Sexismus und Frauenfeindlichkeit:"Alles, was Frauen passiert, wird ins Private geschoben"

  • Die Grünen-Politikerin Katharina Schulze fordert, Frauenfeindlichkeit als politische Kategorie in der Kriminalitätsstatistik zu verankern.
  • Als politisch motivierte Straftaten gelten bisher etwa Angriffe wegen Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung.
  • Viele Fälle von Frauenfeindlichkeit und Hass im Internet werden von der Statistik gar nicht erfasst.

Von Lisa Schnell

Der Chef, der auf seinen Schoß klopft und zu einer privaten Audienz einlädt, der dunkle U-Bahn-Eingang, aus dem es "Hey Süße" zischt, die Schritte auf dem Asphalt, die einem folgen. Dass Sexismus und sexuelle Übergriffe zum Alltag von vielen Frauen gehören, ist nicht erst seit der Debatte um den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein bekannt. Es braucht aber oft einen Prominenten, der massiv daneben gegriffen hat, um sie ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.

Katharina Schulze, Fraktionschefin der Grünen im Landtag, hat eine Idee, wie ein erster Anfang gemacht werden könnte, um Sexismus oder Frauenfeindlichkeit dauerhaft als gesellschaftliches Problem sichtbar zu machen. Sie fordert, Frauenfeindlichkeit als Kategorie in der Statistik der politisch motivierten Kriminalität aufzunehmen. "Es ist nicht nachvollziehbar, warum Kategorien wie Hautfarbe, Religion, sexuelle Orientierung oder äußeres Erscheinungsbild als Motive für Straftaten aufgeführt werden, nicht aber das Geschlecht der Opfer", sagt Schulze.

Die Aktivistin Penelope Kemekenidou, die sich beim Verein gender equality media gegen eine sexistische Berichterstattung einsetzt, hält das für einen lange notwendigen Schritt. "Alles, was Frauen passiert, wird ins Private geschoben", sagt sie. Gewalt gegen Frauen aber erfolge nicht nur aus persönlichen, sondern auch aus politischen Motiven.

Genauso wie es die Weltanschauung gebe, Menschen mit anderer Hautfarbe seien weniger wert, gebe es die politische Auffassung, dass Frauen minderwertig seien. Oft habe ein Übergriff alleine mit dem Geschlecht zu tun, ohne, dass zwischen Täter und Opfer eine persönliche Beziehung bestehe.

Ein Beispiel: Eine Frau geht auf dem Bürgersteig an einem fremden Mann vorbei, er macht sie an, sie ignoriert ihn. "Schlampe", schreit er, läuft ihr nach, stürzt sie zu Boden. Hätte er bei einem Homosexuellen "Schwuchtel" gerufen und den Mann angegangen, könnte der Übergriff als Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung in der Statistik vermerkt werden, sagt Kemekenidou. Ein politisch motivierter Angriff auf eine Frau tauche dort aber nicht auf.

Als Hasskriminalität gelten politisch motivierte Straftaten, die verübt werden, weil der Täter eine negative Einstellung zu bestimmten Merkmalen des Opfers hat. Hierzu zählen etwa die ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, sozialer Status oder das äußere Erscheinungsbild. Frauenfeindlichkeit gehört nicht dazu.

So steht es in der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage von Schulze. Allerdings gebe es im Bereich politisch motivierter Kriminalität unter dem Oberbegriff "Sozialpolitik" das Thema "Frauen und Gleichstellung" mit den Erläuterungen "Antisexismus, Antipatriarchat". In den vergangenen fünf Jahren wurden in dieser Kategorie zwischen sieben und vier Delikte pro Jahr vermerkt. 2012 waren es sieben, 2016 fünf. Dabei handelte es sich vor allem um Anklagen wegen Sachbeschädigung; aber auch Körperverletzung, Beleidigung oder Hausfriedensbruch sind in der Antwort des Ministerium aufgeführt.

Schon jetzt gebe es mit der Kategorie "Frauen und Gleichstellung" also eine Abbildung von frauenspezifischen Straftaten. Eine neue Kategorie einzuführen wird als nicht zielführend erachtet. In einem Punkt aber teilt der Staatssekretär im Innenministerium, Gerhard Eck, die Ansichten von Schulze: "Kriminalität gegen Frauen, insbesondere auch im Internet, sowie sexistische Botschaften sind weit verbreitet und stellen einen bedeutsamen Anteil der Hasskriminalität dar", schreibt er in seiner Antwort.

Schulze verwundert deshalb, dass unter den wenigen aufgeführten Fällen, die in der Statistik mit Sexismus in Verbindung gebracht werden, kein einziger mit Aussagen im Internet zu tun hat. Aktivistin Kemekenidou fällt eine Vielzahl von Beleidigungen im Netz ein, die sich explizit gegen Frauen richten. Etwa wenn Frauen im Internet von einer Abtreibung berichten oder eine gleichberechtigte Bezahlung einfordern. Diese Realität müsste sich auch in der Statistik widerspiegeln. "Nur wenn man die Unterdrückung sichtbar macht, ermächtigt man Frauen auch", sagt Kemekenidou.

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