenierung. Volle Punktzahl also und minutenlanger Schlussapplaus für den baldigen Ministerpräsidenten. Mehr Applaus, als Seehofer in den vergangenen zehn Jahren wohl bekommen haben dürfte.

Wird der denn an so einem Tag gar nicht vermisst? Seehofer ist noch nicht mal in Berlin und schon scheint ihn in Bayern niemand mehr zu vermissen. Einer Umfrage zufolge wünscht sich die Mehrheit der Bürger im Freistaat, dass der CSU-Chef in den Ruhestand geht - und nicht erneut als Bundesminister nach Berlin wechselt. 62,6 Prozent der Befragten sagten, dass Seehofer seine politische Karriere beenden sollte. Das zumindest ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für die Augsburger Allgemeine. Bei den CSU-Anhängern sind es immerhin 46,8 Prozent, die den Parteichef wieder als Minister in Berlin sehen wollten.

An Seehofers persönlichem Karriereplan dürfte diese Umfrage freilich nichts ändern. Immerhin einen kleinen Trost gibt es für den bettlägerigen Patienten in Ingolstadt: Er spart sich wohl künftig den Zirkus mit den Selfies, den er nie besonders mochte. Für Söder ist der politische Aschermittwoch dagegen erst nach einer ausgedehnten Fotoorgie mit seinen Fans zu Ende. Aber das kennt er ja vom Fasching.

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