Sexismus-Debatte in Niederbayern:Macho-Auftritt im Bierzelt

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"Ich möcht so gerne mit dir schmusen, und dich küssen auf den Busen": In Niederbayern erhitzt eine Sexismus-Debatte die Gemüter. Der Landrat von Straubing-Bogen soll im Bierzelt eine Bürgermeisterin zum Dirigieren genötigt haben - ausgerechnet ein für sie kompromittierendes Lied.

Von Wolfgang Wittl

Es muss ein zünftiger Abend gewesen sein vergangene Woche im Bierzelt zu Haibach (Landkreis Straubing-Bogen). Der Heimat- und Trachtenverein "d'lustigen Hofbergler" feierte sein 50. Gründungsfest, Reden wurden geschwungen, Staatssekretär Gerhard Eck bekam einen Brotzeitkorb für seine Würdigung der Vereinsarbeit. Als alle Ansprachen verklungen waren, intonierte die Kapelle zu Ehren von Landrat Alfred Reisinger (CSU) dessen Lieblingsstück, den Erzherzog-Albrecht-Marsch. Was dann geschehen sein soll, beschrieb das Straubinger Tagblatt so: "Als nächstes orderte der Landrat ,Auf der Bruck trara, da liegt die Barbara' - und nötigte Feldkirchens Bürgermeisterin Barbara Unger zum Dirigieren. Er selbst (Reisinger) musste dazu dann zum Gaudium des Publikums allerdings auch mit auf die Bühne."

Seitdem wird über jenen Abend in Haibach viel gesprochen im Landkreis Straubing-Bogen, erst recht, seit das Tagblatt in einer Glosse noch einmal nachlegte. "Gute Miene zum musikalischen Spiel" habe Parteifreundin Unger gemacht, ohne dass sie sich bei Landrat Reisinger revanchieren könne. Allenfalls durch eine DVD der Serie "Ein Herz und eine Seele", deren Hauptfigur Alfred hieß (und den Beinamen "Ekel" trug). Quintessenz des Zeitungstextes: "Vielleicht sollten bei bayerischen Trachtenfesten mit CSU-Kundgebung (. . .) Politiker ihr Bier erst kriegen, wenn alle anderen Gäste schon gegangen sind." Zumindest dann, wenn sie ein Lied bestellen, dessen Text "wahrscheinlich einem Mann nach zehn Maß Bier eingefallen ist".

Nun lässt sich in der Tat hinterfragen, ob es schicklich ist, eine Frau namens Barbara auf offener Bühne ein Werk dirigieren zu lassen, dessen Libretto als kompromittierend verstanden werden kann: "Auf der Bruck trara, da liegt die Barbara, ganz derdruckt trara, von ihrem Hawara, und sie hofft trara, dass noch oft trara, er sie druckt trara, auf der Bruck!" So lautet der ewig wiederkehrende Refrain dieses Stücks, kulminierend in den markanten Strophen: "Seh ich die Barbara ganz alleine, blonde Haare, hübsche Beine, (. . .), ich möcht so gerne mit dir schmusen, und dich küssen auf den Busen (. . .). Und sie stöhnt ganz außer sich, liebst du wirklich nur noch mich??? Das ist herrlich was du alles mit mir tust!"

In den Bierzelten hat es das Œuvre der "Jungen Zillertaler" bereits zu beachtlicher Bekanntheit gebracht, auch in Haibach soll die Stimmung prächtig gewesen sein: Während Barbara Unger und Landrat Reisinger laut Zeitung "im völligen Einklang" dirigierten, stand das Publikum auf den Bänken. Außerhalb des Bierzelts hingegen herrschen Zweifel, ob die angeblich von Reisinger initiierte Vorstellung angebracht gewesen sei - oder beispielhaft für ein tradiertes Frauenbild der CSU stehe. "Macho-Szenen in Niederbayern" heißt etwa die Betreffzeile einer E-Mail an die SZ. Und weiter: Im Vergleich zu Reisinger sei "der Brüderle ein Dreck dagegen". Der FDP-Fraktionschef war unlängst in die Kritik geraten, weil er einer Reporterin ein fragwürdiges Kompliment gemacht hatte.

Landrat Alfred Reisinger kann die Aufregung nicht verstehen. Er sagt, er habe weder im Detail den Text gekannt noch habe er Schlimmes im Schilde geführt, im Gegenteil: Nur "eine Gaudi" sollte der Auftritt sein. Zudem sei der Vorschlag zum Lied von der Kapelle gekommen, als Kodirigent habe er sich solidarisch gezeigt. Und schließlich habe die Bürgermeisterin den Spaß mitgemacht.

Barbara Unger, die einzige Bürgermeisterin im Landkreis Straubing-Bogen, bestätigt das. "Es war Spaß - sonst nichts", sagt sie. Dass sie die Aufforderung zur Taktgeberin in einem vollen Bierzelt womöglich gar nicht ablehnen konnte, was soll's. Das Lied habe doch eine schmissige Melodie, sagt Unger, und mit dem Text habe sie nachweislich nichts am Hut.

© SZ vom 09.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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