Skurriles zur Kommunalwahl:Angetreten, um aufzuhören

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Großlagen, Kleinkriege, Hoffnungsträger: Vor den Kommunalwahlen in Bayern ist die politische Situation genauso vielfältig und unübersichtlich wie das ganze Land. Ein ziemlich willkürlicher Überblick.

Kommunalwahlen haben ihre eigenen Gesetze: Das ist ein Satz, mit dem sich Parteien am Sonntag nach 18 Uhr unerwartete einzelne Niederlagen schönreden können. Es ist aber auch eine alte politische Weisheit, die stimmt. Überraschungen sind immer drin, wenn Gemeinde-, Kreis-, Stadt und Landräte und natürlich Bürgermeister gewählt werden. Den einheitlichen Trend dagegen sucht man oft vergebens bei Kommunalwahlen. Aus diesem Grund hier eine Auswahl der aus unserer Sicht spannendsten Gefechtslagen an diesem Sonntag. Sollte die große Überraschung vom 16. März eine ganz andere werden, sei's drum. Kommunalwahlen haben halt ihre eigenen Gesetze.

Marktoberdorf: Mit dem Traktor auf der Überholspur

Sage noch einer, die Bayernpartei sei auf dem absteigenden Ast oder gar unbedeutend. Peter Fendt, Spross der berühmten Traktorenhersteller-Familie, pflügte zuletzt den Landkreis Ostallgäu um, wie es sonst nur die grünen Bulldogs aus Marktoberdorf können. Bei der Landtagswahl im Herbst holte er als Direktkandidat 20 Prozent - weit vor SPD, Grünen und Freien Wählern. Bei der Bezirkstagswahl waren es sogar 27 Prozent. Und jetzt will der 63-jährige Diplom-Kaufmann Bürgermeister von Marktoberdorf werden. Sein Wahlkampf-Coup war schon mal ein Volltreffer: Er verwendete seine alten Plakate, die er seit der Bundestagswahl 2009 aufgehoben hatte. "Die tun's noch", sagt der Zigarren-Händler, " ich wollte damit darstellen, dass ich als Bürgermeister mit dem Steuergeld sparsam umgehen werde."

Regensburg-Land: Der Sieg für "Frau Aiwanger"?

Er habe in der Politik schon vieles erlebt, staunte Horst Seehofer vor gut einem Jahr vor der Regensburger CSU, so etwas aber noch nicht: Dass jemand derart ins Risiko gehe wie Peter Aumer, das verdiene schon Respekt. Seehofers Worte waren nicht einfach so dahergesagt. Im Zuge diverser Personalrochaden hatte Aumer auf sein sicheres Bundestagsmandat verzichtet, damit die Partei einen Landratskandidaten hatte. Wenn es dumm läuft, wird der 37-Jährige am Ende jedoch ohne Amt dastehen. Denn seine größte Widersacherin ist immerhin die im Landkreis Regensburg populäre Tanja Schweiger, 35, Lebensgefährtin von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger und Mutter des gemeinsamen Sohnes. In einer Stichwahl sei alles möglich, sagte Aiwanger bereits mit unverhohlener Zuversicht. Dass es dazu kommt, davon ist er fest überzeugt. Und wenn nicht, würde Schweiger als FW-Landtagsabgeordnete wesentlich weicher fallen als Aumer.

