Sicherheit beim Wintersport:Skihelme haben sich durchgesetzt

The first skiers and snowboarders on the slopes

Der Schutz des Kopfes mit einem Helm ist bei Skifahrern und Snowboardern heutzutage auf den bayerischen Pisten fast schon Standard.

(Foto: Darek Delmanowicz/dpa)
  • Schätzungen zufolge haben vergangenen Winter 85 Prozent der deutschen Ski- und Snowboardfahrer einen Helm getragen.
  • Damit hat sich der Anteil der Helmträger seit 2008 mehr als verdoppelt.
  • Die Zahl der Verletzten sank auf ein Rekordtief von 38 000 in der vorigen Saison.

Von Korbinian Eisenberger

Als Dieter Althaus am 1. Januar 2009 einen Steilhang querte, übersah er eine Skifahrerin und krachte mit voller Wucht in sie hinein. Der damalige Ministerpräsident Thüringens erlitt eine Hirnblutung, er überlebte - vor allem dank seines Schutzhelms. Die 41-jährige Mutter verstarb dagegen noch auf dem Weg in das Krankenhaus - wohl auch, weil sie keinen Helm getragen hatte. So tragisch der Unfall war, hatte er doch einen positiven Effekt - und zwar für die Helmquote in der alpinen Skiszene.

Man muss nur einmal einen Skitag am Lenggrieser Brauneck oder auf der Winklmoos-Alm verbracht haben. Die wenigsten, denen man dort auf den Pisten begegnet, tragen noch Mützen oder Stirnbänder. Und wenn dann verdeckt von einer Kunststoffschale. Der Skihelm ist mittlerweile fast schon zur Standard-Kopfbedeckung des Alpinfahrers geworden, nach Schätzungen des Deutschen Skiverbands (DSV) waren im vergangenen Winter 85 Prozent der deutschen Ski- und Snowboardfahrer behelmt unterwegs. Im Vergleich zu 2008 hat sich der Anteil der Helmträger bis heute mehr als verdoppelt.

Für 80 Prozent der Helmträger ist der Look am wichtigsten

Das Herstellen von Skihelmen lohnt sich in diesen Tagen. Jetzt, da in Bayern viele Skigebiete öffnen, hat die größte deutsche Helmfirma Uvex wieder Hochkonjunktur. In den Fürther Labors im Stadtteil Unterfarrnbach experimentieren die Entwickler derzeit mit Skihelmsystemen - erst im vergangenen Jahr verzeichnete Uvex in diesem Bereich einen Zuwachs von 25 Prozent. "Vielen ist wichtig, dass der Helm leicht ist und gut sitzt", sagt Michael Winter, stellvertretender Vorsitzender bei Uvex. Doch es geht nicht nur um Gewicht und Passform. "Für 80 Prozent der Leute ist der Look am wichtigsten", sagt Winter. Ein Helm muss sich also nicht nur gut anfühlen und schützen, er soll vor allem schneidig aussehen.

Als besonders schick gilt derzeit der Visierhelm, den Einteiler unter den Schutzhelmen. Mit 200 bis 250 Euro ist er bei den meisten Anbietern deutlich teurer als die klassischen Helme mit 80 bis 160 Euro. "Trotzdem verkauft er sich besonders gut", sagt Winter. Das vermeintlich praktische an dieser Gattung ist, dass man keine Skibrille mehr braucht, ein aufklappbares Kunststoffglas erfüllt diesen Zweck.

Für Brillenträger ist das angenehm, weil der Rahmen der Skibrille nicht mehr auf das Gestell drückt. Der Nachteil am unten offenen Ritter-Look ist jedoch, dass er sich nur für Schönwetterskifahrer empfiehlt. Bei Schneegestöber oder Beschneiung wird die Scheibe von innen weiß. "Das ist dann eher unpraktisch", sagt Winter. Und ein echter Unsicherheitsfaktor, wenn man etwa einen anderen Skifahrer übersieht. Verlässlicher ist das herkömmliche Modell, bei dem die Brille hinten befestigt ist und die Augen vor Schnee schützt.

