Skurriler Gerichtsstreit:Keine Hütte, für niemanden

In Oberbayern löst ein Mann den Zwist mit dem Nachbarn um eine alte Hütte im Wald auf drastische Weise: Er hebt sie nachts mit dem Kran auf sein Grundstück. Doch mit der Aktion wird er nicht glücklich.

Von Andreas Salch

Im tiefen, finstern Forst am Vorberg gleich hinter Waakirchen (Landkreis Miesbach) vollzog sich im Mai 2009 ein denkwürdiger Diebstahl - und zwar der einer Holzhütte. Der Fall beschäftigte jetzt das Verwaltungsgericht München. Bei dem Dieb soll es sich um den Nachbarn des rechtmäßigen Eigentümers der Holzhütte handeln. In einer nächtlichen Aktion rückte der Nachbar vor vier Jahren offensichtlich mit einem Kran an, hob die Hütte auf dem gegenüberliegenden Grundstück aus und hievte sie auf seines. Zuvor war sie infolge einer Flächenteilung genau auf der Grenze der beiden Waldflächen gestanden.

Mit seinem Coup glaubte sich der Dieb den Bestandsschutz für das bald hundert Jahre alte Häuschen seines Nachbarn gesichert zu haben, das im Außenbereich der Gemeinde Waakirchen stand. Davon ist Rechtsanwalt Korbinian Dietl, der den Eigentümer vertritt, überzeugt. Vermutlich spekulierte der Dieb damit, dass die in die Jahre gekommene Bude irgendwann einmal in sich zusammenkrachen würde.

Dann, so nahm er wohl an, hätte er wegen des Bestandsschutzes ein neues Holzhaus errichten können. Doch der Plan ging nicht auf. Jakob G. erstattete Anzeige. Strafrechtlich verlief die Sache im Sande. Da es vor allem um baurechtliche Fragen geht, befasste sich deshalb das Verwaltungsgericht München mit der seltsamen Causa.

Nachdem die alte Holzhütte plötzlich auf dem Grund seines Nachbarn stand, hatte das Landratsamt Miesbach Jakob G. die mündliche Zusage gegeben, einen "Ersatzbau" errichten zu dürfen, sagte dessen Anwalt. Damit schienen die Wogen geglättet. Doch dem war nicht so. Das Landratsamt hätte diese Zusage gar nicht machen dürfen. Das sei ein Fehler gewesen, stellte der Vertreter des Freistaates Bayern in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht fest.

Pacta sunt servanda - Verträge müssen eingehalten werden -forderte dagegen Rechtsanwalt Dietl. Waakirchens Bürgermeister Sepp Hartl winkte ab: Die Gemeinde wolle in der sensiblen Landschaft am Vorberg keinen Präzedenzfall schaffen.

Seiner Meinung nach, sagte Hartl, solle keiner der beiden Grundstücksbesitzer eine Hütte haben. Und die Vorsitzende Richterin stellte fest, dass die Hütte ja nicht zerstört, sondern geklaut worden sei und nebenan gestanden habe. Zivilrechtlich hätte sich Josef G. sie zurückholen können. Der Bestandsschutz jedenfalls sei jetzt aber weg. "Ich weiß, das ist total ärgerlich", sagte die Vorsitzende zu G.s Anwalt.

Josef G. hilft das alles nichts. Er steht nun mit leeren Händen und gänzlich hüttenlos da. Ebenso wie sein Nachbar. Denn mit der Versetzung der Holzhütte hatte er eben keinen Bestandsschutz hergestellt. Sie musste abgerissen werden. Josef G. konnte übrigens nicht zu der Verhandlung am Verwaltungsgericht kommen. Sein Mandant sei malad. Er liege mit einer schweren Darmgrippe im Bett, sagte Rechtsanwalt Dietl. Die Nachricht, die er ihm nun überbringen muss, dürfte Josef G. zusätzlich auf den Magen schlagen. Denn das Gericht wird seine Klage abweisen.

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