Eine aussichtsreiche Kandidatin: Tanja Schweiger mit Sohn Laurenz und ihrem Lebensgefährten - dem Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. (Foto: dpa)

Großstädte: Unentschieden mit Verlängerung

Was richtig spannend wird am Wahlabend: Kommt es zwischen CSU und SPD wieder zu einem Remis? Oder geht das Duell diesmal 5:3 aus? Für die einen oder die anderen? Was nicht viele auf dem Schirm haben dürften: In den acht bayerischen Großstädten - das sind per Definition Kommunen mit mehr als 100 000 Einwohnern - steht es seit der letzten Wahl 4:4. München, Nürnberg, Würzburg und Fürth sind rot. Augsburg, Regensburg, Ingolstadt und Erlangen sind schwarz. Die SPD hat zwei fast sichere Bänke, Fürth und Nürnberg. Die CSU ist mindestens in Augsburg und in Erlangen stark favorisiert. Das Endergebnis gibt es aller Voraussicht nach erst nach Verlängerung, in zwei Wochen. Vor allem in Würzburg und Regensburg sind Stichwahlen sehr wahrscheinlich. Ein Tipp? Warum eigentlich nicht: Die SPD geht am Sonntag in Führung. Die CSU könnte trotzdem zwei Wochen später vorbeiziehen.

CSU: Das Triple ist möglich

Für die CSU geht es um das Triple - wenn man so will. Nach erfolgreicher Landtags- und Bundestagswahl wünscht sich Parteichef Horst Seehofer nun auch noch ein schönes Ergebnis bei der Kommunalwahl. "Da wird über die Heimat der Menschen entschieden", sagt Seehofer. Und Heimat und CSU ist für ihn ja eins. 2008 war die Kommunalwahl für die CSU ein Menetekel. Das Führungsduo Günther Beckstein und Erwin Huber zündete nicht, landesweit sackte die CSU bei der Kommunalwahl in den Parlamenten auf 40 Prozent ab. Im Herbst verlor sie dann die Alleinherrschaft in Bayern. Diesmal hofft Seehofer auf einen "spürbaren Zuwachs". Auch wenn er die 50 Prozent Marke für unwahrscheinlich hält - die Richtung steht für ihn fest. In München würde die CSU gerne die rot-grüne Festung knacken.

Miesbach: Angetreten, um aufzuhören

Ein Kandidat, den seine eigene Partei schon vor der Wahl gezwungen hat, sich nachher aus der Politik zurückzuziehen, dürfte in Bayern einzigartig sein. Doch im Landkreis Miesbach ist nichts mehr wie sonst im Freistaat, seit Landrat Jakob Kreidl (CSU) von einer Affäre in die nächste torkelte. Für eine Rücknahme seiner erneuten Kandidatur war die Frist auf dem Höhepunkt der Kritik aber schon abgelaufen. Die CSU behalf sich mit einer Verzichtserklärung von Kreidl: Er werde die Wahl auf keinen Fall annehmen, beteuert der Landrat. Spannend wird nur, ob das die Wähler interessiert. Alte Freunde und hundertprozentige CSU-ler, Oberlandler, die nach dem Machtwort von Seehofer grad extra für ihn stimmen, und Taktierer könnten Kreidl im traditionell tiefschwarzen Kreis in die Stichwahl bringen. Die CSU-Spitze verspricht, dass sie auch dann nicht für Kreidl Wahlkampf machen wird. Die Verlockung wäre groß: Sollte Kreidl gewählt werden und auf sein Amt verzichten, gäbe es Neuwahlen. Eventuell sogar mit einem neuen CSU-Kandidaten.

Angetreten, um aufzuhören? Falls Jakob Kreidl in Miesbach wiedergewählt wird, könnte das passieren. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Opposition: Boden gutmachen - oder auch nicht

Für die im vergangenen Jahr gebeutelte Landtagsopposition bietet die Kommunalwahl die Chance, Boden gut zu machen. Und die Gefahr, weiter abzudriften. In der SPD blickt Generalsekretärin Natascha Kohnen natürlich gespannt auf München, wo aus SPD-Sicht nichts anbrennen darf. "Enorm wichtig" sei aber jede einzelne Gemeindewahl. Für die Bayern-SPD geht es auch darum, ihre Präsenz in der Fläche zu verstärken - ganz anders als die Freien Wähler von Hubert Aiwanger. Sie sind auf dem Land stark und haben eher Mühe in den Städten. Den Grünen schließlich steckt immer noch die Niederlage bei der Landtags- und Bundestagswahl in den Knochen. Im Fokus steht für sie: Wie schneidet in München Spitzenkandidatin Sabine Nallinger ab - schafft sie es in die Stichwahl? Sonst spielen die Grünen beim Kampf um die Chefposten in den Rathäusern in Bayern dieses Mal kaum eine Rolle. Auf 8,2 Prozent kamen sie 2008 landesweit - ihr bestes Ergebnis. Landeschefin Sigi Hagl meint: Da geht noch etwas mehr.

