SMS-Attacke gegen Landjugendchefin:Polit-Stalking in der Provinz

SMS-Attacke gegen Landjugendchefin: Volker Bauer sitzt für die CSU im Landtag.

Volker Bauer sitzt für die CSU im Landtag.

Seit Wochen gibt es in einer kleinen Gemeinde bei Schwabach nur ein Stammtisch-Thema: Die SMS-Attacke des CSU-Landtagsabgeordnete auf die Landjugendchefin. Mit einer Reihe von Mitteilungen war er die 23-Jährige angegangen - aus Enttäuschung, wie er sagt.

Von Olaf Przybilla

In der ersten SMS an die 23-jährige Daniela Wirth zeigte sich der CSU-Landtagsabgeordnete Volker Bauer noch demonstrativ belustigt. Er habe da so ein blödes Gerücht gehört, in einem Wirtshaus im Kreis Roth. Etwas, das im Grunde völlig unmöglich sei. Und zwar habe es da geheißen, dass die 23-Jährige mit der SPD anbandle. Oder gar, schlimmer noch, auf deren Liste bei der Kommunalwahl kandidiere. Und zwar in der fränkischen Gemeinde Kammerstein, südlich von Schwabach. Das Entsetzen bei den Anwesenden, so macht sich der CSU-Abgeordnete lustig, sei groß gewesen. Inzwischen ist das Entsetzen tatsächlich groß in Kammerstein. Allerdings über Bauer, den Abgeordneten.

Denn es blieb nicht bei dieser einen SMS über Whats App. Nachdem die Angeschriebene nicht reagierte, legte der CSU-Mann wenige Minuten später nach. Wieder antwortete die 23-Jährige nicht. Und so versandte der Abgeordnete an diesem Tag noch fünf weitere private Mitteilungen an die junge Frau, mit zunehmend erregtem Zungenschlag. Der allerdings mit ostentativen Zwinkergesichtern kaschiert ist.

Die junge Frau reagiert nicht

Erst teilt Bauer mit, er habe dieses Wirtshausgerücht dementiert. Weil er sich nicht vorstellen könne, dass Wirth, die sich ja immerhin bei der Evangelischen Landjugend engagiere, zu den Sozialdemokraten gehe. Und die SPD ja, wie Bauer zu wissen glaubt, mit dem ländlichen Raum nichts im Sinn habe. Dann findet der Abgeordnete, versehen mit zwinkerndem Gesicht, die 23-Jährige solle da mal was tun gegen das Gerücht, denn das sei angetan, ihren Ruf zu schädigen. Danach, wieder mit Grinsegesicht, fordert er Wirth auf, sie möge doch wenn schon lieber zu den Freien Wählern gehen. Dann bekundet er, zwinker, zwinker, die 23-Jährige könne gewiss nichts bewegen als SPD-Frau bei der Landjugend. Denn die habe ein erzkonservatives Klientel.

Wieder reagiert die Frau nicht. In der siebten SMS des Tages wird es dann heftig: Er, Bauer, zahle der 23-Jährigen das Geld für die von ihm organisierte Tagesskifahrt eines örtlichen Vereins zurück. Mit anderen Worten: Sie wird da nicht mitfahren.

Polit-Stalking eines Abgeordneten? Bauer bestätigt den einseitigen SMS-Verkehr, glaubt aber gute Gründe dafür gehabt zu haben. Er habe gedacht, dass zwischen ihm und der 23-Jährigen ein Vertrauensverhältnis bestehe. Und so sei er "einfach enttäuscht" gewesen. Weil an besagtem Tag schon ein SPD-Mann bei ihm protestiert habe, der SMS wegen. Vor allem aber, weil die 23-Jährige auf dem CSU-Parteitag der Bundeskanzlerin und dem Ministerpräsidenten zugeklatscht habe. Da habe er einen ganz anderen Eindruck bekommen von Wirth. Aber dort war sie doch als Vertreterin der Landjugend? Ja schon, sagt Bauer: "Aber ich hätte mir gewünscht, dass sie mir das mit der SPD sagt."

Einfach enttäuscht

Alles halb so wild? Findet der Bürgermeister von Kammerstein, Walter Schnell, gar nicht. Schnell ist bei den Freien Wählern, er könnte froh sein, dass ein CSUler die FW anpreist. Ist Schnell aber nicht. Der Vorgang sei seit Wochen "das Stammtischgespräch schlechthin", sagt er. Und äußert grundsätzliche Bedenken. Dass ein Abgeordneter einen jungen Menschen so unter Druck setze, mache ihn fassungslos: "Das ist ganz schlecht für die politische Kultur." Zumal Bauer, nachdem getuschelt wurde im Ort, die Vorzeichen umzudrehen versucht habe mit der Geschichte, die 23-Jährige habe Merkel und Seehofer zugejubelt. "Wenn ich solche Fehler mache, dann sinke ich auf die Knie und sage: Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung." Das habe Bauer vermissen lassen.

Warum erst jetzt diese Geschichte, nach dem SMS-Bombardement Ende November? Die 23-Jährige habe mit sich gerungen, hinzuschmeißen, weiß Schnell. Die SPD-Ortsvorsitzende Jutta Niedermann-Kriegel sagt, in einem Telefonat mit ihr habe Bauer angedeutet, Wirth werde keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen, sollte der Vorgang öffentlich werden.

Inzwischen hat Bauer der 23-Jährigen in einem Schreiben offiziell zur Wahl zur neuen Landesvorsitzenden der Evangelischen Landjugend gratuliert. Und mitgeteilt, er freue sich, dass sie vorhabe, kommunalpolitisch mitzuarbeiten. Er werde sie gerne dabei unterstützen. Das habe sie dankend abgelehnt, sagt Daniela Wirth.

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