Zwischen Sicherheit und Ästhetik

Für die Helmhersteller ist es immer wieder ein Spagat zwischen Sicherheit und Ästhetik. Die Helmschale selbst soll ja eigentlich vor allem verhindern, dass Skistecken oder Felsbrocken zum Kopf durchdringen. "Genauso wichtig ist, dass Stöße auf eine größere Fläche verteilt werden", sagt Andreas König, Sicherheitsexperte beim Deutschen Skiverband.

Die geschäumte Innenschale dämpfe noch zusätzlich, sodass beim Aufprall weniger Wucht am Kopf ankommt - was ein Grund dafür sein könnte, dass Althaus seinen Unfall vor sieben Jahren überlebt hat. "Nach schweren Erschütterungen sollte man seinen Helm dann sicherheitshalber austauschen, auch wenn er noch gut aussieht", sagt König. Die Materialstruktur könne sich durch Stöße verformen, selbst ohne äußerlich erkennbare Delle. Im Zweifel sei es aber "immer besser mit Helm als ohne".

Und doch trifft man sie, die überzeugten Verweigerer, die unter der Schale schlechter zu hören und stärker zu schwitzen glauben als mit Mütze. Manche kritisieren zudem, dass Helmträger zu unbekümmert seien und im sicheren Gefühl des Kopfschutzes wie die Berserker über die Pisten heizen würden. Dass es diese Fälle vereinzelt gibt, glaubt auch DSV-Experte König: "Man kann so etwas nie ganz ausschließen."

Dafür spräche auch, dass die Anzahl der Kollisionen seit Althaus' Unfall nahezu kontinuierlich gestiegen ist. "Die anderen Gründe sind aber widerlegt", sagt König. "Wer heute in einem Sportgeschäft einen Helm kauft, der bekommt nur noch Top-Material." Die Helme seien deutlich leichter geworden und gut belüftet, sagt König: "Oft merkt man gar nicht mehr, dass man überhaupt einen auf hat."

Hersteller und Skiverband sprechen sich gegen eine Helmpflicht aus

Der Sicherheit auf den bayerischen Pisten hat der Helm-Boom allemal gut getan. Zumindest sagen das die Zahlen der jüngsten Unfallstatistik aus, die der DSV jedes Jahr mit der Stiftung Sicherheit im Skisport erhebt. Demnach sank die Zahl der verletzten deutschen Skifahrer im vergangenen Winter auf ein Rekordtief von 38 000 - vor sieben Jahren waren es noch mehr als 50 000.

Auch wegen dieser Zahlen wehren sich sowohl Hersteller als auch der DSV gegen die immer wieder aufkommenden Forderungen nach einer Helmpflicht. "Wahrscheinlich würden wir dann einen Winter lang nicht mehr mit der Produktion nachkommen", sagt Winter. "Im Skisport hat sich der Helm auch ohne Regeln durchgesetzt."

Ganz anders ist das etwa bei Fahrradfahrern. Dort wird zwar ähnlich schnell gefahren, der Anteil der Helmträger unter den deutschen Radlern liegt aber laut Bundesverkehrsministerium bei weniger als 15 Prozent. Warum das so ist, weiß keiner so richtig, vielleicht sind Fahrradhelme den Leuten zu hässlich oder zu unbequem. Bei Uvex will man derlei Vorbehalte zuvorkommen. "Wir versuchen, noch mehr bei der passiven Sicherheit rauszuholen", sagt Winter. Also Gewicht reduzieren und auch Aussehen verbessern. Bei der aktiven Sicherheit sei das Optimum erreicht. "Zumindest fast", sagt Winter. Seit Kurzem gebe es erste Gedankenspiele über ein neues System: den eingebauten Helm-Airbag.

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