Sexspielzeug:Das angeblich ultimative Sexspielzeug

'Womanizer' von Erfinder Michael Lenke

Der "Womanizer" erinnert an eine Computermaus - wie alle Erfindungen von Michael Lenke wurde auch er von seiner Ehefrau Brigitte getestet.

(Foto: Armin Weigel)

Dem "Womanizer" erliege jede Frau, sagt Michael Lenke. Aus dem niederbayerischen Metten verkauft er Vibratoren-Alternativen in alle Welt.

Von Maximilian Gerl, Metten

Brigitte Lenke hatte am Ende ein gutes Gefühl. Als ihr Mann Michael ihr seine neueste Konstruktion vorstellte, da kam es ihr bald: Wenn er dieses Produkt noch verfeinert, dann wird das "zum Welthit". Klar, dass sich ihr Mann wieder in seine Keller-Werkstatt im niederbayerischen Metten verzog, um dort so lange an dem Prototypen zu tüfteln, bis die Angelegenheit für Frau Lenke wirklich zufriedenstellend funktionierte. Schließlich hatte er sie, die Gattin, wie schon so oft als Testperson erkoren.

"Als Versuchskaninchen", sagt sie. Das ist bei den Lenkes sozusagen Bestandteil des ehelichen Bundes, und dieser währt nun immerhin schon 30 Jahre. Manchmal sagte sie zwar: "Lass mich in Frieden damit", oft funktionierten die Prototypen nicht richtig. Doch er nahm das mit Haltung. "Als Erfinder muss man immer wieder aufstehen", sagt er. Und wenn die Frau schon neu konstruiertes Sexspielzeug auf Tauglichkeit prüfen soll, ja dann muss man ihre Kritik auch ernst nehmen.

Für innovatives Gerät zur Bereicherung der weiblichen Sexualität war Metten im Kreis Deggendorf mit seinen 4480 Einwohnern bislang nicht bekannt. Ein Markt wie aus einem niederbayerischen Bilderbuch, Wald, Hügel, Donau, Katholizismus.

Wobei man hier nun fairerweise sagen muss, dass dem Ort so einer wie Michael Lenke in all den Jahrhunderten nicht untergekommen ist. Einer, der mit Erfinden vermögend geworden ist. Einer, der sich längst zur Ruhe hätte setzen können, stattdessen aber in seinem Keller ein Sexspielzeug gebaut hat, das er nach der Versuchsreihe mit der Ehefrau inzwischen weltweit verkauft: den "Womanizer".

Der "Womanizer" ist ein Lustspielzeug für die Frau, das aber ganz und gar nicht nach Lust aussieht. Am ehesten erinnert es noch an eine Computermaus. "Das könnte alles sein", sagt Lenke. Im Internet dagegen sowie in Testberichten und Kundenrezensionen wird das Ding mit Attributen wie "Glücklichmacher" oder "Orgasmusgarant" versehen. Manche schreiben gar von einer "Revolution in der Sextoy-Branche", was auch immer das jetzt heißen mag.

Der Kopf hinter dieser angeblichen Revolution macht indes einen bürgerlichen Eindruck. Michael Lenke, 67 Jahre alt, könnte in seinem legeren Hemd als Kaufmann auf Urlaub durchgehen. Er formuliert seinen Erfolg nüchterner als das Internet, er braucht dazu nur drei Zahlen. Die erste: Der "Womanizer" sei nach der ehelichen Versuchsreihe noch an vielen Frauen unterschiedlichen Alters getestet worden, 99 Prozent von ihnen seien zum Orgasmus gekommen. Die zweite und dritte: Mehrere Hunderttausend "Womanizer" habe er in den letzten Jahren verkauft, weltweit, in mehr als 40 Ländern.

'Womanizer' von Erfinder Michael Lenke

Michael Lenke und seine Frau Brigitte sind ein eingespieltes Team. Er erfindet Dinge, sie probiert sie auf Funktionstüchtigkeit aus.

(Foto: Armin Weigel)

Wenn man so will, ist Lenke in einer leicht schmuddelig wirkenden Branche ein Kunststück gelungen. Weder sieht sein Ding wie ein klassisches Sexspielzeug aus, noch funktioniert es so. Oder, um hier jetzt einmal grundsätzlich zu werden: Seit der Erfindung des Vibrators vor 100 Jahren habe es auf dem Markt "keine wirklich neuen Produkte für die Frau gegeben", sagt Lenke. Die Branche habe sich auf die Befriedigung des Mannes konzentriert. Für den weiblichen Orgasmus habe sich kaum wer interessiert, obwohl viele Frauen damit Probleme hätten. "Das wollte ich ändern", sagt Lenke.