Roth: Der Babo macht jetzt auf Transparenz

Zwieback-Bub statt Gangsta-Rapper: CSU-Kandidat Fabian Giersdorf. (Foto: Facebook)

Ruft man Fabian Giersdorf an, erwischt man ihn - beim Wahlkampf. Klar, schließlich will der Jura-Student für die CSU in den Stadtrat im mittelfränkischen Roth. Weil er sich dafür aber als Slogan für seine Plakate ausgerechnet die Liedzeile eines für seine sprachlich wenig kultivierten Texte bekannten Rappers auslieh, musste Giersdorf vor ein paar Wochen viel Spott und Häme aushalten. "Chabos wissen, wer der Babo ist", plakatierte Giersdorf, der eher nach Zwieback-Werbung als nach Gangsta-Rapper aussieht, weil er damit die Jugend habe erreichen wollen. Inzwischen haben sich die Wogen geglättet. Giersdorf wirbt nun "Für Transparenz und Innovation" und profitiert wenigstens dahin gehend von der ganzen Aufregung, dass ihn fast jeder in Roth auf Anhieb erkennt. Seine Chancen am Sonntag schätzt er selbst auf 50 zu 50.

Siegenburg: Mehr (Aus-)Wahl geht nicht

Von wegen Politikverdrossenheit: Im niederbayerischen Siegenburg wird Demokratie noch richtig gelebt. Knapp 3500 Einwohner zählt die Marktgemeinde in der Hallertau, die in Bayern vor allem durch das sogenannte Bombodrom Bekanntheit erlangt hat - einen Bombenabwurfplatz der US-Streitkräfte. Seit einiger Zeit argwöhnt eine Bürgerinitiative, die Air Force könne mit gefährlicher Uran-Munition geübt haben. Abschreckend auf den politischen Gestaltungswillen der Siegenburger wirken sich die möglichen Altlasten allerdings nicht aus. Vier Kandidaten bewerben sich um den Bürgermeisterstuhl, zehn verschiedene Listen mit etwa 150 Kandidaten ringen um den Einzug in den Marktrat. Auf München umgerechnet bedeutete dies 4000 Listen und 60 000 Stadtratsbewerber - oder schlicht: die Qual der Wahl.

Nürnberg: Malys liebste Frage

Eines sollten sich Fernsehreporter diesmal vielleicht doch irgendwie verkneifen: Ihren Gesprächspartner Ulrich Maly, das ist der Oberbürgermeister von Nürnberg, noch am Wahlsonntag auf mögliche Ambitionen in der Landespolitik anzusprechen. Zwar wird dem ranghöchsten Nürnberger ein guter und durchaus stabiler Humor nachgesagt. Aber es gibt da einen Satz, den Maly schätzt wie andere Leute Hühneraugen: "Sind Sie nach einem solchen Ergebnis nicht automatisch SPD-Kandidat bei der nächsten Landtagswahl?" Ein Fernsehjournalist, ein hochrangiger, hat ihn das 2008 mal kurz nach 18 Uhr ungefähr so gefragt. Das Interview verlief dann irgendwie ruppig. Und ziemlich kurz war es auch. Maly mag nicht nach München. Und wenn er es doch mögen sollte: Mag er es wenigstens nicht ständig sagen müssen.

© SZ vom 15.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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