Der Erfinder sagt: "Ich will wissen, wie Dinge funktionieren"

Er sprach mit Frauenärzten und Therapeuten, tüftelte an einem neuen Konzept. Und dabei sei so viel verraten: Sein "Womanizer" kommt ohne Vibration aus, und er wird an einer sehr empfindlichen Stelle im weiblichen Intimbereich aufgesetzt, an der Klitoris. Auch das sei gesagt: Druckwellen spielen eine ganz entscheidende Rolle. "Die Frau kann sich nicht dagegen wehren", beschreibt Lenke die Wirkung seiner Konstruktion. Will sie aber wahrscheinlich auch gar nicht, denn sonst hätte sie den "Womanizer" gar nicht erst gekauft.

Noch einmal: Mit der Erotikbranche hatte Lenke bis vor ein paar Jahren nichts zu tun. In mehreren dicken Ordnern hat er seine Erfindungen archiviert, Zeitungsausschnitte, Flyer, Fotos. Etwa 100 Erfindungen dürfte er bislang gemacht haben, schätzt Lenke. Im Register des Deutschen Patentamts ist er unter anderem vermerkt für: einen Pflanztopf zum Kultivieren von Pflanzen mit bleibendem Zwergwachstum (angemeldet 1985), ein Massagegerät mit Saugnäpfen (1993), eine batteriebetriebene Erdbebenalarmvorrichtung (2000), ein Bestrahlungsgerät mit Leuchtdiode und Lichtleiter (2004).

Einige Erfindungen erreichten nie die Marktreife, etwa ein SOS-Airbag fürs Autodach, der - einmal aufgeblasen - andere Autofahrer vor einem liegen gebliebenen Fahrzeug warnt. "Erkennbar aus bis zu zwei Kilometern Entfernung", sagt Lenke. Das Problem: Weil die zuständigen Behörden nicht wussten, wie sie einen Dach-Airbag gesetzlich einordnen sollten, musste Michael Lenke sein Projekt einfrieren.

Der 67-Jährige ist ein Quereinsteiger, der nach eigenem Bekunden selten Ahnung hat von dem, was er da baut. Sein Wissen eigne er sich von Idee zu Idee an. Er recherchiere, frage Experten, probiere aus. Erfinder zu sein, das könne man nicht lernen, sagt er. "Das ist eine Begabung, die hat man oder hat man nicht." Seine Frau sagt: "Einmal habe ich mir einen neuen Lockenstab gekauft. Zwei Tage später war er komplett auseinandergebaut." Er wiederum sagt: "Ich will wissen, wie Dinge funktionieren."

Die Firmenzentrale zieht bald von Niederbayern nach Berlin um

Für die Vermarktung und Verkauf des "Womanizers" hat Lenke eine eigene Firma gegründet. Im hauseigenen Online-Shop kostet der Standard-"Womanizer" um die 100 Euro. Für ein Stück der limitierten Auflage, verziert mit Swarovski-Steinen, werden 499 Euro fällig. Das Geschäft rechnet sich offenbar, für die Firma arbeiten inzwischen rund 800 Menschen.

Produziert wird in einem Werk in Asien, die Zentrale zieht bald von Metten nach Berlin um, Niederbayern ist zu klein geworden. Lenke weiß, dass er es weit gebracht hat als Erfinder: "Ich habe viele Entwickler gesehen, die gestrandet sind." Manche scheiterten, weil sie tüftelten, bis ihnen das Geld ausging. Andere, weil ihnen die Erfindung gestohlen wurde, bevor sie geschützt war.

Manchmal geht beim Basteln und Schrauben allerdings noch mehr schief. Von seinem Haus blickt Lenke auf eine Ruine im Nachbargarten. Bis letzten Sommer stand dort ein Wohnhaus, dann flog es in die Luft, eine Explosion, überall Feuer. Wie durch ein Wunder wurde niemand schwer verletzt. Der Nachbar hatte ebenfalls im Keller getüftelt. Lenke sagt: "Er hat Nagelbomben gebaut."

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